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Anja Stahmanns Werder-Kolumne An Tradition herrscht kein Mangel, aber an Toren

Etwas weniger Blick in den Rückspiegel, ein bisschen mehr "Head of Global Soccer", ohne sich aber zum Anhängsel eines Konzerns oder Scheichs zu machen: So könnte sich Anja Stahmann den Weg des SVW vorstellen.
18.10.2024, 12:55 Uhr
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Von Anja Stahmann

Kaum eine Nachricht hätte die Welt der Fußball-Traditionalisten mehr erschüttern können: Jürgen Klopp heuert an als Head of Global Soccer bei Red Bull. Schon der Titel dürfte allen, die sich gegen zu viel Kommerz im Stadion stark machen, die Zornesröte ins Gesicht getrieben haben. Und dann geht Kloppo, das Aushängeschild für emotionsgeladenen Vereinsfußball, ausgerechnet zu den „Dosen“, also zu jenem Kommerz-Konstrukt, das ein Großteil der Fans so gar nicht mag.

Doch das Leipziger Investment dürfte sich lohnen: Mit Jürgen Klopp hat Red Bull sich nicht nur einen herausragenden Fußballkenner, sondern zugleich eine gehörige Portion Fußballglamour gesichert. Ob es uns Fußballfans nun gefällt oder nicht: Kloppos Entscheidung ruft noch mal ins Bewusstsein: Geld regiert die Welt, und unser Lieblingssport macht da schon lange keine Ausnahme mehr.

Tradition schießt keine Tore, Geld schon eher. Und damit sind wir bei Werder.
Anja Stahmann

Was man hingegen mit keinem Geld der Welt kaufen kann, ist Tradition. Deren Fehlen wird gerade Red Bull gerne zum Vorwurf gemacht. Aber wen interessiert dieser Mangel an Tradition eigentlich noch, wenn das Produkt stimmt – attraktiver und erfolgreicher Fußball. Tradition schießt keine Tore, Geld schon eher. Und damit sind wir bei Werder.

An Tradition herrscht an der Weser kein Mangel, an Toren im eigenen Stadion hingegen schon. Dabei ist die glorreiche Vergangenheit in den vergangenen Monaten nun wirklich hinreichend zelebriert – möglicherweise sogar ein wenig strapaziert – worden. Dummerweise mit unschönen Begleiterscheinungen: Das Jubiläumsspiel im Februar zum 125. Geburtstag des SVW mit der famosen Choreo der Ultras, die das gesamte Weserstadion eingeschlossen hat, ging mit 1:2 verloren. Ausgerechnet gegen Neuling und Nobody Heidenheim, der am Ende der Saison mit einer knapp besseren Tordifferenz sogar vor Werder landete und sich das Ticket für den europäischen Wettbewerb sichern konnte. Da hätte also Werder stehen können.

Am vierten Spieltag der laufenden Saison ging es zu Hause gegen den FC Bayern – und wie immer wurde am Schluss der Vereinshymne der Patzer eines gewissen Oli Kahn vor 20 Jahren besungen. Die Neuzeit sieht anders aus: Humorlose Bayern fegten unser Team mit 0:5 vom Platz. Und: Vor 25 Jahren gewann der SVW den DFB-Pokal. Dieses Jubiläum wurde beim letzten Heimspiel gegen Freiburg begangen – das Spiel endete mit einem trostlosen 0:1.

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Der glanzvollen Vergangenheit steht also eine weniger glanzvolle Gegenwart gegenüber. Aber wohin kann die Reise beim SVW nun gehen? Für mich ist klar: Wer dauerhaft im Oberhaus spielen will, muss immer professioneller werden und sich neue Finanzierungsquellen erschließen. Die Ablehnung gegen den „Investorendeal“ der DFL teile ich nach wie vor. Aber um einen Namenssponsor fürs Stadion werden wir nicht herumkommen. Und ich hoffe, dass sich ein Unternehmen findet, das so verfährt wie Wohninvest und den Namen Weserstadion nur ergänzt und nicht abschafft. Das wäre doch vielleicht ein Kompromiss für Traditionalisten.

Ein bisschen weniger Blick in den Rückspiegel, ein bisschen mehr Head of Global Soccer, ohne sich aber zum Anhängsel eines Konzerns, eines Scheichs oder Investmentfonds machen zu lassen: So könnte ich mir den Weg für den SVW vorstellen. Solche Fragen gilt es zu klären, bevor ein Investor an die Tür klopft. Und das im Dialog mit den Fans. Denn deren Proteste gegen Wohninvest hallen bis heute nach. Und das erleichtert die Suche nach einem neuen Stadionsponsor nicht gerade.

Abschließend noch ein Wort zum Spiel am Sonntag: Dem Tor ist es ja egal, wo es steht, Werder im Moment offenbar nicht. Während zu Hause einfach keine Treffer gelingen wollen, ist es auswärts teilweise schon spektakulär zugegangen. Und Traditionalisten wissen, dass der SVW in der Volkswagen-Arena in der Vergangenheit nicht nur deklassiert wurde (5:1, 6:0), sondern durchaus auch schon als Sieger vom Platz gegangen ist: 2005, 2007, 2010, 2017 und zuletzt 2019. Also los!

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