Der Gedanke ans endgültige Karriereende kam nicht plötzlich, sondern setzte sich allmählich im Kopf fest. Ganz besonders dann, wenn Dominik Schmidts rechtes Knie morgens mal wieder derart schmerzte, dass er kaum aus dem Bett aufstehen konnte. "Es geht einfach nicht mehr", sagt der 35-Jährige. Also hat der ehemalige Profi von Werder Bremen eine Entscheidung gefällt: Seine Karriere als aktiver Fußballer ist beendet. "Ich habe mich in meiner Laufbahn genug gequält, jetzt ist mir die Gesundheit wichtiger", betont Schmidt im Gespräch mit dem DELMENHORSTER KURIER und fügt hinzu: "Ich will mit meinem Sohn schließlich schmerzfrei spielen können."
Die Partie des SV Atlas Delmenhorst beim VfV Hildesheim (1:1) am 31. Juli 2022 in der Regionalliga Nord war somit der Schlusspunkt unter eine Karriere, die sich hauptsächlich in den oberen drei Ligen und kurzzeitig sogar in der Champions League abspielte. Es war der erste Spieltag der laufenden Saison, und Atlas-Kapitän Schmidt wurde bereits in der zwölften Minute wegen Knieproblemen ausgewechselt. Bei den folgenden Untersuchungen stellte sich heraus, dass das vordere Kreuzband in seinem rechten Knie nicht mehr vorhanden ist. Laut Schmidt hat die Muskulatur das eine Zeit lang aufgefangen, doch irgendwann ging es nicht mehr. Die Knieprobleme seien wahrscheinlich die Spätfolge einer schweren Verletzung im September 2012: Damals riss sich Schmidt im Trikot von Preußen Münster das Kreuzband, das Innenband, das Außenband und den Meniskus.
Als der SV Atlas vor zwei Wochen mitteilte, dass Schmidt erst einmal als Co-Trainer fungiert, schrieb der Klub, dass der Abwehrspieler weiterhin versuche, sich von seiner Knieverletzung zu erholen. Für Schmidt ist aber inzwischen klar: "Ein Comeback ist keine Option mehr." Dafür müsste er in die Reha und mit viel Krafttraining gezielt die Muskulatur im rechten Knie aufbauen. "Das würde drei bis vier Monate dauern. Und wofür? Vielleicht könnte ich dann noch ein Jahr spielen, aber auch nur, wenn alles gut läuft", sagt Schmidt.
Mehr Zeit für die Familie
Diese Strapazen will er sich im fortgeschrittenen Fußballeralter nicht mehr antun. "Ich nutze die Zeit lieber für meine neue Aufgabe als Co-Trainer und natürlich für meine Frau und meinen Sohn", betont der 35-Jährige. "Wenn ich etwas mache, dann zu 100 Prozent. Sonst kommt bei mir Frust auf. Und momentan könnte ich mich gar nicht zu 100 Prozent der Arbeit am Comeback widmen." Gerade hat die Familie Schmidt ihr Haus in Delmenhorst bezogen. In den Umbau hatte Dominik Schmidt viel Zeit und Arbeit investiert. "Es gibt immer noch das eine oder andere zu tun, aber wir sind erst einmal glücklich, in unseren eigenen vier Wänden zu sein", sagt er.
Der Ex-Werder-Profi wirkt mit sich im Reinen. Oft fällt es Fußballern schwer, einen Schlussstrich zu ziehen, doch Schmidt wählt klare Worte: "Natürlich liebe ich den Fußball und stehe gerne mit den Jungs auf dem Platz, aber ich habe mich jetzt lange genug gequält." Kürzlich setzte ihn auch noch ein Hexenschuss außer Gefecht. "Um die Schmerzen im Knie auszugleichen, habe ich den Körper falsch belastet." Für ihn gehe es erst einmal nur darum, im Alltag wieder schmerzfrei zu sein, sagt Schmidt.
