Werder Bremens Trainer Ole Werner besitzt viele Eigenschaften. Experimentierfreude gehört nicht dazu. Taktisch endete Werders Saison so, wie sie begonnen hatte. Am ersten wie auch am letzten Spieltag stellte Ole Werner seine Elf in einem 5-3-2-System auf. Sieben der zehn Feldspieler, die zum Saisonauftakt 0:4 gegen Bayern München verloren hatten, standen auch beim 4:1-Sieg gegen den VfL Bochum in der Startelf. Wenn Werner im Laufe der Saison von seiner favorisierten 5-3-2-Formation abwich, geschah dies nur in Form einer leicht angepassten 5-2-3-Variante. Revolutionen? Fehlanzeige.
Diese Sichtweise wird Werner jedoch nicht gerechnet. Werders Saison verlief nicht gleichförmig – weder von den Ergebnissen noch von der taktischen Entwicklung. Werders Coach ist es im Verlauf der Spielzeit gelungen, über kleinere taktische Anpassungen seine Elf zu verbessern.
Werder bleibt taktischer Linie weitgehend treu
In der Vorbereitung auf diese Saison gab es aus taktischer Sicht vor allem ein Thema: Werner versprach, sein Team flexibler aufzustellen. In der vergangenen Saison kam fast ausschließlich das 5-3-2-System zum Einsatz. Im Trainingslager ließ Werner eine neue 5-2-3-Variante eintrainieren. Offensiv wurde dieses 5-2-3 zum 3-4-3.
Das 5-2-3 sah man zu Saisonauftakt jedoch nur beim Pokalspiel gegen Viktoria Köln. Das Spiel endete mit einer 2:3-Blamage für Werder. In den Wochen darauf kehrte Werner zur 5-3-2-Grundformation zurück. Das 5-2-3 sah man nur noch in einzelnen Spielsituationen. Romano Schmid rückte im Pressing manchmal aus dem Mittelfeld in den Sturm, sodass aus dem 5-3-2 ein 5-2-3 entstand.
Ansonsten aber setzte Werder in den ersten Saisonspielen auf jene taktische Mittel, die in der Vorsaison zum Klassenerhalt geführt hatten. Defensiv verteidigte Werder im Mittelfeld eng am Mann. Auch die Abwehrspieler rückten immer wieder heraus, um gegnerische Angreifer zu verfolgen. Offensiv stieß Rechtsverteidiger Mitchell Weiser weit vor. Werders Aufbauspiel begann meist mit ruhigen Querpässen. Anschließend suchte das Team entweder den Weg über Weisers rechten Flügel oder spielten einen Chipball auf Stürmer Niklas Füllkrug. Der Nationalspieler hielt die Bälle und leitete sie weiter.
Werders Strategie offenbart Schwachstellen
Dass Werders Strategie nach einigen Spieltagen Schwachstellen offenbarte, lag nicht nur am Abgang von Füllkrug. Offensiv konnte kein Angreifer die Rolle des Ballhalters übernehmen. Vor allem aber plagten Werder defensive Sorgen: Durch die hohe Mannorientierung ließen sich einzelne Akteure immer wieder aus der Formation ziehen. Clevere Gegner besetzten anschließend die Lücken. Gerade Heidenheim und Darmstadt gelang es, diese Schwachstellen offenzulegen. Beide Aufsteiger besiegten Werder 4:2.
Danach änderte Werner seiner Herangehensweise leicht. Defensiv verzichtete Werder in den kommenden Spielen darauf, den Gegner allzu stark zu verfolgen. Offensiv legte Werder fortan einen höheren Fokus auf Geschwindigkeit. Zunächst rückte Rafael Borré in die Startelf. Er half dem Team mit seinem Einsatz im Pressing. Ab Dezember avancierte Justin Njinmah zum Stammspieler. Sein Tempo gab der Mannschaft die Möglichkeit, häufiger den Pass hinter die Abwehr zu wählen.
