Der Bundestag debattiert fünf sehr unterschiedliche Vorschläge zur Impfpflicht. Vom absoluten Nein bis zum entschiedenen Ja ist alles dabei.
Wie lief die Debatte?
Vom Leugnen des Sinns von Corona-Maßnahmen bis zu persönlichen Statements war alles dabei. Die Redezeit war streng begrenzt, die meisten Abgeordneten hatten neunzig Sekunden Zeit, um ihre Haltung zu einem der vorliegenden Anträge darzulegen. Viele hielten sich nicht daran. Die meiste Zeit, nämlich vier Minuten, bekam Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD), der zugleich für die Ministerpräsidenten auf der so genannten Länder-Bank sprach.
Das sind die Vorschläge
Dem Bundestag liegen fünf Anträge für oder gegen eine Ausweitung der Corona-Impfpflicht vor. Drei davon werden von Abgeordneten unterschiedlicher Fraktionen unterstützt. Geschlossenheit gibt es einzig bei AfD und CDU/CSU. Die AfD lehnt Impfungen und die allgemeinen Hygienemaßnahmen insgesamt ab. Die Union schlägt eine Impfpflicht vor für den Fall, dass sie unbedingt notwendig ist.
Das spricht für Ü18
Eine Gruppe von 236 Abgeordneten beantragt die allgemeine Impfpflicht für alle Volljährigen. Der Impfstatus soll über die Krankenversicherungen abgefragt werden, bei einem Verstoß drohen Bußgelder. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD Heike Behrens sagt, es gehe vor allem um Vorsorge. Auch Katrin Helling-Plahr, die rechtspolitische Sprecherin der FDP, mahnt einen ausreichenden Impfschutz bis zum Herbst an. „Freiheit ist nicht nur Freiheit vor Spritzen“, sagt sie, sie gelte auch für Kinder, Gewerbetreibende, Alte und chronisch Kranke. Wichtig seien aber gute Informationen und ganz einfaches Impfen, etwa in Apotheken. Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht von einer „einmaligen Chance“, Corona zu bekämpfen.
Das spricht für Ü50
Der fraktionsübergreifende Gesetzentwurf sieht eine verpflichtende Beratung vor – samt Impfangebot. Werden nicht genug Menschen überzeugt und ist das Gesundheitswesen bis zum Herbst nicht ausreichend geschützt, soll eine Impfpflicht für alle ab 50 Jahren gelten. Andrew Ullmann, Arzt und FDP-Gesundheitspolitiker, argumentiert mit dem Schutz gefährdeter Gruppen. „Wir wollen Weihnachten wieder mit unseren Lieben feiern. Wenn wir heute nichts ändern, sind wir verloren.“ Auch die Leipziger Ärztin Paula Piechotta (Grüne) setzt sich für dieses Modell ein, auch weil es die Menschen in den Pflegeberufen entlasten würde.
Die Argumente der Union
197 Abgeordnete von CDU und CSU stehen hinter dem „Impfvorsorge-Mechanismus“. Dieser sieht vor, dass das Parlament erst dann einer Impfpflicht zustimmt, sollte eine nicht beherrschbare Corona-Variante auftauchen. Sepp Müller, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, fordert zudem ein Impfregister, fortlaufende Berichte des Gesundheitsministers an das Parlament sowie einen Vorsorgemechanismus: Impf-Strukturen müssten dauernd vorgehalten werden. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Impfpflicht tot“, so der Fachpolitiker.
Die Haltung der AfD
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel lehnt eine Impfpflicht komplett ab, ihre Fraktion fordert zudem die Abschaffung der gerade inkrafttretenden einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Weidel spricht von einer absurden Debatte auf Basis falscher Tatsachenbehauptungen. Dass Impfungen schützen, sei „Fake News“, ebenso die Überlastung der Krankenhäuser. Die Impfpflicht bezeichnet sie als „Akt der Entrechtung“.
Setzen auf Einsicht
Wolfgang Kubicki und andere Abgeordnete setzen auf Freiwilligkeit. Manuel Höferlin, innenpolitischer Sprecher der FDP, bezweifelt, dass mit einer Impfpflicht eine Herdenimmunität erreicht würde. Das Gebot der Stunde sei „Einsicht“. Auch die Grünen-Abgeordnete Tabea Rösner wendet sich gegen eine Impfpflicht.
Was sagen die Länder?
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) wirbt für die allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren, für die sich die Ministerpräsidenten aller sechzehn Bundesländer mehrfach ausgesprochen hätten. Freiwilligkeit sei zwar wünschenswert, aber „wenn wir nur die Wahl haben zwischen ständiger Lockdown-Gefahr und Impfpflicht, dann sollten wir uns für die Impfpflicht entscheiden.“ Es könne nicht mehr hingenommen werden, dass ein Drittel der Bürger sich die Freiheit des Nichtimpfens nehme. Die Folgen dieser Entscheidung beträfen nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch den Staat und seine Institutionen.
Wie geht es weiter?
Das Parlament will Anfang April eine Entscheidung treffen, bis dahin wird nach einem Kompromiss gesucht. Klar ist allerdings, dass es ohne die Stimmen der Union weder die Ü18- noch die Ü50-Impfpflicht geben wird.