Rund ein Jahr zuvor hatten sie das Publikum bei der Delmenhorster Sportlerehrung noch mit spektakulären Akrobatik-Einlagen zum Staunen gebracht. Am Donnerstagabend standen Karina Kunst und Levi Ellmers dagegen ganz ruhig in gedeckter Abendgarderobe statt knalligem Tanzdress auf der Bühne des Kleinen Hauses. Das Tanzen hat das erfolgreiche Rock 'n' Roll-Paar des TV Deichhorst natürlich nicht verlernt, die Zurückhaltung hatte einen ganz anderen Grund. "Eine kleine Tänzerin ist unterwegs", verriet Karina Kunst und lachte. In ihrer Schwangerschaft verzichtet sie auf Rock 'n' Roll. "Es ist ein Sport mit einem gewissen Risiko", erklärte die Tänzerin, die von ihrem Tanzpartner auf der Bühne regelmäßig fünf, sechs Meter in die Luft geschleudert wurde.
Es hat sich also einiges verändert bei den beiden Delmenhorster Vorzeigesportlern, doch eines blieb gleich: Kunst und Ellmers verteidigten ihren Titel und wurden erneut zum Team des Jahres gewählt. Sportlerin des Jahres wurde Schwimmerin Hanna Lemmermann vom Delmenhorster SV 05, Sportler des Jahres darf sich nun Handball-Torwart Silas Schumacher von der HSG Delmenhorst nennen.
2300 Stimmen abgegeben
Zum zweiten Mal ließen die Stadt Delmenhorst und der Stadtsportbund die Sportler des Jahres in einer Online-Abstimmung ermitteln. Etwa 2300 Menschen beteiligten sich daran. Eine Jury mit Vertretern der Verwaltung, der Politik, des Stadtsportbundes, des Delmenhorster Kreisblatts und des DELMENHORSTER KURIER hatte aus allen Aktiven, die von der Stadt für besondere Leistungen während des Jahres 2023 geehrt wurden, drei Frauen, drei Männer und drei Teams für die Wahl ausgesucht.
Was ihr der Titel bedeutet, machte Hanna Lemmermann deutlich, die im Sportinternat in Hannover lebt und trainiert. "Zur Sportlerin des Jahres gewählt zu werden ist etwas ganz anderes als einen Wettkampf zu gewinnen. Das kriegen doch jetzt viel mehr Leute mit, die ganze Stadt konnte abstimmen", sagte die Schwimmerin. Umso größer sei ihre Anspannung gewesen. "Seit dem Aufstehen am Morgen bin ich schon total nervös", erzählte sie.
Die Ehrung war der Lohn für Lemmermanns große Erfolge: Sie wurde unter anderem norddeutsche Meisterin des Jahrgangs 2008 über 100 Meter Freistil und Landesmeisterin über 200 Meter Rücken. Sechs neue Stadtrekorde stellte sie auf und wurde erstmals in den Nachwuchskader des Deutschen Schwimm-Verbandes berufen. Als Sportlerin des Jahres trat Lemmermann die Nachfolge ihrer Vereinskollegin Emma Kämpfe an. Neben der Schwimmerin waren auch die Geherin Renate Köhler (Delmenhorster TV) und die Boxerin Damla Yildiz (JC Bushido) nominiert.
Neues Selbstvertrauen durch die Wahl
Als Sportler des Jahres wurde ein echter Vize-Weltmeister ausgezeichnet: Silas Schumacher erreichte mit der deutschen Gehörlosen-Nationalmannschaft das WM-Finale in Dänemark, wo das Team gegen Kroatien unterlag. Der Preis sei für ihn etwas ganz Besonderes, betonte der Handball-Torwart. "Ich wusste nie genau, ob der Gehörlosensport wirklich ernst genommen wird. Dass ich die Wahl jetzt gewonnen habe, gibt mir sehr viel Selbstvertrauen."
