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Livia Peng im Interview „Vielen ist nicht bewusst, wie komplex diese Position eigentlich ist“

Sie ist die Entdeckung der Saison: Livia Peng. Die 22-jährige Torhüterin ist im vergangenen Sommer zu den Bundesliga-Frauen des SV Werder gewechselt und hat sich sofort als Nummer Eins etabliert. Ein Interview.
09.03.2024, 14:59 Uhr
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Von Fynn Walenziak

Livia Peng, würden Sie sagen, Sie erleben in dieser Saison die beste Phase Ihrer noch jungen Karriere?

Das weiß ich nicht, weil jede bisherige Phase super wichtig für mich war. Ich habe bis zu meinem 17. Lebensjahr noch bei den Jungs mitgespielt. Da konnte ich sehr viel lernen. Vor allem persönlich, aber auch physisch. Ich konnte zeigen, dass ich auch bei den Jungs mithalten kann. Das hat mir extrem viel Selbstvertrauen gegeben.

Sie haben dann ja sehr lange noch bei den Jungs mitgespielt…

Ja, der physische Unterschied wird irgendwann aber einfach zu groß. Im Tor ist das aber ein bisschen anders, deshalb konnte ich dort auch noch so lange mitspielen.

Wie ging es dann für Sie weiter?

Danach bin ich sofort zum FC Zürich. Da habe ich dann auch erstmals auf professioneller Ebene Erfahrungen gesammelt und mit Frauen zusammengespielt. Aber auch die Zeit danach im Ausland in Schweden und Spanien war eine gute und wichtige Erfahrung, aus der ich sehr viel mitnehmen konnte. Jetzt bin ich hier bei Werder und habe großen Spaß. Es war genau der richtige Schritt.

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Hätten Sie gedacht, dass Sie so schnell an der Weser Fuß fassen würden?

(überlegt) Ich habe es natürlich gehofft. Aber davon ausgegangen bin ich nicht. Was mir enorm geholfen hat, war, dass ich von Anfang an sehr gut in die Mannschaft integriert wurde. Dabei ging es sehr kurios los.

Was ist passiert?

Ich bin von der WM im letzten Sommer direkt ins Trainingslager zu Werder gereist, mein Koffer ist aber nicht angekommen und den Flug habe ich auch verpasst, weshalb ich nur meine Fußballschuhe und Torwarthandschuhe dabeihatte. In dem Moment war es natürlich sehr blöd, aber ich bin dadurch sofort mit allen ins Gespräch gekommen und war auf die Hilfe meiner Mitspielerinnen angewiesen, weil ich Sachen zum Anziehen brauchte (lacht). Das hat mir die Integration deutlich vereinfacht, auch, weil alle sehr hilfsbereit und für mich da waren.

Bisher haben Sie in der Schweiz, Schweden, Spanien und in Deutschland gespielt. In welcher Liga ist das Niveau am höchsten?

Das ist schwierig zu sagen. In Schweden war der Fußball sehr physisch. Da habe ich in einer sehr guten Mannschaft (BK Häcken, Anm. d. Red.) gespielt. Dort war das Gefälle in der Liga aber extrem stark. In Spanien war das technische Niveau dafür unglaublich hoch. Dort habe ich diesbezüglich sehr viel mitnehmen können. Aber auch hier in Deutschland ist alles auf sehr hohem Niveau. Die Bundesliga ist eine Top-Liga. Hier habe ich deutlich mehr Aktionen im Spiel, das hilft mir in der Entwicklung sehr.

War das bei Ihren vorherigen Stationen anders?

Ja und nein. In Spanien wird der Torwart generell einfach nicht so viel mit ins Spiel einbezogen. Da liegt der Fokus eher darauf, die Bälle zu halten und das war's. Das hat mir nicht so gefallen. In Schweden war ich hingegen mehr in den Spielaufbau einbezogen.

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Bisher läuft es nicht nur bei Ihnen persönlich, sondern auch im gesamten Team hervorragend. Warum spielt Werder aktuell eine so starke Saison?

Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Wir arbeiten extrem hart, sind eine sehr physische Mannschaft und werden zudem vom Trainerteam sehr gut eingestellt. Unser erstes Ziel war der Klassenerhalt, den haben wir so gut wie geschafft. Wir schauen jetzt von Spiel zu Spiel und wollen gerne auch mal die Großen ärgern.

Bei solch starken Leistungen sind bestimmt auch andere Vereine auf Sie aufmerksam geworden. Hat schon der ein oder andere Club angeklopft?

Nein, ich habe noch nichts gehört. Da würde ich mich aber auch nicht mit beschäftigen. Ich fühle mich hier extrem wohl und werde definitiv über den Sommer hinaus bei Werder spielen.

Am Sonntag steht das Highlight-Spiel gegen den 1. FC Köln an. Wie sehr freuen Sie sich darauf?

