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Jahresinterview Weyhes Bürgermeister Frank Seidel: "Wir sind gut gerüstet"

Im großen Jahresinterview mit dem WESER-KURIER spricht Weyhes Bürgermeister Frank Seidel über das vergangene Jahr. Auch blickt er auf die Ortskerne, die Linie 8 und die Gesundheitsversorgung im Nordkreis.
15.01.2024, 14:59 Uhr
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Weyhes Bürgermeister Frank Seidel:
Von Wolfgang Sembritzki

Herr Seidel, "Krisenmodus" ist das Wort des Jahres 2023. Trifft das auch auf das Jahr 2023 in der Gemeinde Weyhe zu?

Frank Seidel: In einem anderen Zusammenhang hatte ich schon einmal davon gesprochen. Das hatte ich mit dem Wunsch für 2024 verbunden, dass man dann nicht mehr über den Krisenmodus spricht, sondern über andere Dinge. Gefühlt hatten wir den Krisenmodus in den vergangenen Jahren eigentlich immer, ich will die einzelnen Krisen auch gar nicht wiederholen. Ergänzt wurden sie letztlich auch noch durch das Hochwasser. Das ist für viele Leute ein Problem. Aber nicht nur das Hochwasser, sondern auch das Wasser in den Kellern. Ich würde mir wünschen, dass wir aus dem Krisenmodus herauskommen und Ende 2024 mehr über andere, normale Dinge sprechen. Einige sagen, Krisenmodus ist der neue Normalzustand. Das sehe ich nicht so. Ich würde mir wünschen, dass das Wort des Jahres dann nicht Krisenmodus ist, sondern dass man lieber über Frieden, Liebe und Empathie spricht.

Wie gut ist die Gemeinde gegen Hochwasser geschützt?

Man hat es jetzt ja gesehen, die Gemeinde ist gut geschützt. Die Deiche halten. Das Wasser war an den Deichen dran, deswegen sind die Deichscharte auch vorsichtshalber geschlossen worden. Entscheidend ist, dass wir gut vorbereitet und in Katastrophen vor der Lage sind. Das ist wirklich gut gelungen. Das Wasser stand sehr hoch und geht immer weiter runter. Wir sind gut gerüstet. Es ist gut, dass wir auf gute, professionelle Arbeit zurückgreifen können, wenn so etwas passiert. Krisen schweißen zusammen, das hat man beim Hochwasser wieder gemerkt. Beim Bauhof wurden rund 4500 Sandsäcke geschippt von Feuerwehr, von der DLRG. Die waren jeden Tag unterwegs, haben das Wasser beobachtet. Wir reden nicht nur von der Weser, sondern auch von kleinen Bächen wie dem Süstedter Bach, der Hache, dem Mühlenbach oder dem Hombach und stehenden Gewässern. Es waren wirklich viele Akteure, die ehrenamtlich dabei sind, aber auch die Hauptamtlichen vom Baubetriebshof, aus dem Rathaus oder vom Mittelweserverband will ich nicht vergessen. Gerade über die Feiertage ist das genial gewesen. Danke allen, die sich da so engagiert haben. Viele Menschen haben auch mit Wasser im Keller zu tun, die sich alle drei Stunden den Wecker stellen, um Wasser abzupumpen. Die gehen auf dem Zahnfleisch. Nachbarn und Freunde unterstützen häufig. Da ziehe ich meinen Hut vor und hoffe auch da auf fallende Wasserstände.

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Wann ist der Henry-Wetjen-Platz in Leeste fertig?

Ende dieses Jahres ist er auf jeden Fall fertig.

Wie geht es danach weiter, etwa Richtung Gaststätte Amelung?

Da wird sich schon vorher etwas tun. Wir haben im vergangenen Jahr 1,3 Millionen Euro für die Ortskernentwicklung ausgegeben. Vieles davon floss in die Wegebeziehungen zwischen der Leester Straße und der Schulstraße. Das halte ich für eine tolle Möglichkeit, ohne Auto durch Leeste zu kommen und mit dem Wäldchen und der Skulptur mitten im Zentrum eine gute Aufenthaltsqualität zu haben. Die Alte Wache, die intensiv renoviert und saniert wurde, ist auch nicht zu vernachlässigen. Da sind auch fast 700.000 Euro investiert worden. Dieses Jahr wird es weitergehen mit der ehemaligen Gaststätte Amelung, die abgerissen wird. Das wird im ersten Quartal noch erfolgen.

In Leeste passiert ziemlich viel. Werden andere Ortsteile dadurch abgehängt?

Das glaube ich nicht. Wir machen das alles nicht für einen Ortsteil, sondern für Weyhe. Auf der Grenze Kirchweyhe/Lahausen haben wir das Inklusionshotel vor der Tür. Wir haben die Mittel aus der Perspektive Innenstadt am Marktplatz für das erste inklusive Spielschiff, die Outdoor-Gym-Anlage und die Ertüchtigung der Marktplatztechnik ausgegeben. In Melchiorshausen haben wir die Walderweiterung, in Sudweyhe den Sportplatz, in Erichshof die Schulerweiterung, in Dreye den Reisegarten, in Angelse die neue Kita und vieles mehr. Es wird kein Ortsteil abgehängt. In Weyhe insgesamt passiert also viel.

