Sonntag, der 20. März, war schon als "Freedom Day" in aller Munde. Doch auch in Delmenhorst ist inzwischen klar, dass dieser Tag nicht die Rückkehr zu den vorpandemischen Freiheiten markieren wird. Niedersachsen wird bis einschließlich 2. April an den aktuell bestehenden Corona-Regeln festhalten. Möglich macht dies eine Übergangsregelung des neuen Infektionsschutzgesetzes, über das aktuell die Bundespolitik entscheidet. Durch die nochmals ansteckendere Subvariante BA.2 steigen in Delmenhorst wieder die Infektionszahlen. In Niedersachsen dominiert BA.2 nach Einschätzung des Landeskrisenstabs das Infektionsgeschehen bereits.
Wie entwickelt sich die Inzidenz?
Mit 249 Neuinfektionen meldete das RKI für Delmenhorst am Mittwoch den dritthöchsten Tageswert der gesamten Pandemie. Die Inzidenz kletterte von 809 auf 985,8. Im niedersächsischen Vergleich ist dies nach wie vor ein eher niedriger Wert, nur sechs Kreise und kreisfreie Städte liegen unter der Marke von 1000. Delmenhorst hat auch ein weiteres Todesopfer zu beklagen. Laut Stadtverwaltung handelt es sich bei dem 85. Todesfall um eine Frau im Alter von Anfang 80.
Wie ist die Lage im Delme Klinikum?
Im Delme Klinikum Delmenhorst (DKD) ist die Zahl der Corona-Patienten weiter sehr dynamisch. Anfang März waren es lediglich sieben, das Krankenhaus konnte eine der zwei Corona-Stationen schließen. Vergangene Woche schoss die Zahl dann auf 20, weshalb es die zweite Station wieder brauchte. "Das ist maximal anstrengend. Wir sind in darin inzwischen geübt, aber es bleibt belastend", sagte Klinikchef Christian Peters am Mittwoch. Erfreulich ist hingegen, dass auf der Intensivstation seit drei Tagen kein Corona-Patient mehr liegt. Der jüngste Anstieg der Inzidenz hat auch noch nicht die Zahl der Quarantäne-Ausfälle unter den Mitarbeitern erhöht. Laut Peters waren es zuletzt durchschnittlich zwölf. Dies sei zu verkraften. Im DKD gehen die Blicke auch nach Berlin. Dort entscheidet die Bundespolitik darüber, ob die Ausgleichszahlungen an die Krankenhäuser über den 19. März hinaus verlängert werden. Peters dazu: "Angesichts der aktuellen Zahlen kann ich mir nicht vorstellen, dass die wegfallen. Das wäre ein wirtschaftliches Desaster."
Wie läuft es bei der Kontaktverfolgung?
Seit dem 20. Januar gilt in Delmenhorst für Corona-Infizierte beim Informieren der Risikokontakte praktisch Selbstbedienung. Per Allgemeinverfügung hat die Stadtverwaltung diese Aufgabe an die Bürger abgegeben, um etwas gegen die chronische Überlastung des Gesundheitsamtes zu tun. Diese Regelung galt zunächst bis zum 28. Februar, wurde kürzlich aber bis auf Weiteres verlängert.
Bei der Betreuung der Infizierten konnte der Fachdienst Gesundheit laut Timo Frers, Sprecher der Stadtverwaltung, zuletzt einige Arbeitsschritte automatisieren. "So erfolgt beispielsweise die erste Kontaktaufnahme zu den Bürgerinnen und Bürgern per SMS statt durch einen Anruf", erläuterte er. Ein Containment-Scout könne so mehr Fälle bearbeiten. Frers weiter: "Diese im ersten Moment erfreuliche Entwicklung geht aber deutlich zulasten des Kontakts zur Bevölkerung." Ältere Delmenhorster versuche das Gesundheitsamt deshalb weiterhin telefonisch zu betreuen.
Welche Auswirkungen hat die Impfpflicht für das Gesundheitswesen?
Am Mittwoch hat Niedersachsen ein digitales Meldeportal aktiviert, bei dem Krankenhäuser sowie Senioren- und Pflegeheime ungeimpfte Mitarbeiter melden müssen. Auch ein Genesenennachweis oder ein ärztliches Attest, aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden zu können, erfüllen die Bestimmungen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Die Sanktionen reichen bis hin zu Tätigkeitsverboten. Wie berichtet sehen das DKD und die Seniorenheime der Stadt ihren Betrieb durch hohe Impfquoten gesichert. Die Klinik meldete am Mittwoch elf Mitarbeiter als ungeimpft, was etwas mehr als einem Prozent der Beschäftigten entspricht. Das Gesundheitsamt geht davon aus, dass es sich in Delmenhorst um rund 300 Fälle kümmern muss, in denen sich Beschäftigte nicht an die Impfpflicht halten. Wie viele es tatsächlich sind, lässt sich Ende März sagen. Die Arbeitgeber haben zwei Wochen Zeit, um Ungeimpfte zu melden.
Ist das Gesundheitsamt überlastet?
Mit der Durchsetzung der Impfpflicht steht der Fachdienst Gesundheit vor einer neuen Aufgabe. Für die Sanktionen gibt es Leitlinien der Landesregierung, allerdings fehlen Erfahrungswerte. Gleichzeitig muss das Gesundheitsamt jetzt auf die Unterstützung der Bundeswehr verzichten, die seit Oktober Amtshilfe geleistet hat. Sechs Soldaten arbeiteten in der Kontaktverfolgung, zwei halfen den mobilen Teams beim Impfen. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind die Zeiten, in denen Soldaten an Telefon und Computer zivile Aufgaben übernehmen konnten, nun aber vorbei. Deshalb muss der Fachdienst Gesundheit wieder mit weniger Personal auskommen.