Das Angebot an traditionellen Cafés in der Verdener Innenstadt ist nach der Schließung des Café Engelhardt vor Jahren schon dünn geworden, jetzt ist auch das Café Erasmie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Inhaberin Sibylle Jackl hat am vergangenen Freitag beim Amtsgericht Verden einen Insolvenzantrag gestellt. "Die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Antragstellerin ist am 8. Juni angeordnet worden", heißt es in den Bekanntmachungen des Amtsgerichts Verden.
Inhaberin Sibylle Jackl sagt, dass der Betrieb im Café Erasmie wie gewohnt weitergehen werde. Daran werde der Insolvenzantrag nichts ändern. Auch die Arbeitsplätze der 22 Mitarbeiter seien nicht akut gefährdet. Leichtgefallen sei ihr der Gang zum Insolvenzgericht naturgemäß nicht. Es gebe aber immer triftige Gründe für so einen Schritt. Unter dem Strich habe der Umsatz nicht mehr gestimmt, die Kosten für das große Café mit 100 Sitzplätzen seien aber weitergelaufen. Vor allem im Café-Bereich sei der Umsatz rückläufig. "Der Absatz beim Kuchenverkauf außer Haus sowie im Onlineshop sind nicht das Problem", sagt die Inhaberin, die das Café Erasmie Anfang 2011 übernommen hatte. Die Insolvenz sei für sie auch die Chance auf einen Neuanfang. "Das Thema ist nur in Deutschland negativ besetzt", sagt sie.
Nach Informationen dieser Zeitung wurden die Angestellten zeitnah am Freitag über den Insolvenzantrag informiert. Gleichzeitig wurde ihnen versichert, dass sich für sie nichts ändern werde. Gerade in den Sommermonaten sei das Café nicht voll gewesen, ist aus der Belegschaft zu hören. Gleichzeitig habe es bei den Gästen einen Generationswechsel gegeben. Ältere Gäste seien verstorben, jüngere nicht mehr in dem Maße nachgekommen.
Für die vorläufige Insolvenzverwaltung hat das Gericht den Verdener Rechtsanwalt Christian Willmer bestimmt. Dieser hat direkt nach dem Beginn des Verfahrens Gespräche mit den Mitarbeitern geführt, wie er sagt. "Eine wichtige Aufgabe ist jetzt, die Gründe für die Insolvenz zu erarbeiten und möglichst im Zuge einer Sanierung abzustellen", sagt Willmer. Zurzeit seien die Ursachen der Krise noch unklar.
Im Zuge eines aktuellen Besuchs im Café Erasmie habe er sich allenfalls einen vorläufigen Eindruck verschaffen können. "Als Verdener kennt man natürlich das Erasmie, das ist ja nicht irgendein Café", ist Christian Willmer überzeugt. Angesichts der "Produkte auf einem ausgesprochen hohen Niveau" seien er und alle anderen Beteiligten optimistisch, das Café weiterführen zu können.
Seiferthsche Spezialtorte
Schließlich seien die Pralinen handgemacht, und die Seiferthsche Spezialtorte sowie die Verdener Pferdeäpfel hätten einen "ausgezeichneten Ruf" über die Grenzen des Landkreises hinaus.
Durch den Insolvenzantrag hätten Unternehmen und Insolvenzverwalter nun drei Monate Zeit, die Lage zu analysieren und vor allem Wege zu finden, um die Zukunft des Cafés zu sichern. "Der Geschäftsbetrieb wird nicht beeinträchtigt, die Gehälter sind für die nächsten drei Monate sicher, und die Lieferanten werden die Zusammenarbeit fortsetzen", beschreibt Christian Willmer die aktuelle Situation. Ein Werkzeug, um das Unternehmen während der nächsten Zeit finanziell zu entlasten, sei beispielsweise das Insolvenzgeld von der Agentur für Arbeit. Aus diesem Topf würden die Gehälter während des nächsten Quartals bezahlt. "Die Stimmung im Café ist nicht gedrückt, dafür gebe es auch keinen Grund", betont der Anwalt. Alle Gäste könnten sicher sein, wie gewohnt bedient zu werden.
Das Café Erasmie hat eine lange Geschichte. Die Große Straße 102 ist seit dem 17. Jahrhundert die Adresse für das traditionsreiche Haus. Im Laufe der Zeit hatte es wechselnde Besitzer und Funktionen, bis Hermann Seiferth 1905 nach Verden kam und in dem Gebäude eine Konditorei mit Café eröffnete. Er kreierte das Rezept für die "Seiferthsche Spezialtorte". 1952 übernahm Konditormeister Lehmann das Geschäft und führte es bis zur Verpachtung 1964 an Günther Erasmie. Dieser baute das Café nach modernen Maßstäben um.