Der Satz ist schon ein paar Tage alt, wie einen frommen Wunsch hatte ihn Ole Werner hinaus in die Welt geschickt. Begleitet von einem leichten Seufzer. „Erstmal ist es so, dass ich sehr hoffe, dass es so bleibt, dass alle Verteidiger da sind und wir überhaupt Entscheidungen treffen können“, meinte der Trainer von Werder Bremen kürzlich, als er auf einen möglichen Konkurrenzkampf in der Abwehr angesprochen wurde. „Bisher war es häufig so, dass diejenigen, die da waren, auch gespielt haben.“ Inzwischen sieht das tatsächlich anders aus. Werner hat wieder die Qual der Wahl – und zwar nicht nur in der Defensive.
Die Torwartfrage
Der Zeitpunkt hatte durchaus überrascht. Wochenlang rüttelte Ole Werner nicht an der Hierarchie, blockte Nachfragen nach einem langfristigen Torwartwechsel von Jiri Pavlenka hin zu Ersatzmann Michael Zetterer ebenso kategorisch wie gelassen ab. Nein, an der vor der Saison festgelegten Rangfolge sollte partout nicht gerüttelt werden. Da konnte Zetterer den verletzten Pavlenka noch so gut vertreten haben. Doch ausgerechnet in jenem Moment, als der tschechische Nationalkeeper erstmals wieder seine Arbeit verrichtete, wurden die Verhältnisse dann doch aufgeweicht. Seit dem Testspiel am Donnerstag gegen Hansa Rostock (1:2) scheint das Rennen tatsächlich wieder offen.
Die Erfahrungen von 221 Pflichtspielen für Werder wirft Pavlenka in die Waagschale, in denen er sich mit vielen guten Leistungen einst den Spitznamen „Krake“ verdiente und obendrein dafür sorgte, dass nach jahrelangen Problemen zwischen den Pfosten nicht mehr über die fehlende Qualität der Bremer Torhüter diskutiert wurde. Erst kürzlich sprach der 31-Jährige im Interview mit unserer Deichstube über seinen EM-Traum und hob hervor, dass die aktuelle Saison die vielleicht wichtigste seiner Karriere sei. Auf dem Platz untermauerte er seine Ambitionen, lieferte in der laufenden Spielzeit eigentlich keine Argumente für einen Tausch – ehe wochenlange Adduktorenprobleme alles durcheinanderwirbelten. Denn Werders Nummer zwei Michael Zetterer hat die Chance genutzt und sich für einen Verbleib in der Startelf empfohlen. Wenig überraschend schwärmte Verteidiger Anthony Jung unter der Woche: „‚Zetti' hat sehr gute Leistungen gebracht, sehr viel Sicherheit gerade auch mit Ball ausgestrahlt. Ich habe mich sehr wohl hinten mit ihm gefühlt.“ Und der 32-Jährige ergänzte vielsagend: „Das fühlt sich schon manchmal so an, als wäre noch ein Feldspieler mehr drin. Wir sind eine Mannschaft, die gerne den Ball hat und die gerne aus eigener Eröffnung und eigenem Ballbesitz zu Chancen kommt. Für mich als Innenverteidiger hat ‚Zetti' uns das Leben dahingehend erleichtert, dass wir im Ballbesitz noch mehr Ruhephasen haben und das gegnerische Team noch mehr auseinanderziehen und locken konnten.“ Gut möglich, dass genau diese Erkenntnis auch beim Trainerstab zum Umdenken geführt hat.
Die Abwehrkette
Auch in Werders letzter Defensivreihe bahnt sich eine vertrackte Situation an. In den ersten Wochen dieser Saison musste verletzungsbedingt reichlich rotiert werden, ein eingespieltes Trio konnte sich so gar nicht erst bilden. Seit vier Spieltagen ist das anders: In der Besetzung Milos Veljkovic, Marco Friedl und Anthony Jung verteidigten die Bremer zuletzt wesentlich stabiler, wenngleich es dennoch fünf Gegentreffer in vier Partien gab. Da Niklas Stark und Amos Pieper nun wieder fit sind, ergeben sich für Ole Werner ganz neue Möglichkeiten. „Wir wissen, was wir an den Innenverteidigern hatten, die zuletzt weniger gespielt haben, aus einer Verletzung kommen“, sagte der Coach nach dem Test gegen Rostock zwar, als das Duo wieder etwas Spielpraxis sammelte, eine Prognose Richtung nächstes Heimspiel gegen Bayer 04 Leverkusen (25. November, 15.30 Uhr) gab es aber nicht.
Insbesondere Niklas Stark hatte sich vor seiner mehrwöchigen Verletzungspause den Status als Abwehrchef erarbeitet und dürfte demnach unter normalen Umständen zeitnah wieder von Beginn an auflaufen. Aber wer muss dann weichen? Marco Friedl hat zuletzt Starks zentralen Part in der Dreierkette ausgefüllt, bald könnte Werders Kapitän wieder auf seine angestammte linke Position in der hintersten Reihe rücken. Leidtragender wäre dann Anthony Jung, der gerade erst von der Außenbahn in die Abwehrkette gerutscht ist, sich dort auch perspektivisch sieht und zuletzt mit vernünftigen Leistungen aufwartete. Auch Amos Pieper dürfte alles daransetzen, um Milos Veljkovic den Stammplatz abzuluchsen. Ole Werner muss also ganz genau abwägen, wie viel Bewegung er bei der Sehnsucht nach Konstanz seinem derzeitigen Abwehrgefüge zumuten möchte.
Das Mittelfeld
Das vermutlich größte Fragezeichen steht hinter der Personalie Naby Keita. In der Theorie ist der 28-Jährige zweifellos ein Mann, der Werders Zentrale belebt. Doch es gibt da eben diese dicke Krankenakte, die eine langfristige Planung mit dem Nationalspieler Guineas enorm erschwert. Hinzukommt, dass Jens Stage und Leonardo Bittencourt ihre Arbeit auf der Sechser- beziehungsweise Achterposition aktuell derart energisch erledigen, dass an diesem Duo eigentlich kein Weg vorbeiführt. Keitas nächster Comeback-Versuch rückt aber näher – und damit wächst die Hoffnung, dass in dieser Angelegenheit doch noch alles gut wird. Sollte Keita seinen Körper tatsächlich in den Griff bekommen und auch ein optimales Fitnesslevel anbieten, entbrennt der nächste Konkurrenzkampf im Kader. Schaden kann Werder das bestimmt nicht.