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Interview Werder-Keeper Michael Zetterer: "Mir ist nichts vor die Füße gefallen"

Seit etwas mehr als einem Jahr ist Michel Zetterer die Nummer eins bei Werder. Vor dem Spiel in Bochum spricht er über ein überraschendes Telefonat mit dem DFB, sein Foul gegen Darmstadt und: Pokal-Anekdoten.
06.12.2024, 16:25 Uhr
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Werder-Keeper Michael Zetterer:
Von Malte Bürger



Michael Zetterer, wie geht es eigentlich Ihrer Schulter?

Schon viel besser, aber das wird mich sicherlich noch eine Weile begleiten.

Haben Sie sich die Szene aus dem Frankfurt-Spiel, als sie übel gefallen sind, noch einmal angeschaut?

Ja, habe ich, und das sah nicht schön aus. Mir ist bewusst, dass das auch anders hätte ausgehen können.

Judo haben Sie aber wegen des Abrollens früher nicht gemacht, oder?

Doch, vielleicht hat es ein bisschen geholfen, dass ich mal Kampfsport gemacht habe. Als Kind habe ich da alles Mögliche ausprobiert, Taekwondo zum Beispiel. Später auch Muay Thai. Ich war ein sehr aktives Kind. Fußball hat mir aber mehr Spaß gebracht.

Dank des Last-Minute-Treffers von Anthony Jung überwintert Werder im DFB-Pokal. Wie wichtig ist dieses Tor für die weitere Saison?

Ich würde es weniger auf die gesamte Saison sehen, sondern nur auf den DFB-Pokal. Ich bin richtig glücklich, dass wir weitergekommen sind. Es hat sich mal wieder gezeigt, dass wirklich jede Minute die entscheidende sein kann.

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Wie gierig sind Sie persönlich darauf, das Finale in Berlin als Spieler zu erleben?

Sehr. Unter der Woche hatte „Kiki“ Vander (Torwarttrainer und Ex-Werder-Profi, Anm. d. Red.) uns noch vom Pokalfinale 2009 berichtet. Er sagt immer so gern, dass er auch über Champions-League-Abende reden könne, das Pokalfinale aber wirklich noch einmal etwas ganz Besonderes sei. Das kaufe ich ihm komplett ab. Das Endspiel ist ein Traum, es sind nur noch zwei Spiele, die uns davon trennen. Und im Finale kann dann alles passieren – egal gegen wen.

Die Geschichten über die Champions League hebt er sich also noch auf?

Die kommen dann in ein paar Jahren. Hoffentlich. (lacht)

Wie sehr hat Sie der späte Treffer gegen Darmstadt auch für Ihren Kumpel Anthony Jung gefreut?

Enorm. Tonys Situation war nicht einfach, weil er zuletzt nicht begonnen hat. Dann kommt er rein, macht seine Sache genauso solide wie immer. Witzigerweise habe ich meinen Jungs noch zugerufen, dass sie bei diesem Standard nochmal alles reinhauen sollen – und dass Tony das Ding dann macht, freut mich für ihn wirklich sehr.

Freundschaften sind ein gutes Stichwort. Hat sich Nick Woltemade nochmal bei Ihnen gemeldet?

Ja, wir hatten vor und auch nach dem Stuttgart-Spiel Kontakt. Es war mir eine Genugtuung, dass er nicht getroffen hat – vor allem in der Nachspielzeit nicht. (grinst)

Wussten Sie genau, was er vorhat?

Nein. Nick ist ein begnadeter Fußballer, der kann aus dieser Position überall hin aufs Tor schießen. Ich bin sehr froh, dass er den Ball nicht so getroffen hat, wie er das wollte.

Würden Sie ihn als echten Freund bezeichnen?

Auf jeden Fall. Im Fußball gibt es viele Bekanntschaften, die temporär sind. Wenige Freundschaften halten so richtig, wenn sich die Wege trennen. Mit Nick habe ich aber weiter ein sehr enges Verhältnis.

Sie sind im Alter von 19 Jahren zu Werder gekommen, seit fast zehn Jahren in Bremen. Ist es überhaupt vorstellbar, dass sie den Verein jemals wieder verlassen?

Im Fußball muss man auf solch eine Frage sehr diplomatisch antworten. Das Geschäft ist so schnelllebig, dass man einfach nicht sagen kann, was in ein oder zwei Jahren ist. Grundsätzlich ist Werder für mich aber etwas sehr Besonderes. Wenn ich mir einen Traumweg meiner Karriere vorstelle, dann ist er hier.

