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Sicherheitsdebatte ums Freibad "Immer erst mal an die Vernunft appellieren"

Deutschland diskutiert über Sicherheit in Freibädern und auch Bremen setzt dieses Jahr erstmals einen Wachdienst ein. Wie sieht der Alltag rund um den Beckenrand aus? Unterwegs mit einem, der es wissen muss.
06.08.2022, 05:00 Uhr
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Von Kristin Hermann

Die Warteschlange ist der erste Ort im Freibad, an dem es hitzig werden kann – im doppelten Sinne. Der Deutsche Wetterdienst hat für Bremen eine Warnung herausgegeben: starke Wärmebelastung. Das Thermometer zeigt mehr als 30 Grad. Diejenigen, die vor dem Schloßparkbad in Sebaldsbrück warten, hoffen auf schnelle Abkühlung, doch mitunter kann das etwas dauern. Zwischen 1000 und 4000 Menschen besuchen das Bad an heißen Tagen wie diesen. Da kann es beim Einlass schon mal zu Spannungen kommen.

Die Mitarbeiter versuchen deshalb, möglichst früh zu entzerren, indem sie etwa einen zweiten Eingang öffnen oder Jugendliche schon an dieser Stelle auf die Baderegeln hinweisen. Neben der Sicherheit im Becken sind sie permanent gefordert, auch außerhalb für einen möglichst reibungslosen Ablauf zu sorgen.

Ganz Deutschland diskutiert in diesem Sommer über die Sicherheit in Freibädern. Schuld daran sind vor allem Gewaltausbrüche und Vorfälle sexueller Belästigung, von denen man aus einzelnen Bädern in der ganzen Republik hört. Besonders geladen war die Stimmung zuletzt in einigen Berliner Badeanstalten, in denen es mehrfach zu Massenschlägereien kam. Auf einem im Internet kursierenden Video von Ende Juni aus dem Sommerbad Neukölln sieht man etwa, wie sich etliche junge Männer mit Migrationshintergrund prügeln. Aufnahmen wie diese führen auch immer wieder zu Integrationsdebatten.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) brachte nach den Vorfällen in Berlin mehr Polizeipräsenz ins Spiel. "Für mich ist wichtig, dass der Rechtsstaat durchgreift", sagte Faeser Anfang Juli zur "Bild"-Zeitung. "Familien mit Kindern oder Jugendliche müssen unbeschwert ins Schwimmbad gehen können in Deutschland." Wenn solche Vorkommnisse einen migrantischen Hintergrund hätten, wie offenkundig in Berlin, sei es wichtig, das zu benennen.

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Wie berichtet, setzt auch Bremen dieses Jahr erstmals einen privaten Sicherheitsdienst als Unterstützung ein. Zwar sei die Situation nicht annähernd mit der in Berlin zu vergleichen – in Bremen sind nach Angaben der Bäder und der Polizei die Vorfälle nicht gestiegen – doch die Qualität habe sich verändert, hatte Bäder-Chefin Martina Baden dem WESER-KURIER gesagt. Verbale Ausfälle, aber auch Handgreiflichkeiten und das Anspucken von Mitarbeitern seien keine Seltenheit mehr.

"Die Leute sind empfindlicher und ichbezogener geworden"

Doch was bedeutet das für den hiesigen Schwimmbadbesuch? Uwe Käsebier sollte es wissen. Knapp 30 Jahre ist er bei den Bremer Bädern angestellt und hat währenddessen nahezu in allen Schwimmbädern der Stadt gearbeitet. Inzwischen hat der 63-Jährige die sogenannte Poolleitung für den Bereich Bremen-Ost übernommen und ist für die Vernetzung der dortigen Bäder verantwortlich.

