Herr Geils, haben Sie überhaupt noch Lust, über Fußball zu reden, wenn jemand bei Ihnen deshalb anruft?
Julian Geils: (schmunzelt) Also über Fußball zu reden, ist für mich tatsächlich nie ein Problem.
Aber man kann wohl vermuten, dass Ihr Telefon diesbezüglich in den vergangenen Wochen einige Male geklingelt hat – und es dann auch sehr konkrete Anfragen gab, oder?
Ja, das stimmt, wobei ich die Gespräche immer relativ kurz gehalten habe, weil es eine klare Antwort beziehungsweise Auskunft gab, die auch immer identisch war.
Und zwar?
Dass ich nächste Saison nicht als Trainer tätig sein werde. Und davon rücke ich auch nicht ab.
Also können sich interessierte Vereine einen Anruf bei Ihnen sparen?
Ja. Mit zwei Ausnahmen, die ich mit meiner Frau vereinbart habe: Nämlich wenn die Bahamas oder Kapverden anrufen und einen Nationaltrainer brauchen (lacht). Nein, Spaß beiseite. Es gab tatsächlich viele Anrufe und Anfragen, seit bekannt ist, dass ich beim TuS Harsefeld im Sommer aufhören werde. Nicht nur aus dem Landkreis Osterholz, sondern auch aus anderen Landkreisen und aus Bremen. Und das ist grundsätzlich ja auch etwas sehr Schönes, zeigt es doch, dass ich offenbar ganz gute Arbeit geleistet habe in den vergangenen Jahren.
In der Osterholzer Fußballszene wurde Ihr Name vor allem mit zwei Vereinen in Verbindung gebracht: Mit Oberligist SV Bornreihe, wo Sie früher selbst vier Jahre als Spieler aktiv waren, und mit Landesligist FC Hagen/Uthlede.
Wie gesagt, es gab wirklich sehr, sehr viele Anfragen und darunter waren am Ende tatsächlich sieben Vereine, die mich normalerweise definitiv gereizt hätten. Dazu gehören auch Bornreihe und Hagen/Uthlede. Aber der Grund, warum ich aufhöre, bleibt ja immer derselbe.
Nämlich?
Um es einmal ganz deutlich vorwegzuschieben: Ich fühle mich in Harsefeld extrem wohl und wertgeschätzt, ich trainiere dort wirklich tolle Jungs und habe richtig große Lust, die Saison erfolgreich zu Ende zu bringen. Aber für mich bedeutet Fußball eben immer auch, dieser Leidenschaft vieles, in jedem Fall aber die komplette Freizeitgestaltung unterzuordnen. Gerade wenn man nach dem maximalen Erfolg strebt, muss das so sein. Und das habe ich immer gerne und mit voller Überzeugung getan.
Aber das machen längst nicht mehr alle Spieler.
In einem ambitionierten Umfeld wie in Harsefeld ist das ja sogar Jammern auf hohem Niveau. Wir haben dort sogar einige Vertragsamateure – und dennoch gibt es immer wieder diese ganz speziellen Trainingsabsagen. Meine Freundin hat Geburtstag, oder ich habe Konzertkarten geschenkt bekommen. Solche Dinge eben. Ich will das nicht mal pauschal verurteilen, aber wenn in einem 25er-Kader jeder Spieler pro Saison dreimal wegen solcher Gründe wegbleibt, dann ist das einfach ein Faktor. Dann wird man einfach nicht den maximalen Erfolg haben können.
Und diese Problematik befürchten Sie in jedem vergleichbaren Verein?
Das ist so. Am Ende ist das ja ein gesellschaftliches Thema. Das hat sich einfach verändert in der Vergangenheit. Wie gesagt, ich mache den Jungs nicht einmal einen Vorwurf, das ist heutzutage einfach so. Auf der anderen Seite habe ich mir natürlich so meine Gedanken gemacht, ob ich dann noch in diese heutige Fußballwelt passe.
Aber wären Sie nicht in Harsefeld geblieben, wenn der Oberliga-Aufstieg in greifbarer Nähe oder vielleicht sogar schon geschafft wäre?