Gibt es schon einen Deal mit Christian Vander, dass Sie ihn mal beerben?

Nein, den gibt es nicht. Ich habe hoffentlich noch einige Jahre auf diesem Niveau vor mir. Deswegen habe ich noch nicht allzu viele Gedanken daran verschwendet, was mal nach der Karriere sein könnte. Den Weg, den „Kiki“ gegangen ist, kann ich mir aber sehr gut vorstellen.

Es wurde zuletzt viel über die Arbeit von Ole Werner gesprochen, was aber zeichnet Vanders tägliche Einheiten mit Ihnen und Ihren Torhüterkollegen aus?

Er versucht, uns ein sehr modernes Torwartspiel beizubringen. Ich kenne ihn jetzt schon mehr als zehn Jahre, weil er damals auch mein Torwarttrainer in der U-Nationalmannschaft war. Dadurch hat sich ein besonderes Verhältnis entwickelt. Er weiß ganz genau, wann er mich wie packen muss und wann ich welche Ansprache brauche.

Ist es bei einem Torwarttrainer noch wichtiger – anders als vielleicht bei einem Chefcoach –, dass er selbst Profi auf einem höheren Niveau war?

Als Torwart ist es sehr wichtig, dass man jemanden hat, der alles selbst durchlebt hat. Nicht nur torwarttechnisch, sondern auch mental stellt dieser Beruf eine hohe Belastung dar. Man hat als Keeper nur wenige Aktionen, aber jede kann entscheidend sein. Deshalb ist es ein großer Vorteil, wenn es da jemanden gibt, der nachempfinden kann, wie man sich nach einem Spiel oder unter der Woche fühlt.

Was können Sie von einem erfahrenen Kollegen wie Markus Kolke lernen, auch wenn der nie Bundesliga gespielt hat?

Er hat enorm viele Spiele in der 2. und 3. Liga abgerissen. Von seiner Erfahrung kann man viel lernen. Als Typ schätze ich ihn auch sehr, weil er jemand ist, der mir auch als Nummer eins nochmal Tipps gibt. Das hilft wirklich sehr.

Und wie sieht es bei Mio Backhaus aus? Nehmen Sie da auch Neues mit oder gibt man als älterer Spieler eher mehr, als dass man nimmt?

Ich habe in meiner Karriere gelernt, dass man sich immer etwas abschauen kann – egal von wem. Das können auch Feldspieler sein, wenn es beispielsweise um den ersten Kontakt mit dem Ball geht. Mio ist ein gutes Talent und macht viele Sachen sehr gut. Deshalb kann man da im Training auch bei ihm mal hingucken.

Wird er derjenige sein, der Sie irgendwann ablöst?

Wenn es so wäre, dann darf das gern noch ganz viele Jahre auf sich warten lassen. (lacht) Schließlich habe ich meinen Vertrag mit dem Ziel verlängert, meine und unsere positive Entwicklung hier noch lange fortsetzen zu dürfen. Mio ist jetzt in der Herausforderer-Position. Wenn er den gleichen langen Atem wie ich damals beweist, kann es eines Tages auch bei ihm klappen.

Sie mussten im Pokal-Achtelfinale zuletzt eine Schrecksekunde überstehen: Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie Isac Lidberg gefoult haben?

Ich habe relativ schnell beim Herauslaufen gemerkt, dass es eine zu mutige Entscheidung war. Es ist aber so, wie es auch Manuel Neuer nach seinem Platzverweis gegen Leverkusen gesagt hat: Man will einfach nur helfen und wach hinter der Kette sein. Das wird auch eingefordert. Ich bin aber natürlich glücklich, mit einem blauen Auge davongekommen zu sein. Ich habe wirklich versucht, den Ball noch zu spielen und nicht mutwillig eine Verletzung des Gegenspielers in Kauf genommen. Es war eine blöde Situation, die ich als Lerneffekt mitnehme.

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Sie sind jetzt seit etwas mehr als einem Jahr Stammkeeper in der Bundesliga. Haben Sie sich mittlerweile daran gewöhnt, einer von nur 18 Menschen auf diesem Planeten zu sein?

Gewöhnen tut man sich relativ schnell daran, weil man dafür hart gearbeitet hat. Ich bin dennoch sehr demütig, weiß das alles wertzuschätzen. Mir ist nichts vor die Füße gefallen, deswegen ist es immer wieder ein tolles Gefühl, wenn man sich den Weg anschaut und sieht, wo man heute steht.

