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Bremer Eisfabrik Huxmann Als der Eismann mit der Pferdekutsche kam

Lange Zeit ersetzte die Produktion der Eisfabrik Huxmann den Kühlschrank. Viele Bremer erinnern sich an das Stangeneis, das auch in Gaststätten eingesetzt wurde.
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Als der Eismann mit der Pferdekutsche kam
Von Frank Hethey

Sobald der Frühling anbrach und die Temperaturen kletterten, rumpelten sie wieder vermehrt über Bremens Straßen: die Pferdegespanne der Bremer Eisfabrik Huxmann. "Ich kann mich noch gut an die roten Eiswagen erinnern", sagt Peter Strotmann. Als Kind habe er oft zugesehen, wenn der Eismann das Stangeneis in die Gaststätten trug. Die einen Meter langen Stangen übten eine enorme Anziehungskraft auf ihn aus. "Besonders froh war ich, wenn beim Transport ein Eissplitter absprang. Denn da konnte ich so schön dran lutschen."

Dass es einmal eine Zeit ohne elektrische Kühlschränke gab, ist heute nur noch schwer vorstellbar. Hört man sich um, können sich allerdings nur wenige Zeitzeugen an einen heimischen Eisschrank erinnern. Zwar gab es auch Privathaushalte, an die Huxmann mindestens einmal wöchentlich sein Stangeneis auslieferte. "Das mussten wir dann selbst klein hacken", sagt Jutta Seibert. Im isolierten Eisschrank ihrer Eltern fand das Eis oben in einem eimerartigen Blechbehälter seinen Platz. "Dieser Behälter wurde danach mit dem Schmelzwasser herausgehoben." Gleichwohl galten Eisschränke vielfach als Luxusgut. Strotmann kann sich noch gut an einen Vormieter seines Altbremer Hauses in Schwachhausen erinnern. "Der hatte einen Eisschrank, den er auch noch lange benutzte", sagt der 76-Jährige. 

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Seine eigene Familie hatte keinen Eisschrank. Mussten Lebensmittel gekühlt werden, kamen sie in den Keller. Oder wurden draußen auf einem Bord vor dem Küchenfenster aufbewahrt, wie im Falle der Großmutter von Asmut Brückmann. "Zur Kühlung hat sie ein feuchtes Tuch darüber ausgebreitet", sagt er. Statt Lebensmittel mit klein gehacktem Stangeneis zu kühlen, wurden sie konserviert. Entweder durch Einwecken oder Trocknen, früher ganz übliche Verfahren im familiären Umfeld. Erst Ende der 1950er-Jahre habe es bei ihm zu Hause in der Neustadt einen Kühlschrank gegeben, erinnert sich Strotmann. 

Doch wohin ging denn nun eigentlich Huxmanns Stangeneis, wenn nicht überwiegend in Privathaushalte? Dankbare Abnehmer waren häufig in der Gastronomie oder der Lebensmittelbranche zu finden, gerade für die Kühlung von Bier war Stangeneis unerlässlich. Um größere Mengen verderblicher Ware zu kühlen, wählten die Betriebe aber auch gern den umgekehrten Weg – setzte warme Witterung ein, lagerte man sein Gut gern bei Huxmann ein. Die Kühl- und Gefrierräume der Firma boten reichlich Platz für Tausende von Tonnen an Nahrungs- und Genussmitteln. In den Sommermonaten herrschte ein reges Treiben vor den Toren der Firma Am Deich in der Neustadt.

Trotz schwerer Bombenschäden nahm die Firma Huxmann schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg wieder ihren Betrieb auf. Noch im Dezember 1960 stellte der WESER-KURIER die Firma Huxmann als "das größte Unternehmen dieser Art in Bremen und Nordwestdeutschland" vor. Von irgendwelchen Anzeichen einer Krise war im Zeitungsbericht nichts zu spüren. Im Gegenteil, die umfangreichen Lagerkapazitäten und die leistungsfähige Eisfabrik schienen die Zukunft zu sichern. Als drittes Standbein kam der Handel mit Brennmaterialien hinzu.   

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Die Anfänge der Traditionsfirma reichen zurück bis 1834. Damals gründete Christian Huxmann einen Vertrieb für Natureis. Das Problem: Schon früher war wegen oft milder Winter kein Verlass auf auskömmliche Eisernten in den heimischen Gewässern. Zudem nährte die katastrophale Hamburger Cholera-Epidemie von 1892 die Skepsis gegenüber Natureis. Auch in gefrorener Form misstraute man dem Wasser als Überträger tödlicher Bakterien. Als Konsequenz wurde in Bremen im März 1893 ein Bakteriologisches Institut gegründet. Zu dessen Hauptaufgaben gehörte die Kontrolle und Beratung eisproduzierender Betriebe.    

Einige Jahre später stieg Huxmann mit seinem Kristalleiswerk in die Kunsteisproduktion ein. Das künstlich produzierte Eis als Kristalleis zu bezeichnen, sollte wohl nicht nur auf die optische Klarheit anspielen, sondern auch als Qualitätsmerkmal verstanden werden. Nach Ansicht des Schifffahrtshistoriker Ingo Heidbrink, Verfasser eines Beitrags über die Geschichte des Natureises als Kühlmittel im neuen Bremischen Jahrbuch, übrigens kaum mehr als ein geschickter Werbetrick, um ein scheinbar höherwertiges Produkt teurer zu verkaufen.    