Liegt das Inklusionshotel im Zeitplan?

Da kann ich leider noch keinen Zeitplan nennen. Wir führen gerade intensive Gespräche. Im Bereich Baukosten, Zinsen und anderen Rahmenbedingungen merken wir Veränderungen, die dazu führen, dass sich das ein wenig zieht.

Eine Verlängerung an den Bahnhof Kirchweyhe und bis nach Sudweyhe finde ich wichtig.
Frank Seidel, Bürgermeister der Gemeinde Weyhe

Wie erleichtert sind Sie, dass die Linie 8 nun kommt?

Ich bin froh, dass wir den Beschluss jetzt haben und Stuhr ihn auch gefasst hat. Es sind alle zu Wort gekommen, auch die, die es nicht so gut finden. Ich glaube, dass das eine gute Maßnahme für die Zukunft ist. Für uns in Weyhe bedeutet es aber auch den klaren Auftrag, dass wir für die nächsten Generationen weiterdenken müssen. Eine Verlängerung an den Bahnhof Kirchweyhe und bis nach Sudweyhe finde ich wichtig. So haben wir eine Ost-West-Achse und eine Querverbindung bis nach Stuhr. In Zeiten von Bahnstreiks, Baustellen in Bremen und Treckern auf der Straße wäre es gut, wenn die Linie 8 schon fahren würde. Wenn man sich vorstellt, dass man in Leeste im 20-Minuten-Rhythmus einsteigen und ohne Umstieg an der Domsheide nach einer guten halben Stunde aussteigen kann, wäre das eine super Alternative.

Wann rollt die erste Straßenbahn?

Ich rechne mit Mitte/Herbst 2026.

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Das Dach der KGS Leeste leckt, die Grundschule Erichshof braucht einen Anbau. Wie geht es da weiter?

Hoffentlich flott. Gerade das Dach der KGS Leeste hat sich durch das Ausschreibungsverfahren verzögert. Das wird aber dieses Jahr angepackt. Das ist eine große Herausforderung. Es kommt eine Fotovoltaikanlage aufs Dach, das ist ein riesen Fortschritt. Bei der Grundschule Erichshof geht es auch weiter, das ist Thema in der nächsten Schulausschusssitzung. Da geht es richtig voran.

Sechs von sieben Feuerwehrhäusern haben Mängel, heißt es im Feuerwehrbedarfsplan. Das klingt schlimm, trotzdem wirkt die Gemeinde recht entspannt. Wie schlimm ist es?

Die Entspannung ist da, weil das keine Überraschungen sind und wir wie in der Vergangenheit diese Dinge gemeinsam mit Feuerwehr und Politik besprechen und lösen werden. Wir hatten vorher keinen Feuerwehrbedarfsplan, aber eine Konzeption für die Weiterentwicklung. Da ging es um die Fahrzeuge und die Gebäude. Die Fahrzeuge werden regelmäßig beschafft. Lieferzeiten sind da eher ein großes Problem. Bei den Gebäuden ist zum Beispiel die Situation in Lahausen in Kombination mit der Grundschule und Kita problematisch, aber auch an anderen Stellen gibt es Handlungsbedarf. Da werden wir über Baumaßnahmen nachdenken müssen, aber auch über Standorte. Die Arbeitsgruppe Feuerwehrbedarfsplan wurde eingerichtet, um mit der Feuerwehr und Politik zusammen über die Umsetzung zu sprechen. Die Arbeit ist gut, realistisch und konstruktiv.

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Ein Großeinsatz war im Oktober 2023 an der Angelser Straße, als eine Granate im geplanten Baugebiet gefunden wurde. Werden Flächen künftig stärker auf Sprengmittel überprüft?

Eine Bodenuntersuchung wird immer gemacht. Das hatten wir auch hinter dem Henry-Wetjen-Platz und an der Lahauser Straße. In Angelse wurde etwas gefunden, deshalb gab es auch die Evakuierung. Das lief mit Feuerwehr, Polizei, Rathaus und allen Beteiligten gut.

Am Landgericht Verden sind kürzlich mehrere Fälle von Totschlag oder versuchtem Totschlag verhandelt worden, der Tatort lag jeweils im Weyher Gemeindegebiet. Die Gewalt richtete sich gegen Frauen. Können sich Frauen in Weyhe sicher fühlen?

Zu diesem Thema sind wir im ständigen Austausch mit der Polizei. Häusliche Gewalt hat zugenommen, das ist nicht nur in Weyhe ein Problem. Es ist wichtig, dass man mit den entsprechenden Akteuren – Polizei, Weißer Ring, Gleichstellungsbeauftragte – daran arbeitet und zusieht, wie man die Situation verbessern kann. Es gab im letzten Jahr im Landkreis zwei Netzwerktreffen dazu. Ich finde es unwahrscheinlich wichtig, dass man sich dem Thema widmet.

2022 hatte die Gemeinde zum Energiesparen aufgerufen. Gilt das weiterhin?

