Frau Cerna, zum ersten Mal finden in Bremen Odessa-Tage statt. Sie organisieren sie mit. Wie kam es dazu?
Libuse Cerna: Seit dem Sommer gibt es die Städtepartnerschaft zwischen Bremen und der Region Odessa, mit der unsere Stadt ihre Solidarität mit der Ukraine nach dem russischen Angriffskrieg bekundet. Die ukrainischen Partner wünschten sich natürlich, dass die neue Partnerschaft öffentlich sichtbar wird. In Bremen hat sich seit Beginn des Krieges ein gutes Netzwerk gebildet. Bei einem Treffen in der Senatskanzlei haben sich dann Renate Heitmann von der Shakespeare Company, die Gastronomin Natalie Shtefunyk von "Bab' Maria" in der Markthalle acht und der Kulturhof Peterswerder, den ich diesmal vertrete, bereiterklärt, aufgrund unserer Erfahrung in diesem Jahr ein Kulturprogramm zu organisieren. Ein weiterer Wunsch der Gäste aus Odessa war, dass es im November stattfindet, weil die Ukraine am 26. November den Gedenktag an den Holodomor begeht, die gezielte Tötung von Millionen Ukrainern durch Hunger 1932/33 unter Stalin.
Welchen kulturellen Anlass gab es für das Programm?
Die Generalkonsulin der Ukraine in Hamburg, Iryna Tybinka, empfahl der Senatskanzlei die Künstlerin Angela Kushchyk, die aus Kiew stammt und in Hamburg lebt. Die Malerin hat im Februar 2022 ihre Eltern und ihre erwachsene Tochter in Kiew besucht und die ersten Wochen des russischen Angriffskriegs in den Kellern der Stadt miterlebt. Unter dem Eindruck der Raketenangriffe brachte sie im Bunker sehr eindrucksvolle Tuschzeichnungen zu Papier. Die Arbeiten wurden inzwischen mit dem Europäischen Kunstpreis in München ausgezeichnet und waren in Polen, Österreich, Irland und Deutschland zu sehen. Wir haben sie für den Flyer verwendet und stellen sie bis 19. November in der Galerie Am Schwarzen Meer aus. Angela Kushchyk kommt zur Eröffnung am 10. November um 18 Uhr. Diese Ausstellung bildet den Rahmen der Odessa-Tage.
Was findet außer dem Künstlergespräch noch in der Galerie statt?
Es gibt am 11. November um 17 Uhr eine Diskussion mit Christoph Sodemann, dem Geschäftsführer des gemeinnützigen Vereins constructify media, der für konstruktiven Journalismus eintritt. Dabei geht es um die Frage, wie man in Kriegszeiten einen lösungsorientierten Journalismus betreiben und was man überhaupt noch als glaubhaft formulieren kann. Und am 12. November, ebenfalls um 17 Uhr, werden ukrainische Texte vom 19. Jahrhundert bis heute vorgetragen – auf Ukrainisch und auf Deutsch. Dabei soll daran erinnert werden, dass das so hart getroffene Butscha auch eine Schriftstellerkolonie war. Das ist das erste Wochenende, alles bei freiem Eintritt.
Wie geht es weiter?
Zunächst mit einem Gottesdienst am 15. November im Dom. Am zweiten Wochenende, am 17. und 18. November um 20 Uhr, zeigen wir dann im City 46 – jeweils mit Einführung – den Spielfilm "Red Secrets – Im Fadenkreuz Stalins" von Agnieszka Holland. Darin wird der Holodomor aus Sicht eines Journalisten dieser Zeit geschildert, dem damals niemand glauben wollte und den der russische Geheimdienst kurze Zeit nach seinem Aufenthalt in der Sowjetunion ermordet hat. Die Regisseurin kann leider nicht kommen, aber die Drehbuchautorin Andrea Chalupa hat uns eine Videobotschaft aus New York geschickt, in der sie erzählt, wie sie Erfahrungen ihres Großvaters verarbeitet hat. Zum Finale am Sonntag, 19. November, stellt die Shakespeare Company um 11 Uhr ihr dreisprachiges EU-Projekt "We are Hamlet" vor, das sie 2024 mit Theatern in Odessa und Prag durchführen wird. Abends folgt am Leibnizplatz eine Benefizveranstaltung mit einem ukrainischen Drei-Gänge-Menü. Denn Spenden sind weiterhin sehr wichtig.
Werden die Odessa-Tage danach jedes Jahr stattfinden?
Davon gehe ich aus. Nur müssen die Impulse aus der Gesellschaft kommen. Für 2024 hat der Bremer RathsChor sein Interesse angekündigt, der zweimal in Odessa aufgetreten ist. Themen gibt es genug, und die ukrainische Community in Bremen ist groß.
Das Gespräch führte Sebastian Loskant.