Vor Schumacher liegen ereignisreiche Wochen. Er will mit der HSG Delmenhorst den Verbleib in der Oberliga sichern und tritt mit dem Gehörlosen-Nationalteam vom 5. bis 11. Mai bei der Europameisterschaft in Frankenthal (Rheinland-Pfalz) an. Das Ziel sei es, die EM zu gewinnen, betonte Schumacher. Er folgt als Delmenhorster Sportler des Jahres auf den Badminton-Spieler Frank Eilers und setzte sich bei der Wahl gegen den Bogenschützen Jens Siebert (Bogensport Delmenhorst) sowie das Tennis-Talent Linus Heubach (TC Blau-Weiß) durch.
19 Stimmen entscheiden
Am engsten ging es bei der Abstimmung über das Team des Jahres zu: Karina Kunst und Levi Ellmers hatten lediglich 19 Stimmen Vorsprung vor der 4x100-Meter-Freistilstaffel des Delmenhorster SV 05 (Alina Meyer, Emma Kämpfe, Hanna Lemmermann, Jana Schumacher). Die Jugendmannschaft des Delmenhorster Schachklubs (Jannis Kunst, Theis Pahl, Luc Eitel, Eike Dinkela, Lea Hayen, Dennis Wander, Nikita Wander) stand ebenfalls zur Wahl.
"Wir freuen uns sehr über die Auszeichnung, auch weil wir wissen, dass wir im nächsten Jahr nicht wieder hier stehen werden", betonte Karina Kunst. Wegen ihrer Schwangerschaft trainiert das Rock 'n' Roll-Duo, das deutscher Meister in der B-Klasse wurde, vorerst nicht mehr zusammen. Levi Ellmers gehört aber weiterhin zur Formation G-United, die im vergangenen Jahr die Weltmeisterschaft der Master-Formationen gewann. Dort tanzt er nun mit einer anderen Partnerin, während Kunst das Team als Trainerin unterstützt.
Eine dauerhafte neue Tanzpartnerin will sich Ellmers aber nicht suchen. "Ich warte auf Karina", sagte er. Der Plan ist, dass die beiden irgendwann wieder gemeinsam an Rock 'n' Roll-Wettbewerben teilnehmen. Ellmers hat sein Trainingspensum zwar etwas heruntergefahren, will bis dahin aber in Form bleiben. "Ich werde versuchen, dass ich nicht so einen dicken Bauch bekomme, wie ihn Karina bald haben wird", scherzte er.

Die Sonderpreisträger (von links) Ludger Norrenbrock, Frank Hörschgen und Mustafa Azadzoy wurden für ihre besonderen Verdienste ausgezeichnet.
Sonderpreise erstmals verliehen
Bei der Gala, die Martin Scholz mit Unterstützung der Oberbürgermeisterin Petra Gerlach und des Sportausschuss-Vorsitzenden Markus Adam moderierte, gab es eine Neuerung. Es wurden Sonderpreise für besondere Verdienste vergeben. Einer davon ging an Bastian Fuhrken, einen der Gründer des neuen SV Atlas. Er habe Delmenhorst wieder auf die Fußball-Landkarte gebracht, betonte Scholz und würdigte insbesondere Fuhrkens Einsatz dafür, dass das DFB-Pokal-Spiel gegen den FC St. Pauli im Delmenhorster Stadion ausgetragen werden konnte. Atlas-Kapitän Mustafa Azadzoy bekam ebenfalls einen Sonderpreis für seine Leistungen in der afghanischen Nationalmannschaft. 2013 holte er mit dem Team die Südasienmeisterschaft, nun hat er seine Länderspielkarriere beendet.
Ludger Norrenbrock wurde ausgezeichnet, weil er 2009 den Lauftreff der Lebenshilfe gründete. Dort laufen Menschen mit und ohne Einschränkungen gemeinsam. Sie trainieren und starten bei Laufveranstaltungen. Das sei ein ganz wichtiger Beitrag zur Inklusion, betonte Scholz. Frank Hörschgen erhielt den Preis aufgrund seines großen Engagements für den Kampfsport Ju-Jutsu. Beim Delmenhorster TB gründete er einst die Ju-Jutsu-Abteilung und bringt sich in vielen Bereichen des Vereins sowie des niedersächsischen Verbandes ein. "Mich fasziniert, dass sich diese dynamische Sportart ständig weiterentwickelt", sagte Hörschgen.