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Bremen Der Ring um die Innenstadt schließt sich

Beim Bremer Wall ist die Sache klar, er wird zur Einbahnstraße. Zwei statt vier Fahrspuren sind es in Zukunft in der Martinistraße. Und für die Bürgermeister-Smidt-Straße bahnt sich ebenfalls ein Rückbau an.
09.03.2022, 05:00 Uhr
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Der Ring um die Innenstadt schließt sich
Von Jürgen Hinrichs
Inhaltsverzeichnis

Auf dem Osterdeich durchgängig Tempo 30 oder 40, die Martinistraße zweispurig, die Bürgermeister-Smidt-Straße ebenfalls, und der Wall kennt für die Autofahrer nur noch eine Richtung, er wird zur Einbahnstraße. Dieses Szenario ist teils bereits Wirklichkeit, teils steht es bevor. Noch ringt die Koalition zwar um Details, zuletzt bei einem Spitzentreffen der Fraktionen mit Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne), die Richtung steht aber fest: Weniger Autos in der Innenstadt, am besten keine, sagen die Grünen. Bis zum Sommer soll es dazu entsprechende Festlegungen geben.

SPD, Grüne und Linke sind unter Druck. Sie wollten mit ihren verkehrspolitischen Vorhaben eigentlich schon viel weiter gekommen sein. Wenn in gut einem Jahr das Parlament neu gewählt wird, soll bei diesen Themen für die drei Parteien ordentlich was auf der Habenseite stehen. Besonders die Grünen sind daran interessiert, weil Mobilität und Umwelt zu ihren Kernbereichen gehören und sie im Senat das zuständige Ressort besetzen. Trotzdem hat es lange an Ergebnissen gemangelt, die Behörde gibt das zu: "Es wird selbstkritisch eingeräumt, dass insbesondere die Umsetzung des Verkehrsentwicklungsplans (VEP) deutlich hinter den selbst gesteckten Zielen zurückbleibt", heißt es in einem internen Schreiben an Behörden und Verbände, das dem WESER-KURIER vorliegt. Grund seien die fehlenden personellen und finanziellen Ressourcen.

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"Der Prozess stockt", hatte die Linke bereits im Dezember beklagt, "uns geht das nicht schnell genug." Beispielhaft wurden in der Stellungnahme Projekte wie Domsheide, Martinistraße und die mögliche Verlegung der Straßenbahn von der Obernstraße in die Martinistraße benannt. Die Klimakrise erfordere neue Ansätze bei der Mobilität. Der Straßenverkehr sei der einzige Sektor, dessen CO2-Ausstoß sich seit 1990 nicht verringert habe. Aufs Tempo drückt bei dem Thema auch die CDU. Wie alle anderen Fraktionen in der Bürgerschaft trägt sie den VEP mit und pocht nun darauf, dass die Arbeit daran nach fast einjähriger Pause endlich fortgesetzt wird, wie es in einem Antrag für das Parlament heißt. 

Der Verkehrsentwicklungsplan stammt aus dem Jahr 2014 und wird gerade aktualisiert. Nach einer Entscheidung des Senats von November 2019 soll er bis zum Jahr 2030 fortgeschrieben werden. Punkte wie der Ausbau des ÖPNV und eine bessere Anbindung von Busse und Bahnen an das Umland sind dabei weitgehend unstrittig. Konflikte gibt es noch bei den Bedingungen für das stadtweite Parken und für den Autoverkehr in der Innenstadt. Darüber wird zwischen den Koalitionsfraktionen zurzeit verhandelt. Sobald ein Ergebnis vorliegt, soll es Basis für einen modifizierten VEP sein. Den Schlusspunkt der Beratungen des großen Plans setzt der Projektbeirat, der dem VEP angeschlossen ist. Neben den Bürgerschaftsfraktionen sind dort senatorische Behörden, die Handelskammer und Vertreter des ADAC, des ADFC und der Umweltorganisation BUND vertreten.

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„Bei der Fortschreibung des Verkehrsentwicklungsplans befinden wir uns innerhalb der Koalition auf der Zielgeraden", erklärt SPD-Fraktionschef Mustafa Güngör. Insgesamt sehe seine Partei hohe Übereinstimmung, ein paar offene Fragen gebe es allerdings noch. Güngör wird in seiner Stellungnahme nicht konkret, deutet aber an, wo nach wie vor Dissens besteht: "Wir sind guter Hoffnung, dass wir auch bei den strittigen Fragen im innerstädtischen Bereich eine gemeinsame Vorgehensweise finden."

