Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Klinikum Bremen-Ost Ausbau der forensischen Psychiatrie sorgt für Streit in der Koalition

Mehr Unterbringungsfälle als freie Plätze – die forensische Psychiatrie am Klinikum Bremen-Ost müsste ausgebaut werden. Doch Gesundheitsbehörde und SPD sind schon über den ersten Schritt uneins. Die Sache hakt.
19.07.2025, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Ausbau der forensischen Psychiatrie sorgt für Streit in der Koalition
Von Jürgen Theiner
Inhaltsverzeichnis

Die forensische Psychiatrie am Klinikum Bremen-Ost braucht dringend zusätzliche Behandlungsplätze. Die Einrichtung ist seit einiger Zeit überbelegt und eine Trendwende nicht erkennbar. Die Gesundheitsbehörde will in einem ersten Schritt ein Gutachten in Auftrag geben, das die technischen und finanziellen Rahmenbedingungen einer möglichen Erweiterung klärt. Doch das Verfahren hakt schon in diesem frühen Stadium – es gibt einen Streit zwischen der SPD-Bürgerschaftsfraktion und dem von den Linken geführten Gesundheitsressort über Verfahrensfragen. Aus Sicht der Behörde duldet das Projekt keinen Aufschub.

Was leistet die forensische Psychiatrie?

In der Forensik am KBO, die deutlich von der Allgemeinpsychiatrie zu unterscheiden ist, findet der sogenannte Maßregelvollzug statt, also die Unterbringung sucht- und psychisch kranker Straftäter auf der Grundlage gerichtlicher Urteile mit Anordnung von Freiheitsentzug. Der Maßregelvollzug ist eine Landesaufgabe. Es besteht eine gesetzliche Verpflichtung, ausreichende Kapazitäten vorzuhalten. Zuständig ist in Bremen der Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno). Da die Vollstreckung des Maßregelvollzugs mit Eingriffen in Freiheitsrechte verbunden ist, wurde die Geno mit entsprechenden hoheitlichen Befugnissen ausgestattet.

Weshalb besteht Handlungsbedarf?

Die Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie verfügt über 155 Plätze. Schaut man sich die Belegungszahlen der vergangenen Jahre an, so stellt man seit 2017 einen kontinuierlichen Anstieg fest. Seit 2023 gibt es eine leichte Überbelegung. "Die aktuelle Platzzahl reicht aktuell zur rechtskonformen Durchführung des Maßregelvollzugs und den zukünftig zu erwartenden Unterbringungsbedarfen nicht mehr aus", heißt es in einer Vorlage aus dem Haus von Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke), die eigentlich in der Senatssitzung am 24. Juni beschlossen werden sollte.

Welche Folgen hat die Überbelegung?

Für Personal und Patienten steigt die Gefahr von Übergriffen. In dem Papier der Gesundheitsbehörde wird noch auf einen weiteren heiklen Punkt aufmerksam gemacht: Patienten, für die ein Gericht beispielsweise die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet hat und die wegen der Überbelegung keinen Platz in der Forensik erhalten, werden stattdessen in sogenannter "Organisationshaft" in der Justizvollzugsanstalt untergebracht. Das ist aber nicht unbegrenzt zulässig. "Daher droht immer wieder, dass Personen, die von Gerichten als gefährlich und behandlungsbedürftig beurteilt wurden, aufgrund unzulässig langer Dauer der Organisationshaft unbehandelt entlassen werden", heißt es warnend in der Senatsvorlage.

Was schlägt die Behörde vor?

Da andere Bundesländer ähnliche Probleme haben und eine auswärtige Unterbringung Bremer Forensik-Insassen deshalb keine Option ist, plädiert die Gesundheitsbehörde für eine Aufstockung der Kapazitäten am Klinikum Ost auf rund 185 Plätze. Eine solche Erweiterung wird überschlägig mit Baukosten von 30 bis 40 Millionen Euro kalkuliert. Darüber hinaus besteht Instandsetzungsbedarf beim übrigen Gebäudebestand, der sich finanziell aber derzeit nicht konkret beziffern lässt. Senatorin Bernhard möchte deshalb gutachterlich klären lassen, ob ein Neubau der gesamten Forensik die günstigere Lösung wäre. Ein zweiter Prüfauftrag würde sich auf die Frage beziehen, wie sich das Projekt möglichst rasch und wirtschaftlich umsetzen lässt – etwa indem ein Investor beauftragt wird.

Weshalb stockt das Verfahren?

Einen Tag vor der Senatssitzung, in der das Gutachten in Auftrag gegeben werden sollte (Kostenpunkt: rund 100.000 Euro), griff SPD-Fraktionschef Mustafa Güngör ein. Güngör wohnt in Osterholz unweit des KBO-Geländes. Seiner Ansicht nach kann eine Entscheidung zur Erweiterung der Forensik nicht über die Köpfe der Stadtteilpolitiker hinweg getroffen werden. Zwar sehe auch die SPD den Bedarf an zusätzlichen Behandlungsplätzen. Statt einer isolierten Entscheidung zu den Kapazitäten im Maßregelvollzug brauche es jedoch "eine Perspektive, wie das Klinikum Bremen-Ost in zehn Jahren aussehen soll", sagt der Sozialdemokrat. Güngör versichert, das Thema nicht auf die lange Bank schieben zu wollen: "Möglich wäre ein Beschluss der Politik vor Ort gleich nach den Ferien."

Wie geht es nun weiter?

Das Problem duldet keine längere Vertagung – zumindest hierin ist sich die Gesundheitsbehörde mit dem SPD-Fraktionschef einig. Die Beschlussvorlage für den Senat werde derzeit überarbeitet, erfährt man von Bernhards Sprecherin Lea Schunk. Dass die Frage von Neubau oder Erweiterung gutachterlich geklärt werden muss, daran halte die Behörde fest. Wegen der dauerhaften Überbelegung und des hohen Sanierungsbedarfs der Forensik sei es "dringend erforderlich, das Thema zügig anzugehen".

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)