Was ist in dieser Saison mit Ihrem Ex-Verein Union Berlin passiert, Herr Barbarez?
Es lief lange Zeit zu gut, irgendwann musste der kleine Dämpfer kommen. Dabei ist der Start mit zwei Siegen noch gut gelungen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Doppelbelastung durch die erstmalige Teilnahme an der Champions League eine Rolle spielt. Die Berliner sind es nicht gewohnt und machen nun schlechte Erfahrungen.
Seit Jahren pflegten die „Eisernen“ eine eher zurückhaltende Personalpolitik und setzten auf Bodenständigkeit. Nun haben sie Hochkaräter geholt wie die deutschen Nationalspieler Kevin Volland und Robin Gosens oder den italienischen Weltmeister Leonardo Bonucci. Ist das ein zu gefährliches Spiel?
Ich finde das Vorgehen der Verantwortlichen auf dem Transfermarkt sehr gut. Sie mussten so reagieren und einfach nachrüsten, um für die gestiegenen Anforderungen gerüstet zu sein. Sie haben alles richtig gemacht aus meiner Sicht.
Dennoch läuft es nicht. Neun Niederlagen in Folge gab es, unter der Woche ging das Heimspiel in der Königsklasse gegen den SSC Neapel verloren. Wann kommt Union aus dieser Misere hinaus?
Es ist momentan ein schwieriger Prozess. Die Berliner wissen selbst nicht, wie sie die Wende schaffen sollen. Sie müssen dranbleiben. Ihr Spielstil erfordert viel Kraft. Mit dieser Methode müssen sie weitermachen. Völlig verkehrt wäre es, nun grundsätzlich alles zu ändern. Leider können sie augenblicklich ihre Stärken nicht auf den Platz bringen.
Erst der Segen, nun der Fluch. Ist es nach derart guten Jahren besonders schwer, den Abwärtstrend zu stoppen?
In der schönen Zeit stieg natürlich die Euphorie bei allen, bei den Fans und den Spielern. Es gab keinen Gedanken an schlechte Zeiten, das Verlieren ist aus dem Blick geraten.
Was muss passieren, damit Union aus dem Tabellenkeller kommt?
Eine Ferndiagnose traue ich mir nicht zu. Ich setzte ganz auf den Trainer. Ich halte viel von Urs Fischer. Kompliment, was er bislang geleistet hat – gegen alle Widerstände, die er als Schweizer und Liga-Neuling zu bestehen hatte. Es ist eine sensationelle Leistung von diesem ruhigen Typen, der perfekt zu diesem Verein und zum Geist passt, der in Köpenick herrscht.
Union stellt sich als ein besonderer Verein dar, als Kultclub aus der Hauptstadt. Anfang der Neunziger Jahre haben Sie dort gespielt. Wie war Ihr Eindruck?
Es ist ein ganz besonderer Club. Ich habe kurz nach der Wende diesen speziellen Union-Geist erlebt. Was die Fans schon damals veranstaltet haben, ist einmalig. Eine unvergleichliche Atmosphäre, eine wahnsinnige Unterstützung, egal wo und wie wir gespielt haben. Ich habe für einige Clubs gespielt, doch die drei Jahre bei Union waren schon einzigartig.
Werder und Union sind Tabellennachbarn. Auch die Bremer beklagen eine Krise und punkten kaum noch.
Ich bin von Werder zuletzt nichts anderes gewohnt. Die Mannschaft kann sich seit Langem nicht mehr so richtig festsetzen in der gesicherten Zone der Liga. Ein ständiges Auf und Ab, keine Hoffnung auf Besserung.
Woran liegt das?
Entscheidend sind die finanziellen Voraussetzungen. Die glorreichen Zeiten in der Champions League sind schon lange Vergangenheit. Schade eigentlich. Werder ist nicht mehr das alte Werder. Ich bedauere, dass die Bremer zu einem ganz normalen Erstligisten verkümmert sind. Und überhaupt: Im Norden ist im Gegensatz zu früher nicht mehr so viel los.
Union konnte auf dem Transfermarkt groß zuschlagen, Werder hatte diese Möglichkeit nicht...
Richtig, schon lange muss Werder kleine Brötchen backen. Gegen Frank Baumann und Clemens Fritz habe ich noch gespielt. Ich bedauere die beiden Kollegen von einst, die nun das Sagen haben.
Sehen Sie große Abstiegssorgen?
So sieht es aus. Ich denke, die Bremer sind Realisten genug, um zu wissen, dass wieder mal der Überlebenskampf begonnen hat.
Im Bremer Umfeld wird nach den jüngsten Niederlagen auch über den Trainer diskutiert, die Verantwortlichen aber stehen zu Ole Werner. Ist es das richtige Vorgehen?
Aus meiner Sicht ist es genau die richtige Entscheidung, noch am Coach festzuhalten. Eine Entlassung Werners wäre momentan recht verfrüht. Natürlich ist es so, dass irgendwann der Zeitpunkt kommen könnte, dass reagiert werden muss. Doch wann es soweit ist, das können die Insider besser bewerten.
Zur Lage der Liga ganz allgemein: Überrascht es Sie, dass sich mit Bayer 04 Leverkusen und RB Leipzig, mit Borussia Dortmund und der Sensationself aus Stuttgart gleiche mehrere Rivalen für die Münchner Bayern zusammengefunden haben?
Was heißt überrascht? Ich freue mich, ich freue mich sehr über die Konkurrenz für den Dauermeister. Ich bin vor allem begeistert von Leverkusen, meinem ehemaligen Club. Ich bin angetan, wie sie spielerisch überzeugen. Schade für Stuttgart, dass sich Torjäger Serhou Guirassy verletzt hat. Leipzig ist stabil, mischt wie zuletzt immer mit. Und Dortmund erlaubt sich nun keinen Schnitzer. Wie sie selbst sagen, wollen sie nicht mehr so sexy spielen, sondern punkten. Es gelingt. Es wird ein enges Rennen um den Titel, ich erwarte eine hochklassige und spannende Rückrunde.