Die Punkte im Einzelnen:

Wall

Die Straße Am Wall wird ab Anfang Juni vom Tiefer bis zum Doventor zur Fahrradroute umgebaut und bleibt für Autofahrer Einbahnstraße. Die Poller sollen entfernt werden, um mehr Platz für Fußgänger und Geschäftseingänge zu schaffen. Nach Plänen der Bau- und Verkehrsbehörde werden neue Lieferzonen eingerichtet und Freiräume für Gastronomie geschaffen, zulasten von Parkplätzen. Das Glasdach soll bis zum Herdentor verlängert werden. Außerdem ist eine Passage von den Wallanlagen durch das Wallkontor in die Museumstraße und zum Schüsselkorb geplant. Hinzu kommen könnten weitere Durchstiche an anderen Stellen.

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Martinistraße

Die vierspurige 800 Meter lange Magistrale vom Tiefer bis zur Brillkreuzung unterliegt seit 24. Juli vergangenen Jahres einem Verkehrsversuch, der am 18. April endet. In verschiedenen Phasen wurden Szenarien wie eine Vollsperrung und eine Einbahnstraßenregelung für einen Teil der Verbindung erprobt, begleitet von einem Aktions- und Unterhaltungsprogramm. Nach Auswertung des Versuchs werden die parlamentarischen Gremien über die Neugestaltung entscheiden. Als hoch wahrscheinlich gilt, dass zunächst keine Einbahnstraße kommt, wohl aber der endgültige Rückbau auf zwei Fahrbahnen und Tempo 30. "Die Zweispurigkeit hat am besten funktioniert", sagt Ralph Saxe, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Wie meist bei verkehrspolitischen Fragen sollte auch hier der stadtplanerische Zusammenhang bedacht werden: Die Anbindung der City an Weser und Schlachte. "Der Rückbau der Martinistraße muss deshalb von starken Querungen ergänzt werden", fordert der Abgeordnete.

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Bürgermeister-Smidt-Straße

Das nächste Projekt für ein Band nur noch schmaler Fahrbahnen rund um die Innenstadt wäre die Bürgermeister-Smidt-Straße. Die Grünen können sich nach eigener Aussage vorstellen, zunächst eine sogenannte Protected Bike Lane einzuführen, also Fahrbahnen für den Autoverkehr zu sperren, um sie allein den Radfahrern zur Verfügung zu stellen. Die SPD zögert dem Vernehmen nach noch, diesen Weg mitzugehen. "Der Autoverkehrsraum in der Bürgermeister-Smidt-Straße ist aberwitzig überdimensioniert", sagt Grünen-Mann Saxe. Er verweist auf den bestehenden Verkehrsentwicklungsplan, der nicht nur die Neugestaltung der Straße beinhalte, die zur Brill-Kreuzung führt, sondern auch die Fortsetzung des Rückbaus über die Weserbrücke bis in die Langemarckstraße hinein. Zu den noch vagen Plänen für die Bürgermeister-Smidt-Straße gehört auch eine neue Straßenbahnhaltestelle in Höhe Wandschneiderstraße, einer Gasse, die zum Ansgarikirchhof führt.

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Osterdeich

Die zweispurige Straße entlang der Weser ist ein Flickenteppich, mal Tempo 50, mal Tempo 30, je nachdem, wo es mit Kindergarten, Schule oder Seniorenheim eine besonders schützenswerte Einrichtung gibt. Schwierig für Autofahrer, den Überblick zu behalten. Die Beiräte fordern seit Langem, Tempo 30 durchgängig zur Regel werden zu lassen. Für die Grünen passt das in ihr Konzept, große Bereiche der Stadt mit dieser Obergrenze zu belegen und Tempo 50 nur ausnahmsweise und auf den Ausfallstraßen zu erlauben. Von der SPD, ist zu hören, kommt ein anderer Vorschlag: Tempo 40, wie es zum Beispiel in der Frankfurter Innenstadt seit einem Jahr die Regel ist. Am Main war dafür die Luftqualität ausschlaggebend.

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