Am Montagabend waren es zunächst nur vier Sätze, mit denen EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel in einem gemeinsamen Statement die Entscheidung von Wladimir Putin „aufs Schärfste“ verurteilten, um im Anschluss das gemeinsame Vorgehen der Staatengemeinschaft einzuleiten. Am Dienstag dann einigten sich die 27 Chefdiplomaten in einer von Borrell einberufenen Dringlichkeitssitzung in Paris auf Strafmaßnahmen, die noch in dieser Woche in Kraft treten sollen. Das Ziel sei es laut Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erstens, „ein deutliches Stoppschild aufzuzeigen, dass diese Aktion nicht akzeptabel ist und zweitens eine weitere Eskalation zu verhindern“.
Die große Frage lautete: Wie weit würde die EU in ihrer Antwort auf die Aggression aus Moskau gehen? War nun die rote Linie überschritten? Am Ende sollten die Sanktionen härter ausfallen, als viele erwartet hatten. Und sie könnten noch weiter verschärft werden, wie Baerbock betonte. Brüssel wollte damit ein Signal in Richtung Moskau senden, dass man die Aggressionen nicht dulden werde. Es war gleichzeitig als Botschaft gedacht, dass der Westen weiterhin geschlossen zusammensteht. Dabei straucheln hinter den Kulissen viele Regierungen mit der Entscheidung für weitreichende Maßnahmen, denn einerseits möchte man Russland zwar klar die Grenzen aufzeigen. Andererseits aber will Europa verhindern, sich selbst zu schwer zu schaden. Das dürfte vor allem dann zur Bewährungsprobe werden, falls Putin seine Truppen über die Grenze beordert, die die Separatistengebiete von jenem Territorium trennt, das die ukrainische Regierung kontrolliert – und die Mitgliedstaaten unter Druck geraten, mit noch weitreichenderen Maßnahmen zu reagieren.
EU-Sanktionen zielen auf Wirtschaftssektor
Die nun einstimmig vereinbarten, zuvor von der Kommission vorgeschlagenen Sanktionen zielen auf den Wirtschafts- und den Finanzsektor sowie auf Putins Umfeld. So will die Gemeinschaft Banken und Unternehmen auf die Sanktionsliste setzen, die in der Ostukraine Geschäfte machen. Es betrifft jene Institute und Firmen, „die das russische Militär und andere Operationen“ in den Separatistengebieten finanzieren.
Zudem treffen die Maßnahmen Personen, „die an dieser rechtswidrigen Handlung beteiligt sind“, wie es in Brüssel hieß. Dazu gehören auch jene 351 Abgeordnete des russischen Parlaments, die für die Anerkennung der Separatistenregionen Luhansk und Donezk votiert haben.
Allein ein Name fehlte in der langen Liste: Wladimir Putin. Wie lange bleibt der Kremlchef verschont? Jene sanktionierten Russen dürfen nicht mehr in die EU einreisen und auch Geschäfte mit ihnen werden verboten. Außerdem werden deren in der EU vorhandenen Vermögenswerte eingefroren. Am meisten dürfte den Kreml ein Verbot des Handels mit russischen Anleihen schmerzen. Damit soll es dem russischen Staat erschwert werden, Kredite zu finanzieren, also an Geld zu kommen. Auch die Freihandelsregelungen der EU mit der Ukraine sollen nicht mehr für die Gebiete in der Ostukraine gelten. Die Pläne lagen seit Wochen in den Schubladen der Brüsseler Behörde. Beamte sprachen oft von einem beispiellosen Paket, bis ins kleinste Detail präzisiert. Nun wird es aufgeschnürt. Wird das alles Putin beeindrucken? Wird es ihn von einer weiteren Eskalation der Krise abhalten? Kritiker zweifeln.
Ein scharfes Schwert, das wochenlang in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, scheint die EU zumindest vorerst nicht zu zücken, weil es auch die Gemeinschaft zu schmerzhaft treffen würde. So plant man offenbar bislang nicht, russische Banken vom internationalen Zahlungsverkehr abzuschneiden, der u?ber den Dienstleister Swift la?uft.