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Extrem! Seit dem Freiburg-Spiel reden wir im Team über nichts anderes mehr. Es ist zwar ein Auswärtsspiel, aber vor so vielen Fans zu spielen ist einfach toll. Das Hinspiel im Weserstadion war das Schönste, was ich in meiner Karriere bisher erlebt habe.

Einige hundert Werder-Fans reisen mit nach Köln. Was bedeutet Ihnen das?

Der Support der Fans ist unglaublich wichtig für uns und gibt uns viel Motivation. Wir freuen uns über jeden Fan, der uns von vor Ort unterstützt.

Torhüterinnen im Frauenfußball werden aufgrund vieler individueller Fehler häufig kritisch beäugt. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Ich glaube, dass vielen nicht bewusst ist, wie komplex diese Position eigentlich ist. Ich finde es deshalb sehr schade, dass Torhüterinnen häufig so negativ dargestellt werden. Wir müssen extrem viel mitbringen, vor allem mentale Stärke. Zudem hat sich das Torwartspiel enorm weiterentwickelt. Es geht um viel mehr als nur darum, Bälle zu halten. Mittlerweile muss der Torwart als zwölfter Feldspieler agieren und ist viel mehr in das Spiel einbezogen.

Fehlt Ihnen da manchmal der Respekt?

Das kommt darauf an. Wir müssen natürlich auch unsere Leistung zeigen. Wenn wir Fehler machen, darf man auch Kritik äußern. Es muss aber auf einer respektvollen Ebene bleiben.

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Wie bewerten Sie die Entwicklung auf Ihrer Position?

Vor allem in den letzten Jahren hat sich sehr viel getan, das ist natürlich gut. Dennoch denke ich, dass die Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist. Es kommt aber nicht nur auf das Können des Einzelnen an.

Worauf denn noch?

Die Ausstrahlung. Ich bin ein großer Fan von Manuel Neuer. Er verkörpert das moderne Torwartspiel wie kaum ein anderer. Seine Präsenz auf dem Platz ist unglaublich. Und ich glaube, dass auch die Torhüterinnen künftig viel mehr im Spiel integriert sein werden. Ich finde, dass Torhüter ein bisschen verrückt und anders sein müssen. Das ist nämlich eine ganz spezielle Position.

Was macht Sie verrückt und anders?

Ich will immer aktiv und präsent sein. Manchmal ist das auch viel zu riskant, was ich mache (lacht). Ich werde da aber auch extrem von unserem Trainer Thomas Horsch unterstützt. Wir haben dieselbe Idee vom Torwartspiel und das war auch ausschlaggebend für meinen Wechsel im Sommer.

Würden Sie sagen, dass die Körpergröße bei Torhütern eine Rolle spielt?

Ich denke nicht.

Warum?

Eine geringe Körpergröße kann mit dem Stellungsspiel oder einem guten Timing kompensiert werden. Klar, wenn ein Torhüter extrem klein ist, wird es schon schwierig, aber es ist meiner Meinung nach nicht ausschlaggebend, ob man 1,75 oder 1,85 Meter groß ist.

Sind Sie eher laut oder leise auf dem Platz?

Schwierig zu sagen. Ich versuche schon viel zu kommunizieren, aber manchmal muss ich in meinen Ansagen noch klarer werden. Das ist definitiv etwas, das ich noch lernen kann.

Sie haben in Ihrer jungen Karriere schon einiges erlebt. Sie waren bei der WM im vergangenen Sommer dabei, sind aber nicht zum Einsatz gekommen. Wie war das für Sie?

Natürlich ist es etwas anderes, wenn man selbst auf dem Platz steht. Es war aber trotzdem extrem schön. Die Atmosphäre in Neuseeland war magisch. Das hat was mit uns gemacht, weil wir gemerkt haben, wie viel Freude wir den Menschen bereitet haben.

Zuletzt haben Sie im Testspiel gegen Polen von Anfang an spielen dürfen. Werden wir Sie auch in Zukunft als Nummer 1 im Tor der Schweiz sehen?

Ich hoffe es! Wir haben jetzt eine neue Trainerin und ich befinde mich in einem Zweikampf mit Elvira Herzog von RB Leipzig. Aktuell wechseln wir uns noch ab. Aber irgendwann wird die Trainerin, auch mit Blick auf die EM 2025, eine Entscheidung treffen müssen. Ich werde auf jeden Fall alles geben.

Was wollen Sie auf Vereinsebene noch erreichen?

Zunächst wollen wir die Saison erfolgreich zu Ende spielen. Mein großer Traum ist es aber, irgendwann nach England zu gehen. Am liebsten würde ich dann für den FC Chelsea spielen, das ist seit der Kindheit mein Traumverein.

Was würde denn passieren, wenn Chelsea im Sommer anklopft?

Dann würde nichts passieren, weil ich zum einen noch Vertrag habe und zum anderen überglücklich bin, bei Werder zu spielen.

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