Möglich, dass es an den großen Emotionen lag, die so kurz nach dem Abpfiff natürlich noch nicht abgeklungen waren. Da drückt man das eine oder andere schon mal etwas euphorischer aus, ganz normal. Und so wählte auch Romano Schmid am Samstagabend direkt die größte Kategorie, die es so gibt, um positive zwischenmenschliche Beziehungen zu beschreiben: Liebe. „Der Kern des Teams kennt sich ja schon sehr lange“, sagte der Österreicher, der in Werders Heimspiel gegen Meister Bayer 04 Leverkusen mit seinem späten Treffer zum 2:2-Endstand zum Bremer Helden geworden war – und schob mit Blick auf seine Mitspieler hinterher: „Ich würde sogar sagen, dass wir uns wahrscheinlich lieben.“
Streit, den gebe es hier und da zwar auch, räumte Schmid ein, ehe er zu folgendem Schluss kam: „Das ist das Schöne, denn es gehört auch dazu, dass wir uns die Meinung sagen können. Das ist außergewöhnlich und gefällt mir, deshalb sind wir als Mannschaft sehr weit.“ Zurückbezogen auf das Spiel gegen Leverkusen waren es sehr interessante Sätze, lieferten sie doch eine schöne Erklärung für das, was Werder auf dem Platz angestellt hatte.
Zwei Mal mussten die Hausherren im ausverkauften und enorm stimmungsvollen Weserstadion während des Duells einen Rückschlag hinnehmen – und zwei Mal reagierten sie darauf beeindruckend souverän. Das nach einer starken Bremer Anfangsphase wie aus dem Nichts gefallene Leverkusener 1:0 durch Victor Boniface (30.) steckte Werder ebenso weg wie nach der Pause das bittere Eigentor von Felix Agu (78.), das nur wenige Augenblicke nach dem Ausgleich von Marvin Ducksch gefallen war. Am Ende war es Schmid, der seine Mannschaft für den großen Einsatz mit dem späten 2:2 belohnte (90.), was den Begriff „Moral“ zum Wort des Abends werden ließ. Zumal die Bremer in dieser Hinsicht längst Wiederholungstäter sind.
Insgesamt acht (!) ihrer insgesamt zwölf Punkte hat die Mannschaft von Cheftrainer Ole Werner nach Rückständen verbucht. Bezogen auf das 2:2 gegen Leverkusen sagte der Coach: „Das bekommst du nur hin, wenn du dir gegenseitig vertraust, wenn du weißt, wie der andere tickt und dich gegenseitig unterstützt. Und das macht die Mannschaft.“
Vielleicht ist es das, was Romano Schmid mit „Liebe“ meint und das, was Marvin Ducksch vor einigen Tagen dazu veranlasste, die Bremer Mannschaft als „Familie“ zu beschreiben. „Wir haben eine gute Atmosphäre in der Kabine und auf dem Platz. Es ist eine gute Mischung aus Ehrgeiz und Lockerheit“, berichtete Werner – und betonte: „Das sind die Dinge, die man immer hochhalten muss.“ Vor allem als Mannschaft wie Werder, der es im Vergleich zu den Top-Teams der Liga freilich an individueller Qualität mangelt, die diesen Umstand mit einer starken Leistung des Kollektivs aber auszugleichen imstande ist.
„Über die mannschaftlichen Sachen zu kommen, ist ein Schlüssel für uns“, hob Werner hervor und nahm das Wort des Abends dann auch selbst in den Mund: „Wir haben die Moral, Widerstände zu überwinden. Und das geht natürlich besser, wenn man als Spieler weiß, dass man an seiner Seite jemanden hat, der einen unterstützt. Dieses Gefühl haben die Jungs.“ Was als wichtiger Punkt in der Entwicklung der Mannschaft betrachtet werden darf.
„Wir sagen ja immer, dass wir den nächsten Schritt gehen wollen, und wenn du dann solch ein Spiel gegen den Meister machst und auch nach Gegentreffern zurückkommst, dann spricht das klar für die Mannschaft“, freute sich Kapitän Marco Friedl. Was beinahe unweigerlich zur Frage führte, wohin Werders Weg in der nun acht Spieltage alten Saison denn noch führen könnte. Festlegen wollte sich da kein Bremer, aber klar ist: Nachdem die Mannschaft das harte Auftaktprogramm, zu dem Spiele gegen die Top-Teams aus Dortmund, München und Leverkusen zählten, nun erfolgreich hinter sich hat, warten in den kommenden Wochen vermehrt Gegner, die rein nominell eher Bremer Kragenweite haben.
„Wir hatten viele schwere Gegner und haben gute Spiele gemacht. Jetzt kommen Wochen, in denen wir auch unbedingt punkten wollen, weil wir gegen direkte Konkurrenten antreten“, sagte Friedl. So ein 2:2 gegen den Meister Leverkusen sei da „gut fürs Selbstvertrauen“. Um womöglich weiter oben in der Tabelle angreifen zu können? Es ist kein Geheimnis, dass davon jeder im Klub träumt. Nur öffentlich zum Thema machen wollte es am Samstagabend niemand. „Jetzt zählt erst mal nur Paderborn“, sagte Friedl mit Blick auf das DFB-Pokal-Zweitrundenspiel am Mittwochabend, während Romano Schmid festhielt: „Unsere Aufgabe ist es, jeden Tag daran zu arbeiten, dass wir es schaffen, solche Spiele wie gegen Leverkusen jede Woche auf den Platz zu bringen.“ Alles Weitere werde man dann schon sehen.
Bis dato jedenfalls sind sie am Osterdeich mehr als einverstanden mit dem Erreichten. „Bis jetzt spielen wir eine richtig gute Saison. Ich bin sehr zufrieden mit dem Fußball, den wir spielen“, sagte Leiter Profifußball Peter Niemeyer. Und irgendwie schwang auch in diesen Worten eine Portion Liebe mit.