Das Bewusstsein ist auf jeden Fall geschärft. Zwischen Weihnachten und Neujahr hatten wir auch das Rathaus geschlossen, damit wir die Heizung herunterfahren können. Das bringt auf jeden Fall etwas. Davon abgesehen, ist Energiesparen von allen immer richtig.

Die Gemeinde Weyhe will 2035 klimaneutral sein. Ist das realistisch?

Ich halte das weiterhin für realistisch. Wichtig ist, dass wir als Gemeinde unseren Beitrag dazu leisten, gerade in den Haushaltsberatungen, unter anderem wenn es um neue Heizungen geht. Die PV-Offensive läuft wirklich gut, auch wenn wir vor einiger Zeit Sorgen damit hatten, dass wir Material und Handwerker bekommen. Das ist nicht mehr der Fall. Wir haben seither jedes Jahr über 400.000 Euro investiert. Es ist weiterhin das Ziel, dass alle gemeindlichen Gebäude mit PV ausgestattet werden. Die Gemeinde ist aber nur ein Akteur, sicherlich auch mit Vorreiterrolle. Entscheidend ist aber auch, dass alle an einem Strang ziehen und ganz viele Privatleute und Firmen mitmachen.

Als die ersten Pläne zur Schließung des LdW durchgesickert sind, haben wir uns starkgemacht, dass es erhalten bleibt.
Frank Seidel, Bürgermeister der Gemeinde Weyhe

Das Bremer Klinikum Links der Weser schließt, das geplante Zentralklinikum in Borwede ist weit weg. Ihre Genossen fordern einen Masterplan zur Lösung der Versorgungslücke im Nordkreis, vielleicht auch zusammen mit der Gemeinde Stuhr. Wie kann so etwas aussehen?

Das medizinische Angebot in Weyhe ist gut, aber gleichwohl gibt es immer Verbesserungsmöglichkeiten. Wir sind Grundzentrum mit mittelzentraler Teilfunktion in Gesundheit und Pflege. Als die ersten Pläne zur Schließung des LdW durchgesickert sind, haben wir uns starkgemacht, dass es erhalten bleibt. Es ist wichtig für die Gesundheitsversorgung der Weyherinnen und Weyher, trifft aber auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses, die in Weyhe und Stuhr wohnen. Die Krankenhauslandschaft insgesamt ist sehr komplex, gerade länderübergreifend. Es bleibt die Frage, welche Angebote am LdW bleiben. Die Schließung ist für 2028 vorgesehen, in Borwede sollen auch 2028 die ersten Patienten empfangen werden. Mit dem Angebot in Bremen-Mitte und Borwede bedeutet das für die Weyherinnen und Weyher weitere Wege. Bremen-Mitte scheint zwar nicht viel weiter weg, aber es ist ein Unterschied, ob man über die Weser muss oder nicht. 

Könnte die Lösung ein Gesundheitszentrum Stuhr-Weyhe sein?

Zum Beispiel. Stuhr ist in einer anderen Situation, weil dort auch Delmenhorst mit einer großen Klinik angrenzt. Wir müssen schauen, dass wir nicht hintenüberfallen. Es wäre uns lieber, wenn das LdW erhalten bleibt. Wir werden uns aber natürlich parallel für die bestmögliche Versorgung der Weyherinnen und Weyher einsetzen. 

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Was war Ihr persönliches Highlight 2023?

Das lag im Veranstaltungskalender. Es gab viele Veranstaltungen, das Zeltlager der Kreisjugendfeuerwehr ist natürlich der Wahnsinn gewesen. Am Neddernfeld ist im Prinzip ein neuer Ortsteil entstanden. Unfassbar war auch die Hilfsbereitschaft der Leute, insbesondere von der Feuerwehr. Wir hatten alles von Evakuierung bis zu Wetterproblemen. Die Tage waren einfach genial. Ich habe mich aber auch gefreut, dass auf dem Marktplatz wieder viel los war mit gemeindeeigenen Veranstaltungen und dem Open-air des Weyher Theaters. Und, kein Geheimnis: dass Arnd Zeigler mit dem Heimspiel endlich in Weyhe auftaucht. Das wurde auch einmal Zeit.

Was wünschen Sie sich für 2024?

Frieden, direkt vor der Haustür, aber auch weiter weg, weil man davon abhängig und betroffen ist. Nicht nur finanziell, man merkt auch, dass das mit den Leuten etwas macht. Wenn ich an Soziale Plattformen denke, wie Leute mit anderen umgehen, das ist schon bedenklich. Vielleicht auch hier und da ein Stück mehr Gelassenheit und mehr Empathie. Ich glaube, das täte allen ganz gut.

Das Interview führte Wolfgang Sembritzki.

Zur Person

Frank Seidel (54)

wurde im November 2019 zum Weyher Bürgermeister gewählt. Er folgte auf Andreas Bovenschulte. Vor seiner Wahl zum Rathauschef war der Sozialdemokrat beruflich für die Sparkassen-Immobilien GmbH in Bremen tätig. Frank Seidel ist verheiratet und hat drei Kinder.

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