Grüne und Finanzen? Das ist ungewöhnlich. Umso bemerkenswerter war, als 2007 die Grünen mit dem Finanzressort betraut wurden. Karoline Linnert war bundesweit die erste Grüne, in Bremen die erste Frau und insgesamt die erste grüne Frau im Amt. Und es muss auch Grünen-Mitglieder gegeben haben, die sich fragten, was angebrachter wäre: gratulieren oder kondolieren.
Denn mit dem Thema Finanzen konnte man in Bremen erfahrungsgemäß weder einen Blumenpott noch Wählerstimmen gewinnen. Selbst weitgehend unpolitische Bremer wissen über ihre Heimat zumindest das: Die finanzpolitische Bilanz ist niederschmetternd. Das Land ist überschuldet, Bremen muss mit seinem Geld knausern, der Gestaltungsspielraum ist arg begrenzt. Das Land ist unter einer Schuldenlast von rund 20,8 Milliarden Euro begraben, allerdings wächst der Berg seit Kurzem nicht mehr, erstmals seit Jahrzehnten.
Über "sparen bis es quietscht" (Linnerts Vorgänger Ulrich Nußbaum) geredet wird in Bremen schon seit geraumer Zeit, ungefähr seit Bremen vom Geber- zum Nehmerland im Länderfinanzausgleich wurde. Das war 1970, seither wurde nur der Ton von Jahr zu Jahr etwas ernster. Während die Sparanstrengungen lange einen gewissen theoretischen Anteil hatten, also nicht immer entschlossen in die Praxis umgesetzt wurden, ist der praktische Anteil nach und nach gewachsen.
Nicht ganz freiwillig: Grund sind die Schuldenbremse und eine Konsolidierungsvereinbarung mit dem Stabilitätsrat. Sofern die Auflagen dieses vom Bundesfinanzministerium eingesetzten Kontrollgremiums erfüllt werden, bekommt Bremen jährlich Sanierungshilfen in Höhe von 300 Millionen Euro. Die letzte Etappe des Sanierungspfads ist angebrochen, und die niedrigen Zinsen und die hohen Steuereinnahmen mildern ihre Schrecken.
Die strukturellen Nachteile bleiben jedoch, wenn die Zinsen wieder steigen und/oder die Steuereinnahmen sinken sollten: Die finanzielle Schieflage ist nicht nur dem Niedergang wichtiger Branchen geschuldet, sondern auch der Sonderrolle als Stadtstaat und der Lohnsteuerzerlegung nach dem Wohnortprinzip.
Der Name Speckgürtel hat um Bremen besondere Berechtigung – Bremen und Bremerhaven versorgen Bewohner aus dem Umland mit Arbeit, Ärzten, Krankenhausbetten und Kultureinrichtungen, profitieren jedoch nicht von der Lohnsteuer. Das hat das Bundesverfassungsgericht Bremen quasi schriftlich gegeben, die "unverschuldete Haushaltsnotlage" wurde zum geflügelten Wort und brachte Bremen Sonderzahlungen in Höhe von 8,5 Milliarden Euro ein.
Ein Teil der finanziellen Dauerkrise ist indes hausgemacht: Auf die geschickte Werbung der Umlandgemeinden für Bau- und Gewerbegebiete wurde spät reagiert; Klientelpolitik, Wahlgeschenke und Ressort-Egoismen standen der nötigen Konsequenz im Weg. Als Antwort auf die Stahl- und Werftenkrise wurde der Öffentliche Dienst aufgeplustert.
Das Jahr 2020 bildet den Silberstreif am Horizont. Der neue Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern sowie Sanierungsbeihilfen bringen Bremen 487 Millionen Euro ein, mindestens für 15 Jahre. 80 Millionen müssen der Schuldentilgung dienen, der Rest ist quasi frei verfügbar, sofern nicht planerisch schon ausgegeben.
Offenbar gelingt es Rot-Grün mit dem Rückenwind glücklicher Fügungen, dass Bremen von 2020 an ohne neue Kredite auskommt. Kann man damit eine Wahl gewinnen? Viele Bremer haben die Einsparungen zu spüren bekommen. Es ist zumindest viel verlangt, dass Entscheidungen honoriert werden, die abstrakt bleiben und vielleicht erst für die Kindeskinder offenkundig Wirkung entfalten.