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Fußball-Oberliga "Hätte mir mehr Zeit gewünscht" – Dominik Schmidt über sein Atlas-Aus

Nach seinem Trainer-Aus beim SV Atlas Delmenhorst spricht Dominik Schmidt im Interview über begangene Fehler, seine enge Bindung an den Verein und seine Pläne für die Zukunft.
24.10.2024, 18:00 Uhr
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Von Christoph Bähr

Herr Schmidt, nach neun sieglosen Ligaspielen in Serie und dem Absturz ans Tabellenende der Oberliga wurden Sie vom SV Atlas Delmenhorst freigestellt. Können Sie diese Entscheidung nachvollziehen?

Dominik Schmidt: Ich kann die Entscheidung nachvollziehen, so sind die Automatismen im Fußball. Ehrlich gesagt habe ich aber zu dem Zeitpunkt nicht damit gerechnet. Es war für mich persönlich auch nicht der optimale Zeitpunkt. Nach den vier Wechseln beim Spiel am vergangenen Sonntag gegen Verden hat die Mannschaft einen komplett anderen Auftritt hingelegt. Natürlich hatten wir auch etwas Glück, aber wir haben zum 2:2 ausgeglichen und wenn das Spiel etwas länger gedauert hätte, hätten wir womöglich sogar noch gewonnen. Ich habe aus dieser zweiten Halbzeit viel Positives rausgezogen und hätte das gerne mit in die kommenden Aufgaben genommen.

Am Montag nach dem Verden-Spiel wurden Sie freigestellt. Wie sieht Ihre Gefühlslage aus?

Die Enttäuschung überwiegt natürlich. Ich bin davon überzeugt, dass wir den Turnaround hinbekommen hätten. In der vergangenen Saison haben wir in der Rückrunde für Furore gesorgt, haben die Relegation nur knapp verpasst und standen im Pokalfinale. Man hat gesehen, dass unsere Art des Fußballs in der Oberliga funktionieren kann. Der Verein hatte den Glauben an diese Wendung zum aktuellen Zeitpunkt nicht mehr und hat sich für diese Veränderung entschieden. Das gilt es zu respektieren. Ich habe immer alles gegeben, um meine Arbeit bestmöglich zu machen.

Sie sind Anfang 2022 zunächst als Spieler zum SV Atlas gewechselt, sind nach Delmenhorst gezogen und haben sich voll auf den Verein eingelassen. Das Ende kam nun sehr abrupt.

Das stimmt. Ich komme ursprünglich aus Berlin und wir haben uns als Familie dazu entschlossen, in Delmenhorst sesshaft zu werden. Ich habe mich bereits als Spieler mit dem Verein verbunden gefühlt und habe, als ich benötigt wurde, den Trainerposten übernommen und geholfen. Ich habe meine Trainerlizenz gemacht und versucht, meine bisherigen Erfahrungen einzubringen. In der Zeit habe ich großartige Menschen kennengelernt, viele Kontakte knüpfen und die Stadt richtig erleben können. Die Zusammenarbeit im Team war immer auch mit viel Spaß verbunden. Dass das jetzt wegfällt, schmerzt. Ich wäre dem Verein gerne langfristig erhalten geblieben.

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Zunächst war im Gespräch, dass Sie nach der aktiven Karriere Sportlicher Leiter werden. Hätten Sie rückblickend lieber diesen Posten übernommen anstatt Trainer zu werden?

Es war anfangs nicht mein Plan, Trainer zu werden. Ich hatte mich damit vorher auch nie beschäftigt. Ich hatte mich immer eher in der Position eines Sportlichen Leiters gesehen. Aber wie das im Fußballgeschäft eben ist, kommt vieles anders als geplant. Als Spieler konnte ich dem Team, aufgrund meiner Verletzung, leider nicht mehr helfen. Als die Trennung vom damaligen Trainer Key Riebau feststand, wurde ich gefragt, ob ich mir die Trainerposition interimsmäßig vorstellen könnte. Ab da stand für mich fest, dass ich alles für die Mannschaft und den Verein geben werde. Wenn ich etwas mache, dann immer mit voller Überzeugung und Leidenschaft. Der Spaß am Coachen kam von ganz allein. Als Trainer muss man sich aber auch oftmals den äußeren Umständen ergeben.

