SPD-Chef Sigmar Gabriel will mit einer Reform der Alterssicherung ein weiteres Absinken des Rentenniveaus verhindern.
„Das Niveau der gesetzlichen Rente darf nicht weiter sinken, sondern muss auf dem jetzigen Niveau stabilisiert werden“, sagte Gabriel den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch). Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) kündigte ein umfassendes Gesamtkonzept an.
Mit einer umfassenden Rentenreform solle Altersarmut von Millionen Rentnern verhindert werden, sagte Gabriel. Wenn die Union eine Sicherung des Rentenniveaus nicht mitmache, „wird die SPD das spätestens zur Bundestagswahl zur Abstimmung stellen“, kündigte er an. Mit seinem Vorstoß stellt der Parteichef eine Rentenreform der einstigen rot-grünen Bundesregierung infrage: Das Niveau der gesetzlichen Rente von derzeit rund knapp 48 Prozent des Durchschnittslohns könnte nach aktueller Gesetzeslage bis 2030 auf 43 Prozent sinken.
Gabriel sagte: „Viel zu viele Menschen haben in den letzten 20 Jahren zu wenig verdient. Wenn das Rentenniveau weiter sinkt, droht ihnen Altersarmut.“ Um dies zu verhindern, sei eine „gerechte Anpassung“ der Rentenformel notwendig. „Es ist unsere moralische Pflicht, das Rentenniveau in Zukunft zu sichern.“Nahles kündigte ein umfassendes Konzept an. Aus den Veränderungen der ökonomischen und demografischen Bedingungen ergäben sich neue Antworten, sagte Nahles der Deutschen Presse-Agentur. „Ich werde dafür sorgen, dass wir diese Antworten zügig, aber mit größter gebotener Sorgfalt erarbeiten und ein Gesamtkonzept vorlegen.“ Eine belastbare Grundlage dafür seien die Berichte zur Alterssicherung und Rentenversicherung, die die Bundesregierung im Herbst vorlegen werde.
Auch CSU-Chef Seehofer für Rentenreform
Zuletzt hatte sich der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer für eine große Rentenreform ausgesprochen. Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) solle ein eigenes Konzept für die CSU erarbeiten, berichtet die „Bild“-Zeitung. Seehofer hatte eine künftige Erhöhung der Altersbezüge für breite Schichten verlangt. Die 2001 eingeführte Riester-Rente hält Seehofer für gescheitert. Nahles sieht die gesetzliche Rentenversicherung als „das zentrale Versprechen des Sozialstaats“ an, dass Arbeitnehmer nach einem Arbeitsleben im Alter auch davon leben können.
Nach einem Bericht des WDR droht fast jedem zweiten Bundesbürger, der ab 2030 in Rente geht, eine Altersversorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung unterhalb der Armutsgrenze. Beinahe die Hälfte der Rentner wären dann möglicherweise abhängig von staatlichen Grundsicherungsleistungen, also faktisch Hartz-IV-Empfänger, berichtete der WDR unter Berufung auf eigene Recherchen und Berechnungen.
Demnach sind 25,1 Millionen Menschen von insgesamt 53,7 Millionen künftigen Rentnern von Altersarmut bedroht. Ein wichtiger Grund dafür sei das sinkende Niveau der gesetzlichen Rente, heißt es in dem Bericht. Als weitere Ursachen für die zunehmende Altersarmut werden in der Studie niedrige Löhne beispielsweise im Einzelhandel oder im Gastgewerbe genannt, aber auch die hohe Zahl von Teilzeitbeschäftigten, kleinen Selbstständigen und Mini-Jobbern. In diesen Gruppen bestehe eine massive Gefahr zu verarmen, hieß es.
Der frühere Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) plädierte im „Express“ dafür, die Riester-Zuschüsse in die gesetzliche Rente umzuleiten. „Die Riester-Rente hat unsere gute alte Rentenversicherung schwer beschädigt, indem sie das Niveau der Beiträge abgesenkt hat.“
"Absolut unglaubwürdig"
Der Linken-Bundesvorsitzende Bernd Riexinger kritisierte die Absenkung des Rentenniveaus als „Enteignung der Normalverdiener“. Linken-Rentenexperte Matthias Birkwald bezeichnete die Ankündigung des SPD-Chefs Gabriel als „absolut unglaubwürdig“.
Der Chef der Deutschen Rentenversicherung, Axel Reimann, fordert die Politik zu rechtzeitigen Weichenstellungen auf. Man müsse jetzt darüber reden, was nach 2030 geschehen solle, sagte Reimann den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Die Rentenversicherung brauche frühzeitig Klarheit über mögliche neue Zielgrößen bei Beitragssatz und Rentenniveau. Im Augenblick sei Altersarmut kein Massenphänomen.
Nur rund 2,5 Prozent der Rentner erhielten derzeit zusätzlich zu ihrer Rente Grundsicherung im Alter, so Reimann weiter. Allerdings wüchsen in der näheren Zukunft neue Risikogruppen heran, dazu gehörten Langzeitarbeitslose und Niedriglohnempfänger. Reimann regte regelmäßige Monitoring-Berichte an, um transparent zu machen, in welchem Umfang sich die Bürger auch privat für das Alter abgesichert haben. Dies biete dann die notwendige Grundlage für weitere Reformschritte, so der Chef der Deutschen Rentenversicherung.