Die HSG Delmenhorst hat in den vergangenen Jahren einige Umbrüche hinter sich gebracht, doch es blieben auch Konstanten. Eine davon ist Marcian Markowski. Er steht selten im Scheinwerferlicht oder sorgt für spielerische Höhepunkte auf der Platte, doch für die Mannschaft ist er unverzichtbar – genauso wie für den Verein. Er hat diverse organisatorische Aufgaben übernommen, dem Verein stets die Treue gehalten. Seit Jahren kündigt er an, kürzerzutreten, doch der Handball beziehungsweise die HSG lassen ihn nicht los. In dieser Oberliga-Saison ist er wieder als Spieler aktiv – und bleibt das voraussichtlich auch noch ein weiteres Jahr. "Wenn ich gebraucht werde und helfen kann, dann mache ich das", sagt er.
Das ist das Motto des 32-Jährigen. Egal, wen man im Verein fragt, die Antwort fällt stets ähnlich aus und entspricht ziemlich genau dem obigen Zitat Markowskis. Stellvertretend dazu passt die prägnante Beschreibung von Thies Libchen, ehemals Kohrt: "Marcian ist DIE menschliche Komponente bei der HSG. Ein besonderer Typ". Libchen spielte von 2017 an für die Oberligaherren, betreute ab 2020 erst die A-Junioren und war ab der Saison 22/23 Trainer bei den Herren. In diese Zeit fällt der wohl größte Bruch in der Geschichte der 1992 gegründeten HSG. Nach den sportlich sehr erfolgreichen Jahren unter Coach Jörg Rademacher, in denen die Delmenhorster in die 3. Liga wollten, den Aufstieg jedoch knapp verpassten, stand die HSG rund ein Jahr später ohne Vorstand und fast ohne Mannschaft da und es stellte sich ernsthaft die Frage, ob an der Delme überhaupt noch Handball auf einem gewissen Leistungsniveau angeboten werden kann.
Ende 2022 traten Libchen, Co-Trainer Stefan Neitzel und der Vorsitzende Jens Hafemann zurück. Einer der wenigen, der blieb, war Markowski. Er war und blieb Teambetreuer, spielte zudem in der zweiten Mannschaft unter Trainer Jonas Meißner. Letzterer übernahm die Oberligaherren vor der vergangenen Saison und zog die Landesligamannschaft zwei Ligen hoch. "Der Bruch war wahnsinnig für die Jungs. Die kamen aus der Landesliga und haben dann vor 500 Zuschauern in Varel gegen Halbprofis gespielt. Dafür haben sie sich echt gut geschlagen", lobt Markowski.
Eine nervenaufreibende Relegation
Markowski ist letztlich durchaus froh über den Verlauf. "Meine persönliche Meinung ist, dass es gut ist, dass wir nicht in die 3. Liga aufgestiegen sind. Dann hätte man noch mehr Spieler von außerhalb holen müssen, die Bindung mit der Vereinsbasis wäre verloren gegangen. Jetzt spielen wir mit Eigengewächsen. Natürlich ist das Niveau niedriger, die Fehleranzahl höher. Aber es sind unsere Jungs", ordnet er ein. Dem 32-Jährigen ist Bodenständigkeit wichtig und er ist Realist. "Die letzte Saison war zäh, keine Frage. Eigentlich war sie beschissen. Es war aber grandios, wie wir uns da rausgearbeitet haben und am Ende diese nervenaufreibende Relegation geschafft haben. So eine Stimmung wie danach im Bus habe ich noch nie erlebt", erinnert er sich. Als "losgelöste Erschöpfung" beschreibt er sie. "Da hat keiner mehr der Bus abgerissen. Der Tag war dermaßen intensiv. Die Leute sind glückselig erschöpft gewesen", sagt er.
