Sie selbst nennen sich Mohamed Smith, Ihr echter Name bleibt ein Geheimnis. Wieso dieser Künstlername?
Mohamed Smith: Ich habe den weltweit häufigsten Vor- und Nachnamen gegoogelt und beides zusammengesetzt. Mir hat das gefallen, weil ein östlicher und ein westlicher Name vereint werden. Ganz nach dem Motto: Vertragt euch endlich alle. Eigentlich ist der Name aber auch total kontraproduktiv. Wenn ich damit irgendwann doch mal richtig berühmt und reich werden sollte, dann findet man mich online gar nicht zwischen all den anderen Mohamed Smiths.
Gefällt es Ihnen, dass die Medien Sie „Bremer Banksy“ nennen?
Ich fand es erst richtig scheiße. Aber das ist wie mit den Skulpturen. Wenn ich etwas in die Öffentlichkeit gebe, dann muss ich auch damit rechnen, dass die Leute etwas damit machen – beim "Mann mit Einkaufswagen" zum Beispiel den Einkaufswagen wegbrechen. Und dann werd’ ich halt auch Banksy genannt. Ich habe mittlerweile kein Problem mehr damit. Aber ich nenne mich selbst nicht so.
So weit hergeholt ist der Name aber nicht, im Grunde arbeiten Sie genau wie Banksy...
Ja, prinzipiell mache ich dasselbe wie er oder sie. Nur mit einem anderen Material, das vor allem auch sehr viel teurer ist.
Wie machen Sie das mit den schweren Skulpturen? Haben Sie Helfer?
Das meiste mache ich allein. Ich modelliere selbst, mache die Gussform, viel Nachbearbeitung, patiniere die Figuren. Ich würde sagen, ich bin ein gelernter, aber kein studierter Bildhauer. Aber ich gieße die Bronzen nicht selbst. Beim Aufstellen frage ich Freunde, und ich stelle die Sachen meist richtig dreist mitten am Tag auf. Wenn man eine Warnweste anhat und noch nett mit den Leuten quatscht, als wäre alles in Ordnung, dann denken die meisten Menschen: Okay, der darf das da machen und gehen weiter.
Sind Sie denn auch hauptberuflich, unter Ihrem echten Namen, Künstler?
Nein. Aber sagen wir mal, ich bewege mich im Entferntesten in dem Metier.
Erstmals sind Sie 2020 mit Ihrem „Mann mit Einkaufswagen“ in den Wallanlagen in Erscheinung getreten. Oder haben Sie schon vorher ohne Genehmigung Kunst aufgestellt?
Ich habe eine Graffiti-Karriere hinter mir. Mittlerweile mache ich da nicht mehr viel. Im Skulpturenbereich war der Einkaufswagen schon das erste. Eine Sprayer-Figur, die ich 2020 in Hamburg aufgestellt habe, ist aber noch davor entstanden. Beide habe ich schon 2016/2017 gefertigt.
Wieso machen Sie das Ganze? Sie verdienen damit kein Geld. Im Gegenteil, es kostet Sie sogar einiges.
Ursprünglich wollte ich Menschen im urbanen Raum sichtbar machen, die sonst keine Öffentlichkeit bekommen. Aber meine Intention hat sich ein bisschen gewandelt. Während Corona ist etwas anderes für mich wichtiger geworden, nämlich, dass Kultur eine Relevanz hat. Und ich bin für Gerechtigkeit. Mir ist es megawichtig, dass alle gleichbehandelt werden, weshalb ich auf Ungleichgewichte aufmerksam mache. Irgendwann würde ich damit natürlich schon gerne Geld verdienen. Zumindest so viel, dass ich davon leben kann. Es ist auch ein bisschen die Aufmerksamkeit, die mich antreibt. Aber eben auch mein Idealismus, den Menschen etwas Schönes zu geben.
Manchmal ist die Botschaft aber wichtiger als die Schönheit, oder? Zum Beispiel beim Schwein aus gepresstem containertem Billigfleisch, das Sie letztes Jahr in der Sögestraße aufgestellt haben.
Ja, das war echt ekelhaft und anstrengend. Aber ich fand es wichtig und würde es wieder machen. Selbst wenn das Schwein nur eine Person dazu gebracht hat, über seinen oder ihren Konsum nachzudenken, hat es sich schon gelohnt. Prinzipiell denke ich, ich bin ein Weltverbesserer. Das ist natürlich irrsinnig und größenwahnsinnig, aber ich habe trotzdem Hoffnung. Aber selbst wenn meine Kunst die Leute nur unterhält, ist es auch schön. Dann freuen sie sich für ein paar Minuten – auch das ist ein kleiner Lichtblick.
