Frau Greve, nach dem „Tag der offenen Tür“ am 19. November ist erst einmal Schluss. Das Haupthaus des Focke-Museums schließt seine Dauerausstellung und macht erst Ende 2026 wieder auf. Wie geht es weiter, wenn die Türen erst einmal zu sind?
Anna Greve: Wir starten mit dem Einpacken der aktuellen Ausstellungsobjekte. Jedes Objekt hat ganz eigene Anforderungen, zum Teil werden wir mit externen Spezialisten zusammenarbeiten. Im Herbst 2024 müssen wir, wie bei einer Wohnung, die Räume besenrein an Immobilien Bremen übergeben. Alle Kollegen und Kolleginnen helfen mit, das heißt für einige, wie für das Aufsichtspersonal, werden sich auch die Aufgaben stark ändern.
Wie ist das für Sie? Ihre Arbeit verändert sich ja auch grundlegend.
Ich habe das Glück, dass ich als Volontärin, als ich im Museum angefangen habe, mit dieser Thematik schon zu tun hatte. Ich habe in den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden im Grünen Gewölbe gearbeitet, bevor es eröffnet hat. Dort konnte ich in die ganze Logistik, in das Baustellen-Management schon einmal reinschnuppern. Ich denke, jeder Museumsmensch hat in seiner Laufbahn mal so eine Phase. Aber man hat nur selten das Privileg so eine große Maßnahme von Anfang bis Ende zu begleiten. Auch wenn es für die Besucher schade ist, dass das Museum erst mal geschlossen bleibt, ist es für uns Museumsmacher auch eine Sache, auf die man sich freut.
Warum?
Die aktuelle Ausstellung ist jetzt seit 25 Jahren hier. Klar heißt es nun Abschiednehmen, aber man hat gleichzeitig die Chance, etwas Neues für die Nachwelt zu schaffen. Das ist eine Herausforderung und eine schöne Aufgabe.
Im Herbst 2024 werden die Räume besenrein übergeben, sagten Sie. Wie geht es dann weiter?
Danach werden bis etwa Herbst 2025 die zwei Innenhöfe des Museums überdacht – die Fläche, auf der ein neuer Museumsbereich mit einer Größe von mehr als 500 Quadratmetern entsteht. Anschließend wird die neue Ausstellung ins Museum eingebaut. Mit der Planung sind wir schon zu 90 Prozent fertig. Aber die Umsetzung dauert: Die Arbeit hat sich in den vergangenen zehn, zwanzig Jahren enorm verändert. Man muss Dinge, wie den Bau neuer Vitrinen zum Beispiel, EU-weit ausschreiben, das Vergaberecht beachten – das sind große Spezialherausforderungen.
Noch mal zurück zum Ausräumen: Fast 1100 Objekte packt man nicht mal eben schnell ein und stellt sie in die Ecke. Was passiert mit den ganzen Ausstellungsstücken?
Die empfindlichsten und wertvollsten Objekte behalten wir hier im Haus. Steinobjekte zum Beispiel kommen in unsere Außenmagazine. Wir haben für den Umbau auch ein weiteres Außenmagazin angemietet, in dem wir Sachen lagern können. Leider muss ja auch das Schaumagazin für die kommenden Jahre geschlossen werden, da es nur über das Haupthaus zugänglich ist. Aber auch dort in den Gängen werden wir Sachen lagern können.
Einige Objekte sind sehr groß und schwer. Wo liegen hier die größten Herausforderungen?
Eine Herausforderung ist zum Beispiel die 1,8 Tonnen schwere Silberpresse. Besonders kompliziert ist auch der Roland-Kopf. Sein Sockel ist im Boden verankert und muss da erst einmal rausgeholt werden. Er steht für die Bremer Freiheit und wird auch das Herz der neuen Ausstellung sein. Aber nicht nur die großen Objekte stellen uns vor Herausforderungen ...
Sondern?
Zum Beispiel auch unser kleinstes Ausstellungsstück, das Pfefferkorn. Es darf natürlich nicht verloren gehen. Es soll für die neue Ausstellung neu arrangiert werden, sodass man es auch gut sehen kann. Es wird in der Nähe des sogenannten "Karl" präsentiert werden, einem elf Meter langen Holzschiff aus der Gründungszeit Bremens. Aktuell lagert es noch im Magazin in Bremerhaven, aber es wurde in der Wachtstraße in Bremen ausgegraben und kommt für die neue Ausstellung zurück. Beide Objekte werden Teile eines neuen Bereichs zum Thema Handel.
Viele Objekte werden dauerhaft verschwinden. Gibt es besonders beliebte Objekte, von denen die Bremer und Bremerinnen nun Abschied nehmen müssen?