Auch im Spielaufbau setzte Werder fortan auf klarere Abläufe. Weisers Vorstöße wurde noch eindeutiger in die Aufbauformation integriert. Werders Abwehrkette verschob nach rechts, sobald Weiser aufrückte. So entstand im Aufbau eine Viererkette. Damit war Werder auch besser abgesichert, wenn der Ball mal verloren wurde.
Werder fand fortan die richtige Mischung aus Raum- und Manndeckung sowie aus Tempospiel und ruhigem Ballbesitzfußball. Zum Jahreswechsel zogen auch die Ergebnisse nach. Im Dezember und Januar verlor Werder kein einziges Spiel. In dieser Phase zahlte sich aus, dass sich Senne Lynen langsam, aber sicher in Bremen integrierte. Der Neuzugang hatte einige Monate gebraucht, um seine Rolle als Sechser im Bremer Spielsystem zu verinnerlichen. Fortan sicherte er als tiefer Sechser stark ab. Bei der Anzahl der abgefangenen Pässe gehört er in der Bundesliga zu den besten Spielern.
Verletzungssorgen in der Innenverteidigung
Gleichzeitig markiert diese Phase einen erneuten Wendepunkt. Wochenlang hatte Werder mit Verletzungssorgen zu kämpfen. Gerade die Innenverteidigung musste Werner Woche für Woche austauschen. Auf Dauer ging dies auf Kosten der defensiven Stabilität. Beim 1:2 gegen Heidenheim und beim enttäuschenden 1:1 gegen Darmstadt zeigte Werder die bekannten Schwächen aus der Hinrunde: Die Verteidiger ließen sich zu weit aus der Abwehr locken, es fehlte an klaren Abläufen und Kompaktheit.
Werners Versuche, diese Probleme innerhalb des 5-3-2-Systems anzugehen, scheiterten. Nach dem Darmstadt-Spiel konnte Werder auch die folgenden sechs Spiele nicht gewinnen. Tiefpunkt war die 0:5-Niederlage gegen den späteren Meister Leverkusen. Die passive Verteidigung im 5-3-2 griff überhaupt nicht.
Werner setzte in den Wochen darauf vermehrt auf Kompaktheit. Dazu packte Werner in einigen Spielen die 5-2-3-Formation aus. Werder interpretierte diese Formation äußerst raumorientiert. Die beiden Mittelfeldspieler bildeten zusammen mit den drei Stürmern einen Käfig. Der Gegner konnte kaum mehr durch das Zentrum aufbauen.
Der überraschende 2:1-Sieg gegen den VfB Stuttgart markierte einen weiteren Wendepunkt in dieser Saison. Werner hatte seine Stammformation gefunden. Die Abwehr agierte fortan eingespielter, der Wechsel von Fünfer- auf Viererkette im Spielaufbau funktionierte reibungslos. Defensiv hielten sich die Innenverteidiger zurück, dafür sicherten die Spieler davor besser ab. Nick Woltemade und Schmid pendelten zwischen Mittelfeld und Angriff.
So startete Werder am Ende noch einmal eine Serie. Defensiv wirkte die Mannschaft stabilisiert, offensiv im flachen Passspiel wesentlich eingespielter. Dass die Mannschaft im Verlauf der Saison kompakter und geschlossener verteidigte, beweisen die Zahlen. In der ersten Saisonhälfte hatte Werder noch 31 Gegentore kassiert, in der zweiten nur 21. Nachdem die Bremer in der Rückrunde gegen die Top-Fünf nur einen Punkt geholt hatten (bei einem Torverhältnis von 1:11), sammelten sie in der Rückrunde immerhin sieben Zähler ein (Torverhältnis: 5:9). Werner ist es gelungen, seine Mannschaft im Laufe der Saison zu stabilisieren – und das ganz ohne Revolutionen an der Taktiktafel.