Zwei weitere Aktionen von Ihnen gab es in Bremen. Sie haben 2020 selbst gemachte Masken in Shops des Walle-Centers geschmuggelt und Anfang dieses Jahres über Instagram eine Kunst-Such-Aktion gestartet: Einmal pro Woche haben Sie einen Hundehaufen aus Bronze in der Stadt versteckt. Warum Hundehaufen?
Ich wollte etwas im urbanen Raum schaffen, um das man eigentlich eher einen Bogen macht und wo man lieber nicht hinguckt. In diesem Fall waren es aber sehr wertvolle Haufen. Es war ein kleiner Aufruf, nicht immer nur aufs Handy zu gucken, sondern vielleicht mal wieder mehr auf seine Umwelt zu achten.
Hier wurde Ihre Kunst bisher sehr positiv aufgenommen, in Köln allerdings haben Sie wegen einer Skulptur zuletzt ein wenig Ärger bekommen…
Genau. Ich habe einen Pinguin aufgestellt, der an die Opfer der Gezi-Park-Proteste in Istanbul erinnern soll. 2013 gab es dort einen Aufstand, weil in dem Park Hotels gebaut werden sollten, wogegen ein paar Leute friedlich demonstriert haben. Die Demos wurden von der Regierung brutal zergeschlagen, was zu landesweiten Protesten ausgeartet ist. Menschen kamen ums Leben. Anstatt die Proteste zu zeigen, haben die Medien Pinguindokus gezeigt, wodurch der Pinguin für die Protestler und Protestlerinnen zu einem Revolutionssymbol wurde. Ich habe Köln ausgewählt, weil dort im Verhältnis zur Einwohnerzahl die meisten Türken und Türkinnen leben. Aber das Ordnungsamt hat ihn sehr schnell wieder abgebaut. Ich würde ihn gerne irgendwo hinstellen, wo er bleiben kann.
Da gibt es allerdings ein Problem...
Ja. Die Stadt Köln will 3200 Euro für Reparaturen am Boden und einem Geländer haben, damit ich meinen Pinguin quasi freikaufen kann. Leider wurde die Figur früher vom Amt entfernt als angekündigt, sonst hätte ich die Schäden selbst behoben. Erst wollte die Kölner Kulturbehörde den Pinguin freikaufen und ihn temporär irgendwo aufstellen, aber leider wurde nichts daraus. Also liegt es nun an mir. Ich habe das Geld aber nicht, habe aber unter gofundme.com/f/rettet-den-pinguin ein Crowdfunding gestartet. Wenn ich das Geld zusammenbekomme, würde ich ihn gerne in Bremen aufstellen.
Müssen die Bremer Behörden dann Angst haben, dass auch hier etwas kaputtgeht?
Nein, ich bin sehr vorsichtig. Das habe ich ja mit dem Einkaufswagen-Mann und dem Sprayer in Hamburg schon bewiesen. Ich suche immer Orte aus, die gut beleuchtet sind, sodass niemand gegen die Skulptur läuft oder sich verletzt. Klar, ich muss die Sachen befestigen, sonst klaut sie jemand. Aber ich suche immer Böden, die man auch leicht wieder zumachen kann.
Sind bereits weitere Kunstaktionen geplant?
Ja, ich will im Dezember noch eine Aktion machen, wahrscheinlich online. Es wird eine Art Lotterie, die auch etwas mit Bronze zu tun hat. Aber dazu ein anderes Mal mehr. Im Grunde habe ich genug Ideen und fertige Kunst – auch Bilder -, um damit zwei Ausstellungen zu machen. Es gibt also noch mehr Kunst von mir, die noch niemand gesehen hat.
Wollen Sie so weitermachen wie bisher oder besteht die Chance, dass Sie sich doch irgendwann zu erkennen geben?
Meine Aktionen müssen schon ein bisschen provokant und plakativ sein, damit sie von möglichst vielen Menschen wahrgenommen und verstanden werden. Ich selbst will nicht im Mittelpunkt stehen. Ich will das also schon so weitermachen. Das ist ja auch ein Teil meiner Kunst.