Fünf Bundesligaspiele in Folge hat Werder Bremen inzwischen schon nicht gewonnen. Zur Erinnerung: Der letzte Sieg der Mannschaft datiert aus dem Februar (3:0 gegen den VfL Bochum), was mittlerweile, kurz nach dem Osterfest im April, durchaus für Alarmstimmung am Osterdeich sorgen könnte. Schließlich steht der Sieben-Spiele-Schlussspurt der Saison nun unmittelbar bevor, und ein paar Punkte brauchen die Bremer ganz sicher noch, um ihr Ziel, den Klassenerhalt, am Ende zu erreichen.
Und dennoch: Von merklicher Unruhe oder auch nur ausgeprägter Unzufriedenheit ist beim Tabellenelften Werder derzeit nichts zu spüren, was einerseits am immer noch komfortablen Neun-Punkte-Vorsprung auf den Relegationsplatz liegt. Andererseits aber auch untrennbar mit der 97. Minute des Auswärtsspiels in Mainz verknüpft ist.
„Die Chronologie der Tore lässt uns mit einem guten Gefühl hier wegfahren“, sagte Stürmer Niclas Füllkrug, der mit seinem späten Treffer für den 2:2-Endstand gesorgt und damit das Narrativ des 27. Spieltags für Werder endgültig ins Erfreuliche umgeschrieben hatte. Denn natürlich ist so ein Punktgewinn bei den seit nunmehr acht Spielen unbesiegten Mainzern per se wertvoll – die Art und Weise seines Zustandekommens lieferte darüber hinaus jedoch noch einen weiteren Schub. Den Werder nun für sich nutzen möchte.
Spät mit 0:1 hinten, postwendend durch Jens Stage ausgeglichen. Noch später mit 1:2 hinten, dann dank Füllkrug tatsächlich noch mal geantwortet. Dieser kuriose Spielverlauf, der erst ab der 85. Minute in Gang kam, sorgte in der Nachbetrachtung dafür, dass es weniger um eine biedere Bremer Offensive und eine in der Schlussphase einmal mehr wackelige Abwehr ging, sondern vor allem um ein Thema: die tolle Moral der Mannschaft.
Rekordverdächtige Werder-Statistik in der laufenden Saison
„Jeder Punkt ist entscheidend und wichtig. Wenn man aber zwei Mal so zurückkommt, dann spricht das für unser Team, den Kampfgeist und das Vertrauen in die eigene Stärke. Das gibt ganz wichtiges Selbstvertrauen für das nächste Spiel“, sagte Werders Leiter Profifußball Clemens Fritz am Ostermontag im Gespräch mit unserer Deichstube. Wohl wissend, dass seine Mannschaft wahrlich nicht zum ersten Mal in der laufenden Saison spät in einem schwierigen Spiel noch Antworten gefunden hatte.
13 Treffer hat der Aufsteiger inzwischen ab der 85. Minute erzielt, was laut den Statistikern des Fachmagazins „kicker“ rekordverdächtig ist. Nur Dortmund (Saison 2018/19) mit 16 Toren ab der 85. Minute, die Bayern (2016/17) mit 15 und Kaiserslautern (1993/94) mit 14 waren in der langen Ligageschichte kurz vor Schluss noch erfolgreicher. Zugegeben: Es ist eine Bestenliste, die für sich genommen nicht allzu viel Wert ist, deren Interpretation Werder gerade aber sehr hilft.
Kernaussage: Wer spät trifft, kann vorher nicht resigniert haben. Oder wie es Verteidiger Niklas Stark in Mainz formulierte: „Das sagt aus, dass wir niemals aufgeben. Das haben wir schon öfter in der Saison gezeigt, dass für uns immer etwas drin ist. Daran glauben wir.“ Was wiederum dabei hilft, nach fünf Spielen ohne Sieg nicht in Selbstzweifel oder Zukunftsängste zu verfallen, sondern sachlich-nüchtern auf die kommenden Aufgaben zu blicken. Zumal Werder immer noch Woche für Woche als Aufsteiger den Rasen betritt, woran Füllkrug in den Katakomben des Mainzer Stadions noch einmal erinnerte.
„Wir sind Aufsteiger und können nicht jedes Spiel gewinnen. Wir können auch nicht jedes Spiel top spielen, das wird nicht passieren. Diese Fantasie kann ich jedem nehmen“, sagte der 30-Jährige – und forderte: „Wichtig ist aber, dass wir in jedem Spiel zu 100 Prozent da sind und nicht unnötig Spiele verschenken. Das ist in den vergangenen Wochen und Monaten leider doch zu oft vorgekommen.“ In Mainz bekanntlich beinahe auch. Aber eben nur beinahe. Nochmal Füllkrug: „Das 2:2 wird uns ein bisschen Aufschwung geben für die nächsten Wochen.“
Für Werder sehen diese wie folgt aus: Am Sonntag steht zunächst das Heimspiel gegen Freiburg an, ehe es zum Auswärtsdoppelpack bei den direkten Konkurrenten Hertha BSC (22. April) und auf Schalke (29. April) kommt. Spiele, so die Bremer Vorstellung, nach denen an der Weser niemand mehr Fragen nach dem Abstiegskampf stellt. Vor dem schweren Restprogramm gegen die Bayern, Leipzig, Köln und Union Berlin wäre Klarheit in Sachen Klassenerhalt jedenfalls nicht das Schlechteste.
Einzig und allein auf die späten Comeback-Qualitäten wollen sich die Bremer dabei freilich nicht verlassen. So gut das Gefühl nach dem Mainz-Spiel gerade auch ist – eine gehörige Portion Glück gehörte bei diesem speziellen 2:2 auch dazu. „Wir haben wieder richtig billig zwei Gegentore gefressen“, ärgerte sich Kapitän Marco Friedl nach dem Schlusspfiff und fügte hinzu: „Wenn wir ehrlich sind, war das Spiel nach dem 1:2 eigentlich verloren für uns, denn normalerweise kommst du da nicht mehr zurück.“