Das 20. Internationale Festival Maritim ist am Freitag kurz vor Hochwasser mit Reden voller Superlative gestartet: 600 Bands sind in den zwei Jahrzehnten vor zusammen rund 1,5 Millionen Besuchern aufgetreten und haben 4000 Konzerte gespielt. So lautet schon zum Start die Bilanz von Werner Pohlmann. Er ist Vorsitzender des Vegesack Marketings, das das Musikereignis veranstaltet. Das Festival sei eine richtige Marke geworden, betont Bremens Bürgermeister Carsten Sieling vor den drei Glockenschlägen zur Festivaleröffnung.

Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) bei seiner Eröffnungsrede.
Dann spielen allerdings nicht „Pyrates!“ aus den Niederlanden auf. Die Piraten sind auf der Autobahn stecken geblieben, die Schweizer Gruppe „Tortilla Flat“ hat die 950 Kilometer Anfahrt von Bern besser hingekommen und legt um 19.30 Uhr mit gleich drei Dudelsackspielern voll los. An der Bühne im Stadtgarten am Vegesacker Balkon ist es zu dem Zeitpunkt ordentlich laut.
An der nahen Promenade hat aber auch das Bremer Ukulelenorchester schon sein Publikum gefunden. "Tobermore" aus den Niederlanden auf der Utkiekbühne hören sich mit all den Fideln und Handtrommeln sehr irisch an. Der Utkiek präsentiert sich in diesem Jahr neu gestaltet: Mit deutlich größerer Weinlounge und einer transparenten Piratenbar, durch die man auf den Dreimaster „Schulschiff Deutschland“ gucken kann.
Dorthin zu kommen ist am ersten Abend allerdings anfangs nicht so leicht, weil die Hafenbrücke hitzebedingt bis zur Abkühlung im Schatten offen bleiben musste. Vielleicht wird am Sonnabend die Feuerwehr ausrücken und das Bauwerk mit Wasser zurückkühlen, heißt es vonseiten der Hafenverwaltung. Auf dem Weg kann man allerdings auch schon durch den Spezialitätenmarkt aufgehalten werden.
Überhaupt hat das Festival Maritim im 20. Jahr seines Bestehens kulinarisch noch einmal einen draufgesetzt: Handbrot, Fleischspieße, Veggie-Stände und selbst die Fischbrötchenauswahl hat mit dem kleinen Steinbeißer im Brötchen zugelegt. Die Stärkung braucht es für den späteren Festivalabend, wenn die Folkrocker kommen: „Celkilt“ aus Frankreich oder „The Clan“ aus Italien sind wie die „Pyrates!“ oder „Harmony Glen“ aus den Niederlanden nicht angetreten, um das Publikum still sitzen zu lassen.
Voller Sehnsucht nach Meer
Und so geht es am Wochenende weiter: Am Sonnabend verwandelt sich zunächst Vegesack ab zehn Uhr in die Seefahrerstadt zurück, die sie vor 150 Jahren noch war: Mit der Musik der Seemannsspelunken an jeder Ecke. An fünf Orten in der Fußgängerzone wird gesungen – vom Walfang, dem harten Leben auf den segelnden Heringsloggern und den Heimathäfen in aller Herren Länder. Das funktioniert nach dem Rotationsprinzip, an dem 18 Bands beteiligt sind, die ohne große Technik auskommen.
Mitten in der Gerhard-Rohlfs-Straße bezaubern ab 10 Uhr „Unicorn“ mit mehrstimmigem Gesang voller Sehnsucht nach Meer. Gleichzeitig eröffnen „De Kaapstander“ aus den Niederlanden mit bester Laune die Party auf dem Sedanplatz. Um 12.15 Uhr kann man sich in der Breiten Straße das Straßenkonzert der Festival-Mitbegründer von „Hart Backbord“ in den Festivalplaner notieren. Und so weiter. Verpasst man eine Gruppe an einem Standort, muss man ihr nur schnell hinterherziehen. Und wer von einem Act besonders angetan ist, kann sich die Musiker gleich mehrfach anhören.
So ähnlich funktioniert das Festival Maritim auch an den Abenden: Wer am Auftaktabend etwa „Harmony Glen“-Fan geworden ist, kann sich am Sonnabend und Sonntag schon die nächsten Auftritte der Gruppe gönnen. So schafft das Festival Maritimauch mit nur 30 Gruppen gute 170 Konzerte. Wobei der Festivaltipp schlechthin lautet, immer mal abseits der Hauptbühnen zwischen Stadtgarten und Hafenwald zu lauschen: Sonnabend und Sonntag gibt es zwischen 20 und 22 Uhr jeweils zwei Gruppen, die auf der Weserfähre zwischen Vegesack und Lemwerder auftreten.
Um Mitternacht ist an den Festivaltagen Schluss: Allerdings beenden am Sonntag die Donnerschläge eines Höhenfeuerwerks das Festival Maritim, abgefeuert am Ufer in Lemwerder, direkt gegenüber dem Vegesacker Stadtgarten. Dann werden sich wieder Hunderte Musiker auf der großen Bühne in den Armen liegen und das Farewell für das Festivalsingen: Wobei man „Leaving of Liverpool“ im 20. Festivaljahr ruhig einmal umbenennen könnte in „Leaving of Vegesack“.