Vor der laufenden Spielzeit wanderten mehrere Leistungsträger ab. Zusammengerechnet kamen die Abgänge in der Vorsaison auf 38 Tore und 36 Torvorlagen. War der Aderlass schlicht zu groß?

Uns sind viele Spieler weggebrochen, die man schwer ersetzen konnte. Das war mir bereits zu Beginn der Saison bewusst und ich habe das auch so kommuniziert. Phil Gysbers hatte eine gute Entwicklung im Sturmzentrum genommen und hat den Verein dann verlassen. Die Abgänge von Shamsu Mansaray und Ousman Touray, die für enorm viel Tempo auf den Außenbahnen gesorgt hatten, waren nicht zu kompensieren. Shamsu hatte lange Zeit gesagt, dass er bleibt, ist dann aber doch gegangen. Das war für alle Verantwortlichen nicht leicht. Als junger Trainer stößt man da oft an Grenzen. Ich hatte noch einiges vor und hätte mir mehr Zeit gewünscht. Zusammen mit Jörg Neunaber (Atlas-Vorsitzender, Anm. d. Red.) haben wir einen Termin mit einem Sportpsychologen organisiert, um die Mannschaft auf die kommenden Spiele, auch mental, bestmöglich vorzubereiten. Das sind Maßnahmen, die ich gerne mit umgesetzt und verfolgt hätte.

Ihre Spielidee ist geprägt von Ballbesitz, Pressing, Flügelspiel und Offensivfußball. Das hat in der vergangenen Saison gut funktioniert, aber zuletzt eben nicht mehr. Hätten Sie die Spielidee dem veränderten Kader stärker anpassen müssen?

Das haben wir ja versucht und sind ein Stück weit von unserer Idee abgerückt. Wir haben nicht mehr Angriffspressing, sondern Mittelfeldpressing gespielt. Ich glaube aber, dass keine Notwendigkeit bestand, das gesamte System zu verändern. Spieler wie Cissé, Temin, Fenski, Schobert, Siech, Dähnenkamp, Basha oder Schallschmidt waren vergangene Saison schon da und haben es genauso gespielt, wie wir es spielen wollten. Wir haben mit der Spielidee eine erfolgreiche letzte Saison bestritten. Was wäre denn sonst das richtige Mittel gewesen? Lange Bälle? Wir hatten immer Probleme im Spiel auf zweite Bälle und haben mit Steffen Rohwedder nur einen starken Kopfballspieler vorne. Ich denke, das hätte auch nicht funktioniert. Ich glaube nach wie vor, dass Ballbesitzfußball der richtige Weg ist. Nur im Ballbesitz kommt man auch zu Ruhephasen und kann dann mit Wucht nach vorne spielen. Leider haben wir die Spielidee nicht so reinbekommen, dass sie für alle verständlich war. Dazu kam, dass wichtige Spieler wie Eggersglüß, Kaiser, Yeboah, Schobert und Fagerström lange verletzt fehlten.

Welche Fehler haben Sie als Trainer gemacht?

Ich will mich auf keinen Fall von Fehlern freisprechen. Ich bin mit mir selbst immer hart ins Gericht gegangen und habe mich gefragt, ob ich die Spieler noch erreiche. Es gab aber immer wieder Signale dafür, dass ich sie erreiche. Das hat mir unter anderem die Leistung in Verden nach der Pause gezeigt. Wenn ich der Störfaktor gewesen wäre, wäre ich der Erste gewesen, der von sich aus geht. Dieses Gefühl hatte ich aber nicht. In der vergangenen Spielzeit lief es gut und jetzt habe ich nicht viel anders gemacht. Das Training war immer darauf ausgelegt, dass die Jungs sich in ihren Bereichen verbessern. Es ging zum Beispiel um das Passspiel und den ersten Kontakt. Wenn man sich dann aber unser Passspiel im Spiel anguckt, war das viel zu unsauber und schlampig. Dadurch verpuffte auch alles andere. Die Jungs können das, daran habe ich gar keinen Zweifel, nur wir waren im Negativstrudel und das Selbstvertrauen war weg. Insgesamt gab es viele Baustellen. Die Zeit war nicht ausreichend, um alles so umzusetzen, dass wir wieder ähnlich erfolgreich sind wie in der Vorsaison.

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Mehrfach war im Umfeld der Vorwurf zu hören, dass Sie an der Seitenlinie während der Spiele zu ruhig seien. Was sagen Sie dazu?