Dem Kristalleiswerk folgten 1908 drei Kühl- und Gefrierhäuser. Als Meilenstein der Firmengeschichte erwies sich 1911 die Gründung der "Eiswerke Huxmann Aktiengesellschaft". Zu diesem Zeitpunkt war die Firma noch an mehreren Standorten ansässig. Seinen endgültigen Sitz in der Neustadt bezog Huxmann erst nach dem Ersten Weltkrieg, als man die Anlagen der Bremer Brauerei AG Am Deich aufkaufte. Die Maschinen am alten Standort an der Bürenstraße veräußerte Huxmann 1920 an die Dampffischerei-Gesellschaft "Nordsee".

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Als regionaler Marktführer blieb die Firma unangefochten. Im Februar 1936 kam die Eisfabrik auf eine Tagesproduktion von 2500 Zentnern oder 5000 Blockeis, während das moderne Gefrierhaus von 1939 mit einer Kühl- und Gefrierfläche von 8000 Quadratmetern aufwartete. Nahezu 100 Mitarbeiter waren bei Huxmann beschäftigt. "Ohne diese Kühl- und Gefrierräume, übrigens die einzigen in der Stadt, hätte es ganz schlecht mit der Vorratshaltung an tiefgefrorenem Fleisch, aber auch von Butter und anderen Lebensmitteln ausgesehen", schreibt Strotmann in einem Beitrag über die Firmenhistorie. Auf dem Briefkopf der Firma rekelte sich ein Eisbär auf Stangeneis. "Keimfreies Kristall-Eis aus destilliertem Wasser", lautete der Werbeslogan.      

Vor besondere Herausforderungen stellte die Firma Huxmann kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs der angekündigte "Führerbesuch". Zur Einweihung der neuen Adolf-Hitler-Brücke am 1. Juli 1939 hatte der Namensgeber sein Kommen in Aussicht gestellt. Nach Rücksprache mit der Gefolgschaft teilte die Firma der Gewerbeaufsicht mit, man habe die Eisbelieferung auf den Folgetag verschoben, einen Sonntag. Der Grund: Am Tage des Führerbesuchs sei "mit großen Verkehrsschwierigkeiten zu rechnen". Womöglich hätte sich die Firma die Mühe sparen können. Hitler sagte seinen Besuch kurzfristig ab, ein Unwetter setzte die Straßen unter Wasser.

Kurz vor Kriegsende kam der Betrieb zum Erliegen. Doch bereits im Oktober 1945 wurden wieder erste Einlagerungen im Kühlhaus vorgenommen, die Eisproduktion lief im Juni 1946 an. "Dauernd drängen sich auf dem Hofe des Kühlhauses die Fahrzeuge, die Tomaten, Käse, gerupfte Hühner, Fleisch usw. anliefern", berichtete der WESER-KURIER in den Hitzetagen Anfang September 1949. Auch beim Lebensmittel-Transport auf der Schiene war das Kunsteis von Huxmann gefragt. Freilich erreichte die Belegschaft nicht mehr den Stand der Vorkriegsjahre, im Oktober 1956 zählte die Gewerbeaufsicht nur noch 55 statt ehemals 99 Beschäftigte. 

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Empfindliche Einbußen konnten ungünstige Witterungsverhältnisse mit sich bringen. Schlechtes Wetter war auch schlecht für Huxmann. Blieb es im Sommer kühl, brach der Absatz von Stangen- und Blockeis saisonal bedingt massiv ein. Die wenig erbaulichen Sommermonate hätten "einen Absatzrückgang von über 40 % naturgemäß zur Folge" gehabt, konstatierte 1956 die Gewerbeaufsicht. Schon im Vorjahr war die Behörde zur Auffassung gelangt, die wirtschaftliche Lage der Firma sei "beinahe als kritisch zu bezeichnen". Immerhin wies der Kohleverkauf keine roten Zahlen auf.     

In der Öffentlichkeit war Huxmann nicht zuletzt durch seine Pferdegespanne präsent. "Die Firma Huxmann gehört zu den wenigen Unternehmungen, deren Fahrzeugpark noch Pferdegespanne aufweist", vermerkte 1956 die Gewerbeaufsicht. Und dennoch: Durch den wachsenden Wohlstand in den Jahren des "Wirtschaftswunders" neigte sich die Zeit des Stangeneises dem Ende zu, der Siegeszug des elektrischen Kühlschranks war unaufhaltsam. So wie in der Familie Strotmann, die ihren Haushalt ab den späten 1950er-Jahren zusehends elektrifizierte. "Mit der Geburt meines Bruders bekamen wir nicht nur einen Kühlschrank, sondern auch eine Waschmaschine", sagt Strotmann.  

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Allem Anschein nach konzentrierte sich Huxmann zuletzt auf die Kühlhaus-Sparte. Im WESER-KURIER findet sich noch im Sommer 1980 eine Stellenanzeige. Gesucht wurden "zuverlässige Kühlhausmitarbeiter in Dauerstellung". Gleichwohl waren die Tage des inzwischen zu Haake-Beck gehörenden Traditionsbetriebs mit seinen verbliebenen 30 Arbeitern gezählt. Bei einer Besprechung mit den Behörden hatte der Geschäftsführer dem Betrieb bereits im August 1977 nur noch vier Jahre gegeben, "da er kaum noch Gewinn einbringt". 

Durch einen tödlichen Betriebsunfall sorgte die Firma im April 1979 ein letztes Mal für Aufsehen. Ein 34-jähriger Arbeiter wurde im Fahrstuhlschacht vom Aufzug erdrückt. In den WESER-KURIER schaffte es Huxmann danach nur noch einmal, als die Brauerei Beck & Co. im August 1985 eine Todesanzeige für einen langjährigen Mitarbeiter der Tochtergesellschaft "Eiswerk und Kühlhaus Huxmann" schaltete. Danach wurde es still um den Betrieb, der einst für die Vorratshaltung der Bremer Bevölkerung unverzichtbar gewesen war.

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