Die Zuschauer, die sich am Eingang des Stadiongebäudes befanden, schauten zweimal hin. Hat er das gerade wirklich getan? Ja, hat er. Niclas Nadj war mächtig sauer vom Platz marschiert und hatte auf dem Weg in die Kabine einem Plastikmülleimer einen mächtigen Fußtritt versetzt. Der Mülleimer zerfiel daraufhin in mehrere Einzelteile und sein Inhalt lag im Eingangsbereich zu den Kabinen verstreut. Nadj war offensichtlich so richtig geladen nach hitzigen Wortgefechten kurz vor und kurz nach dem Abpfiff. Der Offenspieler des SC Weiche Flensburg stand mit seinem krachenden Abgang sinnbildlich für die Unzufriedenheit des amtierenden Vizemeisters der Fußball-Regionalliga Nord nach dem 2:2 (0:1) beim SV Atlas Delmenhorst am Sonnabend.
Der Favorit aus dem hohen Norden hatte sich offenbar mehr erhofft als einen Punkt, allerdings galt das auch für den SV Atlas. Die Blau-Gelben weigerten sich hartnäckig, die Rolle des glücklichen Außenseiters einzunehmen, der ein Remis gegen ein Topteam bejubelt. Somit waren beide Seiten nach einer emotionalen Partie nicht ganz zufrieden. Weiche-Trainer Thomas Seeliger merkte an, dass sein Team zweimal in Führung gelegen und trotzdem nicht gewonnen habe. Atlas-Coach Key Riebau freute sich über eine starke Leistung seiner Mannschaft, beklagte aber, dass sie sich dafür nicht belohnt habe. "Wir sind enttäuscht", hielt er fest. Stürmer Dimitrios Ferfelis ergänzte: "Der Sieg war drin, wir hatten genug Chancen."
Weichert zurück in der Startelf
Beide Teams hatten sich viel vorgenommen. Die Flensburger wollten die überraschende 1:2-Heimpleite gegen den Aufsteiger Blau-Weiß Lohne vergessen lassen, während die Delmenhorster nach dem 1:1 beim SSV Jeddeloh mit schwacher erster Halbzeit ebenfalls etwas gutzumachen hatten. Der Atlas-Kader hatte sich wieder gefüllt. Leo Weichert rückte nach abgesessener Rotsperre für Raoul Cissé in die Innenverteidigung. Zudem stand Olivér Schindler neu in der Startelf, Lamin Touray blieb auf der Bank.
Vor 805 Zuschauern im Stadion an der Düsternortstraße erlebten die Gastgeber einen Auftakt zum Vergessen: Bereits in der ersten Minute traf Dominic Hartmann per Freistoß zum 1:0 für Flensburg. "Das war eine frühe Hypothek", sagte Riebau. Die Delmenhorster ließen sich davon aber nicht beeindrucken, und es entwickelte sich ein offenes Duell zwischen zwei Mannschaften, die immer nach vorne spielen wollten. Mattia Trianni scheiterte an Weiche-Torwart Philip Österbaek (20.), und Ousman Touray schoss knapp am langen Eck vorbei (37.). Auf der Gegenseite sorgten ein Lupfer von Christopher Kramer auf die Latte (36.) und ein Freistoß von Hartmann, den Atlas-Torwart Eike Bansen über das Tor lenkte, für Aufsehen (43.).
Ausgleich nach einer Ecke
Nach dem Seitenwechsel gelang Dimitrios Ferfelis der verdiente 1:1-Ausgleich, als er eine schöne Flanke von Julian Stöhr einköpfte (61.). "Wir sind gut in die letzte Reihe gekommen, aber dort gab es zu viele Ungenauigkeiten. Zudem haben wir zu vielen Großchancen des Gegners zugelassen", monierte Riebau. Die Flensburger bestraften die Nachlässigkeiten eiskalt und kamen durch Rene Guder zum 2:1, der eine Hereingabe des eingewechselten Bjarne Schleemann verwertete. Atlas musste nun alles nach vorne werfen. Riebau brachte Florian Stütz, Oliver Rauh und Steffen Rohwedder, der zuletzt zweimal als Joker getroffen hatte, in die Partie (79.). Stütz nahm kurz darauf eine wichtige Rolle ein, als er eine Ecke auf den Kopf von Ferfelis zirkelte, der das 2:2 köpfte (83.). Es war bereits das achte Saisontor des Atlas-Stürmers, der betonte: "Wenn die Mannschaft gut spielt, spiele ich auch gut, weil ich dann die nötigen Vorlagen bekomme".
Die letzten Minuten der Partie verliefen dramatisch. Erst klärte Atlas-Verteidiger Efkan Erdogan in höchster Not per Grätsche und feierte die Aktion wie einen erzielten Treffer (90.). Wenig später hätte Mattia Trianni das Siegtor für die Delmenhorster erzielen müssen, doch nach einem guten Pass von Rohwedder scheiterte er freistehend an Österbaek (90.+1). Auf der Gegenseite musste Bansen Kopf und Kragen riskieren, um gegen Nadj klären zu können (90.+2).
Das 2:2 war der erste Punktgewinn für Atlas gegen Flensburg nach zwei Niederlagen in der vergangenen Saison. Drei Wochen ist es her, dass die Blau-Gelben gegen die starke SV Drochtersen/Assel gut mithielten, aber am Ende mit 0:3 verloren. Gegen Weiche Flensburg, ebenfalls ein Topteam der Liga, schafften es die Delmenhorster nun immerhin, einen Punkt mitzunehmen. Eine Weiterentwicklung war also zu erkennen, doch Key Riebau wollte sich damit noch längst nicht zufriedengeben und betonte: "Unsere Entwicklung ist noch nicht zu Ende."