Ich habe den Spielern im Training einen Werkzeugkoffer mitgegeben, den sie im Spiel anwenden sollten. Sie waren immer sehr gut vorbereitet auf den Gegner und sollten auf dem Platz ihre eigenen Entscheidungen treffen. Was wäre ich für ein Trainer, wenn ich jede Aktion kommentiert hätte? Mir war wichtig, dass die Jungs auch Fehler machen dürfen und ihnen dafür keiner den Kopf abhackt. Probleme habe ich natürlich angesprochen – vor dem Spiel, nach dem Spiel oder in der Halbzeit. Um an der Seitenlinie den Zampano zu machen und rumzuschreien, hätte ich mein Wesen verändern müssen. Dafür sah ich keine Notwendigkeit, denn mein Wesen ist gut so, wie es ist. In der vergangenen Saison habe ich mich an der Seitenlinie genauso verhalten wie jetzt. Da hat keiner etwas Kritisches dazu gesagt, weil es sportlich gut lief.

Wie war Ihr Verhältnis zur Mannschaft?

Das Verhältnis war intakt. Sonst wäre die zweite Halbzeit in Verden auch nicht möglich gewesen. Natürlich gefallen Personalentscheidungen dem einen mehr und dem anderen weniger. Ich bin aber immer ehrlich zu den Jungs gewesen und habe sie nie belogen. Ich habe ihnen offen gesagt, wo die Probleme liegen. Nach der Freistellung haben sich schon viele Spieler bei mir gemeldet. Es hat mich überrascht, dass auch mehrere Jungs dabei waren, die weniger gespielt haben. Das zeigt mir, dass nicht alles verkehrt gewesen ist. Ich denke auch nicht, dass ich mit meiner Art als Trainer und meiner Spielidee komplett gescheitert bin. Viele Spiele haben wir unglücklich verloren. Es gab mehrere Gegentore durch Slapstickeinlagen, gegen den HSC Hannover wurden wir vom Schiedsrichter benachteiligt. Dafür kann ein Trainer nichts.

Wie lief Ihre Verabschiedung von der Mannschaft am Dienstagabend ab?

Die war kurz und knapp. Ich wollte mich unbedingt von den Jungs und vom Staff persönlich verabschieden. Das war schon sehr emotional für mich. Ich habe danach schnell das Weite gesucht, um mich selbst zu schützen. Mir ist wichtig, dass nichts Negatives hängen bleibt. Ich hege keinen Groll gegenüber dem Verein. Jeder im Vorstand will nur das Beste für den SV Atlas.

Wird es Gespräche mit dem Verein über eine Auflösung Ihres Trainervertrags geben?

Wir haben bereits Gespräche dazu geführt und bleiben auch weiterhin im Austausch.

Wie geht es jetzt für Sie persönlich weiter?

Ich habe mir noch keine großen Gedanken über die Zukunft gemacht. Am Montag habe ich mir noch das Verden-Spiel angeschaut und analysiert. Abends kam dann, für mich überraschend, die Freistellung. Das wird jetzt etwas dauern, und dann werde ich mich anders orientieren. Ich war 19 Jahre lang Profi und immer an den Wochenenden gebunden. Ich nehme mir jetzt mal eine kleine Auszeit, konzentriere mich auf meine Familie und besuche alte Weggefährten. Ich will den Kopf freibekommen und schauen, was der richtige Weg für mich ist. Ob ich im Trainerbereich bleibe, weiß ich noch nicht. Ich schließe nichts aus. Klar ist, dass ich Delmenhorst nicht verlasse. Mein ältester Sohn kommt nächstes Jahr in die Schule und wir sind hier als Familie angekommen.

Was trauen Sie Atlas in der laufenden Saison noch zu?

Ich traue der Mannschaft eine Menge zu, wenn sie wieder Selbstvertrauen schöpft, hart mit sich ins Gericht geht und hart an sich arbeitet. Ich wünsche ihr von Herzen, dass ihr das gelingt.

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Zur Person

Dominik Schmidt (37)

sammelte als Fußball-Profi Erfahrungen in den höchsten drei Ligen und spielte für Werder Bremen in der Champions League. Anfang 2022 wechselte er zum SV Atlas Delmenhorst. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere übernahm er dort im März 2023 das Traineramt. Am Montag wurde er freigestellt, Key Riebau tritt seine Nachfolge an.

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