Herr Weil, die Spitzen von Grünen und FDP scheinen sich ja schon richtig lieb zu haben. Ein gutes Zeichen für eine künftige Ampelkoalition?
Stephan Weil: Ein gutes partnerschaftliches Verhältnis würde ja schon reichen. In einer Koalition ist gegenseitiges Vertrauen wichtig. Wenn dieses Treffen dazu beigetragen hat, ist das sicher gut.
Muss Ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz aber nicht befürchten, von diesen vor Kraft strotzenden kleineren Partnern untergebuttert zu werden?
Da kennen Sie Olaf Scholz schlecht. Ich bin ganz sicher, dass er in den anstehenden Verhandlungen als künftiger Bundeskanzler die Fäden in die Hand nimmt und zusammenführt.
Keine Gefahr, dass Grün-Gelb die SPD und die CDU gegeneinander ausspielt, um den Preis hochzutreiben?
Das halte ich für ziemlich unrealistisch. Bei Lichte betrachtet befindet sich die CDU/CSU derzeit nicht in einem regierungsfähigen Zustand. Das liegt nicht nur am Wahlergebnis. Die Meldungen über die innerparteilichen Auseinandersetzungen in der Union häufen sich von Tag zu Tag. Das ist keine gute Grundlage für eine Regierungsbildung.
Einige FDP-Politiker fordern allerdings, dass man die Jamaika-Option offen halten müsse. Meinen die das ernst?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Die Union steht jedenfalls am Beginn eines Klärungsprozesses. Und als Sozialdemokrat weiß ich, wovon ich rede. Das kann dauern.
Der Streit in Ihrer Partei ist ja – zumindest nach außen hin – seit einem Jahr beigelegt. Jetzt muss sich die SPD mit ihren potenziellen Partnern auseinandersetzen. Wo liegen die größten Knackpunkte für eine Ampel-Koalition?
Das ist schwer zu sagen. Natürlich ist eine Dreierkoalition komplizierter als eine Zweierverbindung. Allerdings waren schon die bisherigen Bundesregierungen von Union und SPD Dreierbündnisse. CDU und CSU sind ja mitnichten aus einem Holz geschnitzt. Es wird darauf ankommen, dass die Ideen von einer freiheitlichen Gesellschaft, einer sozial gerechten Gesellschaft und einer ökologisch sehr verantwortungsbewussten Gesellschaft sinnvoll miteinander verknüpft werden. Das ist möglich; das wird allerdings allseits Kompromissfähigkeit und auch eine gewisse Flexibilität erfordern. Wenn es gelingt, wird es ein sehr interessantes Programm zur Modernisierung Deutschlands insgesamt werden.
Bei der von Ihnen erwähnten „sozial gerechten Gesellschaft“ gehen die Vorstellungen von SPD und FDP jedoch weit auseinander. Sie wehren sich gegen Steuersenkungen und wollen Vermögende stärker zur Kasse bitten; die Liberalen wollen Unternehmen und alle Steuerzahler spürbar entlasten.
Dass in einer solchen Verbindung alle Beteiligten nicht damit rechnen können, ihre Positionen eins zu eins umzusetzen, liegt auf der Hand. Ich habe bisher immer die Erfahrung gemacht, wenn Partner zueinander finden wollen, dies ihnen auch gelingt.
Also kein Plan B, nämlich eine Neuauflage der Großen Koalition, diesmal mit einem SPD-Kanzler?
Das wird nun wirklich von allen Seiten als keine gute Idee angesehen. Über den Zustand der Union habe ich schon einiges gesagt. Und man muss nüchtern hinzufügen, dass die bisherige Zusammenarbeit von CDU/CSU und SPD auf Bundesebene unübersehbare Verbrauchsspuren aufweist. Es war schon vor den Bundestagswahlen nicht mehr die Variante, die die Wählerinnen und Wähler haben wollten. Und nach den Wahlen gilt das erst recht.
Das Gespräch führte Peter Mlodoch.