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AfD in Delmenhorst Abrechnung mit Alternative

Weil die AfD den ihr zustehenden Vorsitz im Umweltausschuss nicht wahrnehmen wollte, entzündete sich eine hitzige Debatte über das politische Arbeitsethos der Partei im Delmenhorster Stadtrat.
04.07.2019, 17:43 Uhr
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Abrechnung mit Alternative
Von Andreas D. Becker

Bettina Oestermann brauchte ein, zwei Sätze, um in Fahrt zu kommen. Aber dann legte die Fraktionsvorsitzende der SPD richtig los und knöpfte sich die AfD-Fraktion vor. „Sie haben Ihre Aufgabe falsch verstanden“, sagte sie in Richtung der vier Ratsherren, die wie immer rechts vom Rednerpult saßen, dritte Tischreihe, außen. „Sie haben ein Mandat und nehmen es nicht wahr.“ Die Rede hatte Schwung. Dabei ging es um einen Tagesordnungspunkt, der eigentlich so bürokratisch trocken und unsexy ist, wie ein Tagesordnungspunkt überhaupt nur trocken und unsexy sein kann: „Umbesetzung in Gremien und Ausschüssen“.

Der Rat muss es formal beschließen, wenn Besetzungen in Ausschüssen oder anderen Gremien wechseln. Und in dieser Vorlage stand nun, dass Eva Sassen (Bürgerforum) den Vorsitz des Umweltausschusses abgibt, ihr CDU-Kollege Heinrich-Karl Albers, der den Schwesterausschuss für Planen, Bauen und Verkehr bereits leitet, sollte für sie übernehmen. So weit, so unspektakulär. Wenn es nicht laut Proporzverteilung so wäre, dass der Umweltausschuss von der drittgrößten Fraktion geleitet werden müsste: der AfD. Doch die hatte schon 2016 verzichtet und an Eva Sassen übergeben. Und die AfD wollte auch dieses Mal verzichten. Das sorgte für Missvergnügen bei der SPD.

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„Wir stellen fest: Die AfD nimmt die Aufgabe wieder nicht selbst wahr“, sagte Bettina Oestermann. „Dabei ist es doch Ihre Botschaft, dass sie es besser als die etablierten Parteien können. Und was ist seit der Kommunalwahl passiert? Sie sind als siebenköpfige Fraktion in den Rat gewählt worden, aber es kommen nur noch fünf Köpfe.“ Seit Monaten schon war Ratsherr Jürgen Kühl nicht mehr gesehen. Auf Nachfrage sagte der AfD-Fraktionsvorsitzende Lothar Mandalka, dass Kühl schwer erkrankt sei.

Höchstens noch sporadisch anwesend ist auch Maximilian Martins, der seit seinem Einzug in den Stadtrat kein gesteigertes Interesse an der politischen Sacharbeit gefunden hat. Bemerkenswert waren Szenen in wichtigen Ratssitzungen, in die Martins von der Fraktion offensichtlich einbestellt wurde, weil es auf jede Stimme ankam. Als die Abstimmung kurz bevor stand, verließ Martins, an seinem Handy fummelnd, die Markthalle. Mandalka sprang hektisch auf, lief ihm hinterher, wohl befürchtend, Martins würde einfach gehen.

Nur fünf von sieben Fraktionsmitglieder erscheinen

„Was soll denn der Wähler denken, wenn nur fünf von sieben Fraktionsmitgliedern erscheinen? Sie sitzen immer da und schweigen und diskutieren nicht“, arbeitete sich Bettina Oestermann derweil weiter an der Alternative für Deutschland ab. Und rechnete auch vor, was zwei Ratsleute, die nie erscheinen, den Steuerzahler kosten: demnach rund 8000 Euro pro Jahr. „Wenn diese beiden keine Zeit oder kein Interesse mehr haben, würde ich doch erwarten, dass sie ihr Mandat niederlegen. Sie haben aber anscheinend das Alternative Ratsmandat erfunden.“

Noch während Bettina Oestermann mit der Arbeit der AfD-Fraktion abrechnete, war Rainer Kutz nach vorne gegangen, an den Tisch in der ersten Reihe, an dem Heinrich-Karl Albers sitzt. Die beiden sprachen kurz. Kutz meldete sich zu Wort und sagte: „Wir werden uns nicht drücken. Ich übernehme den Vorsitz des Umweltausschusses.“ Zudem verwies er darauf, dass die AfD sehr wohl rede, aber eben nicht, um all das, was vorher gesagt wurde, zu wiederholen. Die AfD melde sich dann zu Wort, wenn es nötig sei.

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Auch Oberbürgermeister Axel Jahnz ließ es sich nicht nehmen, seinen politischen Lieblingsgegner aufs Korn zu nehmen. „Jetzt wird es interessant, die Worte von Frau Oestermann haben gewirkt“, begann er. „Aber diese Lösung ist mehr eine Notlösung, denn eine mit Verstand getroffene. Sie wollten sich drücken – und das ist es, was mir stinkt. Ein Mandat wahrzunehmen, bedeutet nicht, Geld zu kassieren, sondern sich einzubringen. Und das, was Sie als Fraktionsvorsitzender, Herr Mandalka, nach vorne liefern, ist ein Armutszeugnis für Ihre Partei.“

Alle AfD-Anträge wurden abgelehnt

Was wiederum Lothar Mandalka nicht auf sich sitzen lassen wollte. Er verwies darauf, dass alle Anträge, die die AfD eingebracht habe, abgelehnt worden seien. Und zwar kategorisch. „Ich habe das Gerücht gehört, dass es eine Absprache zwischen der SPD und den anderen Parteien gibt, unseren Anträgen nicht zuzustimmen. Das ist, wenn es stimmen sollte, eine bodenlose Frechheit und undemokratisch.“

Als Beispiel nannte er den AfD-Antrag zur Sanierung der Asphaltdecke der Dwostraße. Die Verwaltung habe die AfD damals gebeten, den Antrag zurückzuziehen, weil noch Hoffnung auf Fördermittel für die Komplettsanierung der Straße bestehe. „Kurze Zeit später hat die Verwaltung dann einen gleichlautenden Antrag wie unseren eingebracht, der einstimmig angenommen wurde“, erinnerte Mandalka daran, wie die AfD behandelt wird. „Sie behindern uns in unserer Arbeit.“

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