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Serie: Arbeiten an der Weser Mit Warhol begann sein Leben für die Kunst

Moderne Kunst, zärtlich umarmt von der Weser: das ist die Weserburg. Dort arbeitet Kurator Ingo Clauß. Andy Warhol begeisterte ihn schon mit zwölf Jahren, die Kunst fasziniert ihn bis heute.
09.08.2023, 05:00 Uhr
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Mit Warhol begann sein Leben für die Kunst
Von Björn Struß

Viele Bremer können von sich sagen, dass sie an der Weser arbeiten.  Schließlich ist der Fluss seit jeher die Lebensader der Stadt, der Garant für unzählig viele Arbeitsplätze. Aber wer kann schon von sich behaupten, tagtäglich von der Weser umarmt zu werden? Ingo Clauß arbeitet zwischen Weser und Kleiner Weser, auf der Spitze des Teerhof. Dort hat sich an der Bürgermeister-Smidt-Brücke in den vergangenen Jahrzehnten ein Treffpunkt der Kunst- und Kulturszene entwickelt: die Weserburg. Seit mehr als 15 Jahren wirkt Clauß hier als Kurator.

Wie viele Ausstellungen er in diesem Zeitraum konzipiert hat, weiß der 46-Jährige nicht. Er zählt nicht mehr mit. „Obwohl es eine lange Zeit am selben Ort ist, habe ich mich permanent mit wechselnden Themen beschäftigt“, sagt der 46-Jährige. Ständig könne er sich mit neuen Dingen beschäftigen, die er nicht verstehe. „Das ist die große Verheißung der Kunst, die mich bis heute fasziniert.“

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Clauß trägt ein unbedrucktes T-Shirt in dezentem Rot, der Dreitagebart ist leicht ergraut, dazu eine Halbglatze. „Mit verschränkten Armen fast wie Meister Proper“, scherzt er in Anspielung auf die Putzmarke. Der Kurator ist der Gegenentwurf zum extravaganten Kunstkenner. Damit passt er gut in ein Haus, das sich große Mühe gibt, nicht elitär zu sein.

Berührungsängste abbauen

Als Kurator arbeitet Clauß mit jeder Ausstellung auch daran, Berührungsängste abzubauen. Er will ein Publikum ansprechen, das im Optimalfall so divers ist wie die Gesellschaft selbst. Aber noch immer ist es eine Frage des Elternhauses, ob Kinder und Jugendliche ein Museum von innen sehen oder nicht. Deshalb schafft die Weserburg immer wieder neue Angebote, um gezielt Schulklassen anzusprechen.

„Bei unserem Projekt Weser-Book-Comics bewerben sich die Schulklassen nicht bei uns, sondern wir sprechen gezielt die Schulen an“, berichtet Clauß. Im Fokus stünden Grundschulen aus benachteiligten Stadtteilen. Dort müssen Familien oft mit wenig Geld auskommen, viele Eltern waren selbst noch nie in einer Ausstellung. Die Weserburg organisiert für die Schulklassen einen kostenfreien Besuch. Ein Comic soll es auch den Lehrkräften leichter machen, den Ausflug in den Kunstunterricht zu integrieren.

Clauß selbst hatte das Glück, mit seinen Eltern regelmäßig besondere Ausstellungen zu besuchen. „Der Funke ist übergesprungen, als ich im Jahr 1989 in Köln Bilder von Andy Warhol gesehen habe. Damals war ich zwölf“, erinnert sich der Kurator. Auch der Ort, das Museum Ludwig, und die Anreise aus Osnabrück habe die Ausstellung für ihn zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht.

Ein echter Warhol

Die Kunst von Warhol, der jüngst am 6. August seinen 95. Geburtstag gefeiert hätte, begeistert Clauß bis heute. Deshalb ist er stolz, in „seinem“ Museum einen echten Warhol präsentieren zu können. Das Blatt aus der „Flower“-Serie von 1964 hat ein handliches Format, für den Laien kommt es neben so manch überdimensionierter Skulptur schon fast unscheinbar daher.

Die knallige Pop-Kunst weckte in Clauß eine Begeisterung, die ihn bis heute durchs Leben trägt. Selbst probierte er sich in der Fotografie aus, wollte aber nie den Weg eines freischaffenden Künstlers einschlagen. Nach dem Kunststudium in Osnabrück und Frankreich entschied er sich bewusst für Bremen. „Als die Stelle frei wurde, wusste ich, dass das eine einmalige Chance ist“, erinnert er sich.

In der Welt der Kunst ist aus seiner Sicht einiges in Bewegung. Der Weg zum Beruf des Kurators führe nicht mehr zwingend über ein Kunststudium und entsprechende Praktika. „Inzwischen geht das auch sehr gut, wenn man aus der Politikwissenschaft, Soziologie oder Philosophie kommt“, schildert Clauß. Voraussetzung sei neben einem breiten Wissensschatz der Kunstgeschichte auch das Interesse, sich in aktuelle gesellschaftliche Debatten einzumischen. Auch die Weserburg will nach außen wirken, sie will anecken, anstatt nur zu gefallen. Für Clauß ist das Inspiration und Motivation zugleich: „Ich arbeite in einem Team, das mir das Gefühl gibt, gemeinsam etwas zu bewegen.“

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Archiv und Ausstellungsort zugleich

"Museum für moderne Kunst" – dieses Selbstverständnis trägt die Weserburg seit einigen Jahren als Teil ihres Namens. Was das bedeutet? Sie widmet sich allem, was ab den 1960er-Jahren entstanden ist. Es besteht eine eigene Sammlung, durch Kooperationen mit anderen Häusern können die Kuratoren bei der Planung neuer Ausstellungen auf einen großen Fundus zurückgreifen. Das Museum soll immer am Zahn der Zeit sein, der Blick richtet sich auf das Hier und Jetzt. Dieser Anspruch spiegelt sich auch im angegliederten Zentrum für Künstlerpublikationen wider. Es versteht sich als Forschungsinstitut, Ausstellungsort und Archiv zugleich. Gesammelt werden Bücher, Briefmarken, Filme, Videos, Schallplatten und Multimedia-Arbeiten. Diese stammen von über 3000 Künstlern aus der ganzen Welt.

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