Spiele gegen Tottenham und Inter
Zwölf Bundesliga-Einsätze, zwei Spiele in der Champions League für Werder gegen Tottenham Hotspur (0:3) und Inter Mailand (3:0) sowie 85 Partien in der zweiten Liga und 225 in der dritten Liga stehen in der Vita des Innenverteidigers. "Ich habe zwar keine 100 Bundesliga-Spiele gemacht, aber ich habe fast überall gespielt außer in der Nationalmannschaft. Im Großen und Ganzen kann ich mit meiner Karriere zufrieden sein", hält Schmidt fest. Nach einer schwierigen Zeit beim Drittligisten MSV Duisburg, wo ihn die Fans zum Sündenbock machten und er kaum noch zum Einsatz kam, wechselte der gebürtige Berliner im Januar 2022 zum SV Atlas. Er wolle den Spaß am Fußball wiederfinden, sagte Schmidt damals.

Dominik Schmidt (rechts) bejubelt mit Sebastian Prödl dessen Treffer zum 1:0 gegen Inter Mailand. Am Ende gewann Werder das Champions-League-Spiel im Dezember 2010 mit 3:0.
Das klappte immerhin bis zur Verletzung, neun Regionalliga-Partien bestritt er für die Delmenhorster. "Ich hätte gerne noch länger auf dem Platz dabei mitgeholfen, dass der Verein gut dasteht", betont Schmidt. Nun hilft er abseits des Rasens nach Kräften mit. Seit dem Trainingsstart Anfang Januar fungiert der Ex-Profi als Co-Trainer. Die Idee habe Chefcoach Key Riebau gehabt. "Ich dachte erst, es wäre ein Spaß, weil das in meinen Gedanken gar nicht vorkam. Aber als ich gemerkt habe, dass es ernst gemeint ist, habe ich mich darauf eingelassen. Es ist schön, dass mir so viel Vertrauen geschenkt wird", schildert Schmidt. Er hatte ohnehin schon länger vor, in naher Zukunft seine Trainerscheine zu machen. Da passt die aktuelle Tätigkeit perfekt in seinen Plan. "Ich versuche, den Jungs Dinge mit auf den Weg zu geben, die ich als Spieler gelernt habe. Durch die Trainer-Lehrgänge erhoffe ich mir zusätzlichen Input", sagt Schmidt.
Ein Experte für den Abstiegskampf
Eine Schonzeit gibt es für ihn in der neuen Funktion nicht. Atlas steckt mitten im Abstiegskampf, und Schmidt ist mit all seiner Erfahrung als Ratgeber gefragt. "Ich habe schon bei zwei, drei Vereinen den Abstiegskampf kennengelernt und weiß, was jetzt wichtig ist", betont er. "Man darf keine Angst haben und nicht verkrampfen, sondern muss sich selbst treu bleiben. Natürlich ist im Abstiegskampf Druck da, aber Druck ist doch immer da. In jedem Spiel und in jedem Training. Der Druck darf einen Spieler nicht lähmen."
Mit den Niederlagen gegen die U23-Teams von Werder Bremen (5:6) und dem FC St. Pauli (0:1) hat Schmidts Co-Trainer-Tätigkeit denkbar schlecht begonnen. "Gegen Werder war das Defensivverhalten schwach, das war gegen St. Pauli dann besser, aber dafür haben wir im eigenen Spiel nach vorne zu viel liegen gelassen. Wichtig ist, dass wir uns jetzt weiter verbessern, um wieder Spiele zu gewinnen. Dabei will ich die Jungs unterstützen", unterstreicht der Ex-Profi.
In der Nacht zu Dienstag blieb Schmidt lange auf und schaute sich die Partie gegen St. Pauli noch zweimal auf Video an. Als gelernter Innenverteidiger lag sein Fokus auf dem Defensivverhalten. "Man sieht viele Dinge in der Arbeit gegen den Ball und in der Abwehr, an denen wir arbeiten können", sagt Schmidt. Er sei im ständigen Austausch mit Chefcoach Riebau. "Die Zusammenarbeit im gesamten Trainerteam ist sehr gut und macht Spaß." So richtig Spaß macht es aber natürlich nur, wenn auch die gewünschten Ergebnisse erzielt werden. Am kommenden Sonntag (14 Uhr) empfängt der Tabellen-14. Atlas den 13. Blau-Weiß Lohne. "Das Spiel wird richtungsweisend", betont Schmidt. "Wenn wir gewinnen, könnte das der Beginn des Turnarounds sein." Vorerst bis zum Saisonende will er als Co-Trainer alles für den Klassenerhalt des SV Atlas geben. "Danach werde ich dem Verein erhalten bleiben", sagt Schmidt. "In welcher Funktion das sein wird, besprechen wir noch."