Das "Schlossi", wie viele Bremer das Schloßparkbad liebevoll nennen, besuchen viele Familien, sagt Käsebier. In den beiden großen Schwimmbecken und auf den angrenzenden Wiesen treffen die verschiedensten Kulturen und Menschen aufeinander – in der Regel läuft das friedlich ab. Auch an diesem Tag Mitte der Woche. Das Bad ist um 13 Uhr bereits gut gefüllt, doch die Mitarbeiter der Bremer Bäder erwarten im Laufe des Tages noch deutlich mehr Badegäste. Was für die Besucher Freizeitspaß ist, bedeutet für das Personal harte Arbeit. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen ihre Augen möglichst überall haben, sie sind über Funk miteinander verbunden, um sich auf dem Laufenden zu halten, und um im Zweifel schnell Unterstützung anzufordern.

"Alles, was in der Gesellschaft gut und schlecht läuft, spielt sich bei uns auf engstem Raum ab. Hinzu kommt, dass man sich hier zwangsläufig sehr nahekommt, die Sonne tut ihr übriges", beschreibt Käsebier die Gemengelage. In den seltensten Fällen käme es tatsächlich zu handfesten Streitereien, so wie im vergangenen Jahr, als eine Gruppe nach einem Platzverweis voller Frust Abfalleimer ins Becken geworfen habe. "Aber die Leute sind empfindlicher und ichbezogener geworden", sagt der Poolleiter. So sei es zu seiner Anfangszeit vor 30 Jahren normal gewesen, sich nicht mit dem Schwimmmeister anzulegen. "Das war eine unausgesprochene Regel", sagt er. Heute werde mehr und respektloser diskutiert, Unbeteiligte mischten sich schneller ein.

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Käsebier grüßt bei seiner Runde durchs Bad im Vorbeigehen seinen Kollegen Matthias Sowa-Schurig. Viel Zeit für Plaudereien bleibt jedoch nicht, der Schwimmmeister wird am Beckenrand und an den gut gefüllten Sprungtürmen gefordert. Seine Devise: „Immer erst mal an die Vernunft appellieren und Ruhe ausstrahlen. In den meisten Fällen reicht das schon“, sagt er. Wer es dann nicht verstehe, müsse in letzter Konsequenz das Bad verlassen, fügt Käsebier hinzu.

Deeskalationsschulungen sollen sensibilisieren

Dass der Ärger schwerpunktmäßig von bestimmten Gruppen mit migrantischem Hintergrund ausgehe, so wie es in Berlin diskutiert wird, kann Käsebier nicht bestätigen. "Das geht quer durch die Bank", sagt er. Nichtsdestotrotz gebe es Situationen, in denen der kulturelle Hintergrund eine Rolle spiele. Zum Beispiel, wenn rivalisierende Gruppen aneinandergeraten, oder einzelne Jugendliche oder Männer keine Anweisungen von weiblichen Angestellten befolgen wollen. Sorgen bereiten den Fachleuten zudem Zugewanderte, die in ihren Heimatländern keinen Schwimmunterricht hatten, sich aber dennoch ins Wasser wagen.

Um auf kritische Situationen souverän eingehen zu können, nimmt das Personal der Bremer Bäder regelmäßig an Deeskalationsschulungen teil. "Dort greifen wir aktuelle Entwicklungen auf. Während der Flüchtlingswelle 2015/2016 haben wir etwa das Thema behandelt, dass uns bekannte Handzeichen in anderen Kulturen etwas komplett anderes bedeuten können. Darauf müssen wir uns bei unserer Arbeit einstellen", sagt Käsebier.

Der private Wachdienst ist an diesem Tag nicht im Schloßparkbad im Einsatz. Er unterstütze nur, wenn es personell eng werde und das reguläre Personal Entlastung benötige. "Die Fachkräfte sollen sich auf den Betrieb im Schwimmbecken konzentrieren können", sagt Käsebier. Die Sicherheitskräfte sollen dagegen vor allem auf den Liegewiesen Präsenz zeigen und dort für die Besucher ansprechbar sein. Das Bild einer polizeiähnlichen Streife wolle man damit aber nicht vermitteln.

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