Dieses Erlebnis habe das Team noch einmal mehr zusammengeschweißt. "Und das sieht man in dieser Saison. Wir hätten natürlich gerne ein paar Punkte mehr, aber es sind mehr als letzte Saison. Viele Spieler und die Mannschaft insgesamt haben einen großen Schritt nach vorne gemacht. Wir gewinnen jetzt auch mal knappe Spiele, werden kaum noch überrollt", ordnet er ein. Das Team stehe im Mittelfeld und damit genau dort, wo es aktuell hingehöre. Er selbst zählt sich zum "Team Zugehörigkeit und Eigengewächse" und stuft das als wichtiger als die Ligenzugehörigkeit und die Qualität auf der Platte ein. "Bei uns im Team passt das aktuell. Wir können jetzt wieder vernünftige Spiele zeigen und ich glaube, dass die Zuschauer das auch merken. Natürlich waren die Spiele hier vor ein paar Jahren schneller und intensiver. Jetzt steht mehr der Kampf im Vordergrund. Wir haben letzte Saison viel Dreck gefressen, das war wichtig für die Entwicklung. Jetzt geht es Stück für Stück voran", blickt Markowski voraus.
Ein Mann für alle Aufgaben
Sicherlich spiele in seine Ansicht rein, dass er immer bei der HSG war. Lediglich während eines Studiums lebte er zwei Jahre in Köln, lief aber auch in der Zeit mit Zweitspielrecht für Delmenhorst auf, wenn er auf Heimatbesuch war. "Man muss aber auch ehrlich sagen, dass ich nie andere Angebote hatte. Ich war handballerisch nie die erste Geige, für den großen Wurf hat es einfach nicht gereicht", sagt er. So habe er in der Rademacher-Zeit nur dann gespielt, wenn kein anderer mehr da gewesen sei. "Ich habe aber immer versucht, mich einzubringen und zu helfen, wo ich kann", betont er.
Mehr und mehr wurde das im organisatorischen Bereich für den Familienvater. Er kümmert sich unter anderem um den Hallenaufbau und teaminterne Dinge. Von der Kommunikation bis zur Weihnachtsfeier. Aktuell ist er wieder als Spieler und Anführer gefragt. Markowski ist der Kapitän der jungen HSG. "Ich versuche, emotional voranzugehen", sagt er. Ist Meißner verhindert, leitet er auch mal eine Trainingseinheit oder ist generell Ansprechpartner der Spieler. Er opfert viel Zeit für die HSG, steht für einen Mix aus der "alten Zeit" und den neuen Wegen. "Die Einstellung vieler Spieler hat sich verändert. Früher ist man auch zum Training gegangen, wenn man keine Lust hatte. Das wird gerade im Jugendbereich mittlerweile lockerer gesehen. Die ganze Herangehensweise hat sich geändert", schildert er.
Alte Zeiten und neue Wege
Als er mit anderen A-Junioren wie Frederic Oetken oder Jonte Windels mit 17 Jahren zu den Herren kam, herrschten dort noch raue Sitten. "Da waren noch so richtige Haudegen dabei, da musste man als junger Spieler richtig kuschen. Das macht heute kein 18-Jähriger mehr mit. Das Knallharte ist vorbei, der Biss bei Jüngeren ist etwas verloren gegangen. Sie gehen öfter den Weg des geringeren Widerstandes", meint er. Das gelte selbstredend nicht generell für jeden.
Die ständige Einsatzbereitschaft, die er vorlebt, sieht er als Basis: Er selbst wird voraussichtlich auch in der kommenden Saison als Spieler an Bord sein. Welche Rollen hinzukommen, wird man sehen. "Das Schwierigste ist, meinen alten und etwas zu schweren Körper zu pflegen. Die Jungen sollen mehr spielen, aber ich stehe zur Verfügung. So oder so gibt es im Verein immer genug zu tun. Ich finde Aufgaben", sagt er und lacht dabei. Aktuell mache es "einfach wahnsinnigen Spaß". Der Spirit im Team sei herausragend.