Oslo. Im Dezember wird die Europäische Union mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet - ein Entscheidung, die auch auf Kritik stößt. In Bremen sorgen zwei neue Standorte für Flüchtlingsunterkünfte - einer davon in Schwachhausen - für Diskussionsstoff.
Den diesjährigen Träger des Friedensnobelpreises hatte so wohl niemand auf dem Zettel. Russische Dissidenten, arabische Freiheitskämpfer und ewige Anwärter wie Altkanzler Helmut Kohl gingen leer aus. Statt eines einzelnen Menschen wurde die Europäische Union als Ganzes ausgezeichnet.
Die fünfköpfige Jury hatte ihre Entscheidung am 12. Oktober bekannt gegeben. Sie hob hervor, dass durch die EU in Europa eine lange Zeit des Friedens entstanden sei. Die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich sei wahrscheinlich das dramatischste Beispiel der Geschichte dafür, "wie Krieg und Konflikt äußerst schnell in Frieden und Zusammenarbeit verwandelt werden können“, sagte Thorbjörn Jagland, Vorsitzender des Nobelkomitees, bei der Preisverleihung am 10. Dezember in Oslo.
EU-Ratspräsident Herman van Rompuy, Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Europaparlamentspräsident Martin Schulz nahmen die Auszeichnung stellvertretend für 500 Millionen Europäer entgegen. Im Publikum saßen etwa 20 Staats- und Regierungschefs aus den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.
„Dieser Preis ist eine Warnung an uns, eine Ermahnung“, sagte Parlamentspräsident Schulz bei der Verleihung. Dieses teure Erbe dürfe man nicht verspielen. Ratspräsident Van Rompuy nannte die Auszeichnung die „größtmögliche Anerkennung der tiefen politischen Motive, die hinter der Union stehen“.
Dass Europa zurzeit in einer Krise steckt, blieb im Umfeld der Preisverleihung jedoch nicht verborgen. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande nach Oslo gekommen waren, blieb Großbritanniens europaskeptischer Premier David Cameron der Preisverleihung demonstrativ fern.
Das Preisgeld der mit umgerechnet 927 000 Euro dotierte Auszeichnung kommt einem Hilfsprojekt für Kinder in Kriegsgebieten zugute.

Ortsamtsleiterin Karin Mathes vor dem Schulgebäude an der Thomas-Mann-Straße. Zuletzt war dort die International School angesiedelt. Zurzeit steht das Gebäude leer.
Die Entscheidung des Komitees, die EU auszuzeichnen, stieß jedoch auch auf Kritik. „Es ist ein Hohn, dass die EU heute den Friedensnobelpreis erhält und das Preisgeld für Kinder in Kriegs- und Krisengebieten stiften möchte – und gleichzeitig ungehemmt Waffen in genau diese Kriegs- und Krisengebiete exportiert“, sagte Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Linkspartei im Deutschen Bundestag.
Vielerorts gab es Protest gegen die Preisverleihung. Auch in Bremen gingen etwa 200 Menschen auf die Straße. Neben Waffenlieferungen kritisierten die Demonstranten auch die Sparauflagen für Griechenland und den Umgang der EU mit Flüchtlingen.
Auseinandersetzung um Flüchtlingsunterkünfte geht weiter
Bremen braucht mehr Platz für Flüchtlinge. Die bisherigen Unterkünfte reichen nicht mehr aus, im November und Dezember sorgen zwei neue Standorte für Diskussionen in der Stadt – einer davon in der Thomas-Mann-Straße in Schwachhausen.
Eigentlich soll die Anzahl der Einrichtungen, in denen Flüchtlinge aus Krisen- und Kriegsgebieten untergebracht werden, nach und nach verringert werden. Mit dieser Prämisse war die rotgrüne Koalition angetreten, vor dem Hintergrund der seit Jahren zurückgehenden Zahlen Hilfesuchender. Doch die Realität von 2011 hat mit der von Ende 2012 nichts mehr zu tun. Die Zahlen der Menschen, die aus Syrien, dem Irak, dem Iran, Afghanistan, Pakistan sowie Serbien und Montenegro fliehen, nimmt zu. Sind es im Frühjahr 2012 noch 20 bis 30 pro Monat, suchen im Oktober 88 und im November 68 Männer, Frauen und Kinder Zuflucht in der Hansestadt.
Die Kapazitäten in den vier Wohnheimen in Habenhausen, Huchting, Hastedt und Vegesack sind erschöpft; im November kündigt die Stadt an, das ehemalige Haus des Sports an der Eduard-Grunow-Straße in eine fünfte Unterkunft für 60 Menschen umzubauen. Hier sollen ab Frühjahr 2013 32 Zimmer zur Verfügung stehen. Ursprünglich war geplant, das Gebäude zu einem Hostel umzubauen.
Kaum werden die Pläne bekannt, kommt Unmut auf. Auf einer Sitzung des Beirats Mitte, der dem Vorhaben des Senats gegen die Stimmen der CDU-Mitglieder zustimmt, kritisieren Anwohner das Vorhaben, die Flüchtlinge erneut in einer Sammelunterkunft unterzubringen statt in Einzelwohnungen. Außerdem sei der Stadtteil sowieso schon stark belastet, lauten weitere Argumente. Das Haus biete in seiner exponierten Lage zudem ein leichtes Ziel für fremdenfeindliche Übergriffe. Doch es gibt nicht nur Ablehnung. Als Reaktion auf die turbulente Sitzung starten Jenny Uhlig und Tanja Kaller eine Unterschriftenaktion, mit der sie die Weltoffenheit des Steintorviertels demonstrieren möchten. 1331 Menschen machen mit, die beiden jungen Frauen richten zudem die Website www.openpetition.de ein, über die sie weitere Mitstreiter finden wollen. Das Ziel der Aktion: Die Flüchtlinge sollen willkommen geheißen werden.
Einem weiteren Kritikpunkt der Viertel-Anwohner nimmt der Senat ein paar Tage später den Wind aus den Segeln: Bestimmte Stadtteile würden jedes Mal ausgeklammert, wenn es um die Unterbringung von Flüchtlingen gehe. Schwachhausen, Oberneuland und Horn-Lehe beispielsweise. Den nächsten in Frage kommenden Standort macht die Sozialbehörde Anfang Dezember in Schwachhausen aus. Dort ist das Schulgebäude an der Thomas-Mann-Straße nach dem Auszug der International School verwaist. Der Beirat hat schon Pläne für die weitere Nutzung abgesegnet: Bezahlbare Wohnungen inklusive Kinderbetreuung sollen entstehen, außerdem Stadtvillen. Bis zum Jahresende soll die Ausschreibung für das Gelände erarbeitet sein.
Deshalb betont der Senat auch, dass es sich bei der Unterbringung von Flüchtlingen auf dem Areal um eine Übergangslösung handeln soll. Sind die anderen Wohnheime belegt, könnten in der Thomas-Mann-Straße 50 bis 60 Menschen untergebracht werden, solange der Umbau noch nicht in trockenen Tüchern sei. Wie schon im Steintorviertel, stößt diese Ankündigung auf gemischte Reaktionen.
Die Befürchtungen der einen: steigende Kriminalität, Müllberge auf den Straßen, Probleme mit der fremden Mentalität. Andere finden es selbstverständlich, Menschen in Not zu helfen und sehen die fremde Mentalität als Bereicherung des Lebens im Stadtteil. Am 20. Dezember will der Ortsbeirat in einer Sitzung über die mögliche Unterkunft debattieren.