Ein Objekt, auf das wir verzichten müssen, ist das sogenannte Becks-Schiff. Etwa 70 Prozent der aktuellen Ausstellungsobjekte werden nicht mehr zu sehen sein. Wir müssen Platz gewinnen, um auch die Gegenwart darstellen zu können. Aktuell läuft die Erzählung von der Gründung Bremens bis in die 1970er-Jahre über den gesamten Rundweg. Alles von der Gründung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts konzentrieren wir in Zukunft im Südflügel. Im Ostflügel zeigen wir dann die Weimarer Republik und die Zeit des Nationalsozialismus. Beides wurde bisher nur angetippt und soll in Zukunft ausführlicher thematisiert werden. Und der ganze Nordflügel widmet sich dem 20. und 21. Jahrhundert. Die jüngere Geschichte Bremens wird plastischer erzählt. Darauf kann sich das Publikum freuen.
Was sind die Höhepunkte bei den neuen Objekten?
Durch den dazugewonnenen Platz wird es mehr als 1000 neue Objekte geben. Ein neues Hauptobjekt wird der über vier Meter hohe Wandteppich von der Bremen IV. Und es wird auch ein ganz modernes neues Objekt geben: einen Mercedes aus der EQ-Serie. Anhand des Modells sollen die Besucher Elektromobilität nachvollziehen können. Bei einigen neueren Themen überlegen wir gerade noch, wie man sie am besten zeigen kann. Das Thema Wasserstoffindustrie zum Beispiel. Wie soll man Wasserstoff attraktiv darstellen? Das Gleiche gilt für das Thema Raumfahrt. Auch, welche Rolle die Corona-Krise in der Ausstellung spielen soll, diskutieren wir noch. Je näher wir an die Gegenwart kommen, desto flexibler soll die Ausstellung gestaltet werden. Wir werden Teile so kuratieren, dass wir sie in zwei, drei Jahren noch einmal aktualisieren können.
Das heißt, die neue Dauerausstellung wird nicht wieder 25 Jahre bleiben, wie sie ist?
Nein, definitiv nicht. Wir werden in den einzelnen Bereichen sogenannte semi-permanente Zonen haben, wo wir im Jahresrhythmus Dinge verändern können.
Was genau wird in dem neuen Ausstellungsbereich, den jetzigen Innenhöfen, zu sehen sein?
Im Herzen des Museums stehen neben dem Bereich Wirtschaft und Technik die sozialen Netzwerke und das Thema Stadtentwicklung, mit einem Stadtmodell und der Weser im Zentrum. Es wird eine digitale Stadtkarte geben, die mithilfe der Bürger und Bürgerinnen weiter wachsen wird. Zusätzliche interaktive Angebote sind gerade noch in der Planung, definitiv wird es aber eine Wand geben, an der die Besucher gefragt werden, welche Themen für sie in Bremen am wichtigsten sind, sodass die Gegenwart diskutiert werden kann.
Eigentlich war im Rahmen des Umbaus auch ein Anbau für ein neues Bürgerforum geplant, in dem neben einem flexibel nutzbaren Veranstaltungsraum auch ein Foyer und ein Café Platz finden sollten. Diese Pläne wurden aus Kostengründen von der Stadt auf Eis gelegt. Rechnen Sie damit, dass der Ausbau irgendwann noch realisiert werden kann?
Ich gehe fest davon aus, dass das als zweiter Bauabschnitt noch kommen wird. Aufgrund der Baukostensteigerung mussten wir überlegen, wie wir mit dem zur Verfügung stehenden Geld sinnvoll arbeiten. Da ist es uns zugutegekommen, dass mehrere Module geplant waren. Wäre es nur um ein Gebäude gegangen und das Geld fürs Dach hätte nicht gereicht, wäre das schlimmer gewesen. So mussten wir uns entscheiden, was zuerst umgesetzt werden soll. Da waren wir uns mit den Geldgebern und auch als Team einig, dass die Ausstellung das Wichtigste ist.
Ist die Idee Bürgerforum also erst einmal vom Tisch?
Nein. Wir werden kurzfristig die Sanitäranlagen im Spieker barrierefrei umbauen können, sodass wir auch das Bauernhaus im Museumspark als Bürgerforum nutzen können. Der Beirat Schwachhausen wird sich finanziell an dem Umbau beteiligen und auch von der Karin-und-Uwe-Hollweg-Stiftung haben wir dafür Unterstützung erhalten. Immobilien Bremen hat uns sehr bei der schnellen Planung unterstützt, sodass wir alle Umbaumaßnahmen schon diesen Winter umsetzen können.
Welche Museumsangebote bleiben während der kommenden drei Jahre für Besucher bestehen?
Wir werden kommenden Sommer ein konzentriertes Gartenprogramm anbieten, Fockes Fest wird stattfinden. Wir werden das Haus Riensberg ins Zentrum führen, ein kleines Juwel, das viele Bremer vielleicht gar nicht so im Bewusstsein haben. Wir haben eine in ganz Norddeutschland wichtige Glassammlung. Im Haus Riensberg wird es nächstes Jahr eine Hoetger-Kabinettausstellung geben. Wir docken uns da an die Museen in Worpswede an, die anlässlich des 150. Geburtstages von Bernhard Hoetger eine Ausstellung zeigen. Außerdem werden wir einzelne Stadtlabor-Ausstellungen in andere Stadtteile bringen. Die aktuell noch zu sehende Ausstellung zum Thema Zwangsarbeit wird beispielsweise ab März 2024 im Bürgerhaus Vegesack gezeigt.