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Werder-Kolumne Eine gelungene Kaderplanung ist noch nicht zu erkennen

Der SV Werder hat ein Problem: Der Kader ist gegenüber anderen Bundesligavereinen deutlich schwächer. Wie kann das Team trotzdem bestehen? Es gibt Lösungsmöglichkeiten, aber auch Fragen, meint Jean-Julien Beer.
21.08.2023, 18:39 Uhr
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Eine gelungene Kaderplanung ist noch nicht zu erkennen
Von Jean-Julien Beer

Der SV Werder gibt gerade kein gutes Bild ab. Das liegt nicht nur an den sportlichen Rückschlägen (Pokal-Aus beim Drittligisten Viktoria Köln und eine 0:4-Niederlage gegen Bayern), sondern auch an der angespannten Stimmung in der Mannschaft und im Verein. Ein Sieg würde allen Beteiligten gut tun – doch trotz einer langen Saisonvorbereitung deutet wenig darauf hin, dass ein solcher Sieg bevorsteht. Am Wochenende geht es zum heimstarken Europapokal-Teilnehmer SC Freiburg, dessen Kader fast 70 Millionen Euro teurer ist als der von Werder. Danach kommt Mainz ins Weserstadion – ein Gegner, den Werder fürchtet. Die letzten drei Heimspiele gegen Mainz gingen alle verloren, mit 0:8 Toren. Den Bremern gelang vor heimischem Publikum nicht mal ein Treffer.

Das liegt daran, dass auch der Mainzer Kader stärker besetzt ist als der von Werder – ein Problem, das sich quer durch die Liga ergibt. Mindestens 13 Bundesligavereine haben einen wertvolleren Kader, gleich sieben können sich sogar ein mehr als doppelt so teures Personal auf dem Rasen leisten als die Bremer. Auch Union Berlin gehört dazu, ein Klub also, mit dem sich Werder vor vier Jahren auf Augenhöhe wähnte. Seither warf der Abstieg Werder weit zurück, während Unions Mannschaft nun Champions League spielt und mehr als 202 Millionen Euro kostet. Werder liegt unter 99 Millionen.

Man sollte nicht glauben, dass solche Zahlen im Fußball egal wären, weil jedes Spiel bei 0:0 beginnt. Die Realität sieht anders aus, wenn Gegner wie Bayern in der zweiten Halbzeit frische Leute für 150 Millionen Euro einwechseln und Werder dieser Wucht nur mit einen Christian Groß, Romano Schmid, Dawid Kownacki, Oliver Burke und Leon Opitz begegnen kann. Natürlich schrauben die Bayern das Ergebnis dann hoch. Ole Werner ist da nicht zu beneiden, er würde gerne anders wechseln. Inzwischen weiß er, dass er dafür im falschen Verein ist.

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Jedoch gilt im Fußball die Weisheit: Wo ein Problem ist, gibt es auch eine Lösung. Wer die Bayern schlagen will, braucht dafür – wie Mainz im Vorjahr – außergewöhnlichen Teamgeist, taktisches Geschick und eine überragende Physis. All das war bei Werder nicht zu sehen - und das wird sich gegen die stärkeren Gegner ändern müssen. Sich darauf zu verlassen, dass die Aufsteiger Heidenheim und Darmstadt schwächer sind, wäre ein trügerischer Gedanke: Aufsteiger werden oft von einer Euphorie getragen, die so manche Delle im Kader kaschiert. So war es auch bei Werder: Nach dem Aufstieg holte das Team in der Hinrunde 21 Punkte, in der Rückrunde nur noch 15. Nur dank der anfänglichen Euphorie gelang Werder der Klassenerhalt.

Es ist gut, dass es bei Werder nun deutliche Misstöne gibt. Denn ein paar Wahrheiten müssen ausgesprochen werden, bevor es zu spät ist. Es gibt zu langsame Abwehrspieler, zu viele Sechser und zu viele Angreifer – das wirkt nicht stimmig. Im Mittelfeld könnte sich rein nominell nicht nur eine Doppel-Sechs formieren, sondern sogar eine Fünffach-Sechs. Gleichzeitig fehlt es im Zentrum aber an Kreativität. Auch deshalb tut sich Werder schwer, bei Ballbesitz vor heimischem Publikum Tore zu erzielen. Und obwohl es so viele Angreifer gibt, scheint das Personal für einen Dreier-Sturm nicht geeignet, weil es an dribbelstarken Spielern fehlt. Gut möglich, dass sich nach Markus Anfang auch Ole Werner von dieser Idee verabschieden muss.

Der Belgier Senne Lynen könnte ein brauchbarer Mann fürs defensive Mittelfeld sein. Ihm hätte man aber eine komplette Vorbereitung gewünscht, damit er sich einfinden kann. Stattdessen kam selbst dieser kleine Zwei-Millionen-Transfer erst kurz vor Saisonstart zustande.

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Diese Planung bei Werder lässt sich eigentlich nur damit erklären, dass es so nicht geplant war. Dass man auf etwas gesetzt hat, was nicht passiert ist. Zum Beispiel auf mehr Abgänge: Zwei Stammspieler werde man diesen Sommer wohl verlieren, prognostizierte Werder. Dadurch könne man den Kader umbauen und Kapital erwirtschaften. Zehn Tage vor Transferschluss sind noch alle Stammspieler da. Einen Kader zu haben, aus dem sich kein stärkerer Klub die Rosinen herauspicken mag, ist kein Kompliment.

Es bringt auch nichts, sich die Sache damit schön zu reden, dass man den Stamm des letztjährigen Kaders gehalten hat. Das ist ein grün-weißer Trugschluss. Denn diese Stammelf war die schlechteste Heimmannschaft der Liga und landete in der Rückrundentabelle auf einem Abstiegsplatz. Ein "Weiter so" wäre bei dieser Bilanz so fatal wie ein später Verkauf von Niclas Füllkrug. Alle Hoffnung auf den Dauerverletzten Naby Keita zu stützen, wirkt auf den ersten Blick arg waghalsig. Wenn Werder also einen Plan hatte, dann ist er für Außenstehende noch nicht zu erkennen.

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