1002 Zuschauer – so lautete die offizielle Besucherzahl beim Spiel zwischen dem SV Atlas Delmenhorst und Teutonia Ottensen in der Fußball-Regionalliga Nord. Eine stattliche Kulisse in der vierten Liga, doch weit entfernt zum Beispiel von der Dortmunder Arena mit mehr als 80.000 Zuschauern. Steffen Rohwedder war das egal. Für ihn war das Stadion an der Düsternortstraße an jenem 11. September seine persönliche Bundesliga-Arena. In seinem dritten Regionalliga-Spiel erzielte der 26-Jährige sein erstes Tor für den SV Atlas zum 4:2-Endstand und danach befand er sich im Ausnahmezustand. "Es fühlte sich an, als wären 80.000 Fans da. Ein echter Gänsehautmoment, einfach Wahnsinn", blickt Rohwedder zurück. "Hätte mir jemand vor ein paar Monaten gesagt, dass das passieren wird, hätte ich ihn für verrückt erklärt."
Wenn er über sein Tor-Debüt spricht, wird sofort deutlich: Für den Offensivspieler ist es alles andere als selbstverständlich, dass er mit 26 Jahren doch noch seine Chance in der vierthöchsten Spielklasse erhalten hat. In der vergangenen Saison spielte Rohwedder für Eintracht Cuxhaven in der Bezirksliga. Durch seinen Wechsel zum SV Atlas ist er also drei Ligen nach oben geklettert. "Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Chance bei Atlas bekommen habe, und will jetzt etwas zurückgeben", betont Rohwedder. Das ist ihm nicht nur gegen Ottensen gelungen: Am vergangenen Wochenende beim BSV Rehden köpfte er kurz vor Schluss eine Ecke zum 1:1-Endstand ins Netz. "Ich bin einfach mit 110 Prozent in den Ball gegangen. Erst habe ich gar nicht registriert, dass der Ball drin war. Als ich meine Mitspieler jubeln gesehen habe, habe ich dann gedacht: Oh, schon wieder ein Tor", beschreibt Rohwedder die Szene, die dem SVA einen Punkt bescherte.
Erstes Probetraining geplatzt
Seinen Torriecher hat er schon bei Eintracht Cuxhaven unter Beweis gestellt. Insgesamt 29 Treffer gelangen ihm in der vergangenen Bezirksliga-Saison. Beim SV Atlas hatten sie Rohwedder allerdings schon davor auf dem Zettel, als er noch für den ESC Geestemünde in der Bremen-Liga auflief. 28 Tore in 37 Partien schoss er in der höchsten Bremer Spielklasse. Daraufhin fragte Atlas-Scout Benjamin Rabe vor rund drei Jahren bei Rohwedder an, ob er ein Probetraining in Delmenhorst absolvieren wolle. "Corona kam leider dazwischen. Anfang dieses Jahres habe ich Benni Rabe noch einmal angeschrieben und gefragt, ob das Angebot mit dem Probetraining noch gilt", erzählt Rohwedder und fügt hinzu: "Als erstmals Kontakt zu Atlas bestand, war ich natürlich noch jünger. Jetzt bin ich 26. Ich bin Benni echt dankbar dafür, dass ich das Probetraining trotzdem machen konnte."
In der Sommervorbereitung bekam er die Chance, sich im Training und in drei Testspielen als Gastspieler zu zeigen. Er nutzte sie. "Bemerkenswert war, dass die Spieler bei Atlas vom ersten Tag an auf mich zugegangen sind und mich eingebunden haben. Ich habe auch schon bei anderen Vereinen zur Probe mittrainiert, dort war das nicht so", sagt Rohwedder. Er bekam schließlich einen Platz im Regionalliga-Kader des SVA, sammelte am Anfang der Saison aber zunächst Spielpraxis in der Atlas-Reserve. Es folgten zwei Kurzeinsätze in der ersten Mannschaft und nun zwei etwas längere Einsätze, in denen er jeweils traf. "Ich freue mich unheimlich für Steffen. Er haut sich immer voll rein", sagt Atlas-Trainer Key Riebau.
Fast nach Jena gewechselt
Rohwedder hat im Fußball schon einiges erlebt. Er stand bereits vor einem Wechsel zum FC Carl Zeiss Jena II, entschied sich aber dagegen. "Rückblickend bin ich froh, dass ich es nicht gemacht habe. Ich wäre sehr weit weg von zu Hause gewesen und hätte dort vielleicht nur auf der Bank gesessen", sagt der Cuxhavener, der inzwischen in Oldenburg wohnt. Beim ESC Geestemünde gab es Unstimmigkeiten, als er sein Arbeitspapier als Vertragsamateur kündigte, um zu wechseln. Der Fall landete sogar vor dem Arbeitsgericht, ehe sich beide Parteien einigten. Danach spielte Rohwedder wieder in seiner Heimat bei Eintracht Cuxhaven. Er fühlte sich wohl, doch da war weiterhin dieser Wunsch, es in einer höheren Liga zu versuchen. "Ich habe immer an meine Qualität geglaubt", betont er. "Es ist nie zu spät, um sich einen Traum zu erfüllen. Man muss nur hart dafür arbeiten."
Das tut Steffen Rohwedder beim SV Atlas jetzt in jedem Training. "Der Unterschied zur Bezirksliga ist natürlich sehr groß, allein schon im taktischen Bereich. Aber ich habe mich darauf eingestellt. Auf diesem Niveau zu trainieren macht auch einfach Spaß", sagt er und betont: "Für jede Minute, die ich in der Regionalliga spielen darf, gebe ich alles. Ich will mich jetzt weiter reinbeißen und noch das eine oder andere Tor schießen." Die Schnelligkeit, das Kopfballspiel und die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor sieht Rohwedder als seine Stärken an. Am liebsten spielt er vorne im Sturm, kann aber auch im Mittelfeld oder auf dem rechten Flügel eingesetzt werden. Am Sonnabend (16 Uhr) empfängt Atlas den SC Weiche Flensburg, und Rohwedder freut sich schon jetzt auf die Partie: "Vor der Kulisse in Delmenhorst zu spielen ist sehr schön. Die Fans peitschen uns enorm nach vorne, man gibt dadurch noch mal 10 oder 20 Prozent mehr." Da ist es dann auch egal, ob es nun 1002 oder 80.000 Zuschauer sind.