Ist es aber nicht völlig surreal, wenn es dann ganz rasant auch heißt, dass man für den DFB in Frage kommt?

Absolut. Es ist aber auch ein hervorragendes Beispiel dafür, wie schnell es gehen kann. Ich hoffe, dass jeder Profifußballer, aber auch jeder Jugendlicher viel daraus ziehen kann. Man kann und darf an seinen Träumen festhalten.

Was macht das denn mit Ihnen, wenn der Torwarttrainer der Nationalmannschaft auf einmal anruft?

Das war ein sehr unerwarteter Anruf, kurz vor dem November-Lehrgang. Ich habe mich sehr gefreut und gelauscht wie ein kleines Kind. Es war ein sehr langes Gespräch, in dem wir nicht nur über Fußball und meine aktuelle Situation geredet haben, sondern auch noch viel drumherum. Ich konnte daraus ganz viel ziehen. Es erfüllt mich mit Stolz, dort gehandelt zu werden.

Halten Sie den Traum von einem Länderspiel für Deutschland für realistisch?

Oliver Baumann (Torhüter der TSG Hoffenheim, Anm. d. Red.) ist da ein sehr gutes Beispiel. Wenn man ihn vor fünf Jahren, als er 29 Jahre alt war, gefragt hätte, ob er es für realistisch hält, weiß ich nicht, was er gesagt hätte. Jetzt hat er zweimal gespielt. Im Fußball kann man nie in die Glaskugel gucken. Ich bin auf einem guten Weg, was mit dem Anruf honoriert wurde. Das gibt mir nur noch mehr Motivation, so weiterzumachen wie bisher.

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Wie sehr ärgert es sie da, dass sich zuletzt gegen Darmstadt und auch zuvor Stuttgart ein, zwei größere Fehler eingeschlichen haben?

Ich bin sehr selbstkritisch, analysiere einzelne Situation genau. Das kann auch mal „nur“ ein Pass sein, der nicht so angekommen ist wie geplant. Dennoch mache ich mich nicht verrückt. Man sieht regelmäßig, wie auch Weltklasse-Torhüter mal Fehler machen. Das ist absolut menschlich. Wenn man sich an jedem Fehler aufhängen würde, wird man auf lange Sicht nicht erfolgreich sein.

Ein großes Thema ist die fehlende Durchschlagskraft im Angriff. Wie wahnsinnig werden Sie da hinten eigentlich, wenn der Ball vorne nicht ins Tor will?

Genauso wahnsinnig, wie wenn wir Spiele wie gegen Bayern, Gladbach oder eine Anfangsphase wie gegen Hoffenheim erleben. Das ist immer ein mannschaftliches Ding. Wir nehmen vorne die Jungs nicht in die Kritik, wenn sie mal das Tor nicht treffen und wir werden von ihnen nicht in die Kritik genommen, wenn wir mal drei oder vier Stück kassieren. Wir müssen solche Ausreißer natürlich von uns weghalten, aber in der Berichterstattung wird auch vieles mittlerweile sehr schnell negativ beschrieben. Das hat man auch bei Marvin Ducksch gesehen, als er mit seinen Standards in der Kritik war. Jeder, der sich wirklich mit Fußball auskennt, muss sehen, dass wir in fast jedem Spiel durch drei, vier Flanken von ihm in hervorragende Torpositionen kommen.

Ertappen Sie sich manchmal beim Gedanken, am liebsten selbst im gegnerischen Strafraum mitzuhelfen?

Zum Glück nicht, denn das würde ja bedeuten, dass wir meistens zurückliegen. Aber ich habe ja schon einmal gesagt, dass ich noch mit dem Heidenheim-Spiel aus der letzten Saison hadere, weil ich da eine Chance am Ende hatte, auf die man als Torwart insgeheim hofft. Ich marke mir da an, dass ich früher Stürmer war und solche Dinger normalerweise wegmache. Wenn nochmal solch eine Situation kommt, treffe ich hoffentlich, um mir den Traum von einem Tor zu erfüllen.

Dürfte es auch ein Elfmeter bei hoher Führung sein?

Emotionaler und schöner wäre wahrscheinlich ein Last-Minute-Ausgleich. Zum Ende meiner Karriere würde ich sonst aber auch einen Elfmeter mitnehmen.








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