Nein, das hätte definitiv keinen Unterschied gemacht. Vielleicht wäre ich sogar schon letzten Sommer gegangen, selbst wenn wir es geschafft hätten.
Nach vier Jahren mit drei bis vier Fahrten pro Woche nach Harsefeld wäre ja jeder Verein aus dem Landkreis Osterholz wie eine Erholungskur für Sie.
(lacht) Das ist so. Und dieses Argument kam tatsächlich auch von den anfragenden Vereinen. Von meiner Haustür bis zum Platz in Hagen sind es beispielsweise 18 Kilometer, aktuell fahre ich 109 Kilometer nach Harsefeld. Aber genau das ist ja gar nicht das Problem. Ich bin ja gerne bereit, diesen Aufwand zu betreiben. Noch mal: Ich habe tolle Jungs in Harsefeld, mit denen es riesig Spaß macht. Aber Fakt ist eben auch: Wir leben in einer Zeit mit ganz vielen Mini-Maxern, wie ich es nenne. Das ist in der heutigen Gesellschaft bei vielen so: Mit dem geringsten Aufwand möchte man den größtmöglichen Erfolg haben. Aber wirklich erfolgreich werde ich nur sein, wenn ich mehr Aufwand betreibe als andere. Das war schon immer so – und das wird auch so bleiben.
Wenn Sie sagen, Bornreihe und Hagen gehörten zu den sieben attraktiveren Vereinen. Was hätten Sie sich mehr vorstellen können: Die "Moorteufel" oder den Verein von der Blumenstraße?
Grundsätzlich wäre beides unheimlich reizvoll. Nach vier Jahren als Spieler sage ich auch heute noch: Einmal Bornreihe, immer Bornreihe. Das war eine ganz besondere Zeit damals und immer, wenn ich ins Teufelsmoor zurückkehre, ist das wirklich beeindruckend, wie herzlich mich die Menschen dort begrüßen und in Empfang nehmen. Aber natürlich ist der FC Hagen/Uthlede auch ein toller Verein mit einem klasse Umfeld. Und nicht zuletzt wegen Marcel Meyer, mit dem ich ja in Ritterhude und Harsefeld lange zusammengearbeitet habe, habe ich mich intensiver mit dem Kader dort auseinandergesetzt, als ich es eigentlich hätte tun sollen. Aber am Ende sind Bornreihe und Hagen eben nicht die Bahamas und Kapverden (lacht).
Ihre drei Söhne spielen ebenfalls allesamt Fußball, wäre das vielleicht noch eine Option.
Nein, auf keinen Fall. Ich werde ab Sommer definitiv öfter bei den Spielen der Jungs zuschauen und freue mich darauf auch wirklich sehr. Aber ich werde nicht als Trainer bei meinen Söhnen tätig sein. Ich könnte mir momentan auch wirklich vorstellen, dass es mein endgültiges Laufbahnende als Trainer ist, wobei ich diese Aussage nicht in Stein meißeln will. Aber um die besagten Themen nicht mehr zu haben, müsste man wohl in die Regionalliga gehen – und diesen Aufwand kann und will ich nicht betreiben.
Also gilt jetzt der komplette Fokus dem letzten Halbjahr mit dem TuS Harsefeld.
Exakt, und ich freue mich wirklich richtig auf die Rückrunde. Wer weiß, was da noch passiert. Und im Pokal sind wir auch noch dabei. Ich will da wirklich das Maximale rausholen zum Abschluss. Die Mannschaft war schon geknickt und schockiert, als ich meinen Rückzug verkündet habe. Das war vor dem Heimspiel gegen Bardowick ...
... das dann mit 8:2 gewonnen wurde.
Genau. Die ganze Situation vor diesem Spiel war sehr emotional. Ich habe in dem Moment erstmals in vier Jahren nicht als Trainer, sondern ausschließlich als Mensch Julian Geils zu der Mannschaft gesprochen und die Jungs gebeten, sich einmal ausnahmsweise nur für mich als Person zu zerreißen, auch um zu zeigen, dass wir eine Einheit sind und wie wir das nächste halbe Jahr angehen wollen. Und wenn dann am Ende ein 8:2-Sieg dabei rausspringt, ist das schon eine außergewöhnliche Reaktion, die mich sehr berührt hat.