Die Tränen sind noch nicht getrocknet, die Geschichten vom schwärzesten Tag im Bremer Fußball in den vergangenen 41 Jahren längst nicht auserzählt. Dafür klingt der Abstieg von Werder Bremen in die Zweitklassigkeit doch noch immer zu unwirklich für die Menschen, die an diesem Verein hängen. Denn so real der Abstieg für Werder in den letzten Wochen nach einer beispiellosen Niederlagenserie auch erschien, am Ende erwischte er nicht nur die Fans eiskalt, sondern offenbar auch die handelnden Personen im Aufsichtsrat des Vereins. Oder wie lässt sich sonst erklären, dass auch vier Tage nach dem feststehenden Gang in die Zweitklassigkeit noch nicht offiziell entschieden ist, ob und wie es mit Frank Baumann als Geschäftsführer Sport weitergeht? In einer Position, die neben dem Posten des Cheftrainers die wichtigste Schnittstelle im Klub ist?
Die Unterstützung für Baumann war schon auf ein Minimum gesunken in den vergangenen Monaten, jetzt liegt sie gefühlt bei null. Und seine Auftritte in den vergangenen Tagen waren auch nicht dazu angetan, Baumann weiter wurschteln zu lassen. Denn genau das war der Eindruck, den der Sportchef vermittelte: Irgendwie wird es schon gut gehen mit Werder und dem Klassenerhalt. Wiederholt hatte Baumann mit seinen Entscheidungen den Eindruck vermittelt, auch seine Zukunft vom Klassenerhalt des Vereins abhängig machen zu wollen. Erst sprach er sich trotz rasanter Talfahrt für einen Verbleib von Florian Kohlfeldt aus. Dann wechselte er vor dem letzten Spieltag doch noch den Trainer. Zweimal ging Baumann mit diesen Entscheidungen volles Risiko, zweimal scheiterte er.
So scheint der Abgang des einstigen Kapitäns der beste Weg, um Werder wieder aufzurichten. Denn warum sollte ausgerechnet Baumann der Architekt sein, der mit dem Wiederaufbau von Werder beauftragt wird, nachdem er den Klub zum Einsturz brachte? Die Argumentation von Werder-Verantwortlichen, dass dies beispielsweise Michael Preetz bei Hertha BSC in gleicher Position sogar zweimal gelungen sei, mag an der Weser niemand hören. Und schon gar nicht, dass Baumann einen starken Job gemacht hätte. Dann wäre Werder ja wohl noch Bundesligist.
Dabei wäre ein Rauswurf von Baumann jetzt tatsächlich der falsche Zeitpunkt. Die Diskussion, ob er noch der richtige Geschäftsführer für Werder sein kann, ist dabei zwar zweifelsfrei richtig. Allerdings hätte sie schon vor einigen Wochen intern geführt werden müssen – und zwar mit einer klaren Vorgabe des Aufsichtsrates: Bei einem Abstieg muss sofort gehandelt werden. Doch auch das Zögern und Zaudern des Kontrollgremiums steht für den Werder-Weg, sich irgendwie über die Ziellinie zu mogeln. Jetzt aber müssen mit jedem weiteren Tag, mit dem der Beginn der Zweitliga-Saison am 23. Juli näher rückt, neue Fakten geschaffen werden. Für Personaldiskussionen ist keine Zeit mehr.
Vor dem Geschäftsführer Sport bei Werder liegt eine Herkulesaufgabe: Ein neuer Trainer muss her, Spielerverträge aufgelöst oder verlängert und neue Spieler gefunden werden. Solch einen Umbruch, wie den, vor dem Werder jetzt steht, hat es in den vergangenen 41 Jahren nicht gegeben. Um den zu schaffen, bedarf es absoluter Insider-Kenntnisse. Die hat Baumann natürlich. Anders als ein Nachfolger, der womöglich erst in ein paar Tagen seinen Auftrag Wiederaufbau begonnen und einige Tage der Einarbeit benötigt hätte.
Dass Baumann bei der Zusammenstellung des Kaders ganz sicher viele Fehler gemacht hat in den vergangenen Jahren, zeigt sich mit dem Abstieg. Dafür hat er bei der Ausgestaltung der Verträge sehr vieles richtig entschieden. Denn anders als bei Schalke 04, dem Mitabsteiger, behalten alle Spieler-Verträge in der zweiten Liga Gültigkeit bei einer Gehaltsreduzierung von 40 bis 60 Prozent. Kein Spieler also wird den Verein durch den Abstieg ablösefrei verlassen dürfen, es können Transfererlöse erwirtschaftet, Gehälter angepasst werden. Schalke 04 aber muss vielen Spielern auch in der zweiten Liga ein Gehalt wie in der Bundesliga zahlen. Diese finanziellen Altlasten wird es in Bremen nicht geben.