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Bremen Kritik an Mindestlohnpraxis

Bremen. Wohlfahrtsverbände, die für Bremen Aufgaben übernehmen, müssen ihren Mitarbeitern den Mindestlohn zahlen. Für Mehrkosten kommt der Staat auf. Über die Frage, für welche Fälle das gilt, gibt es nun Streit.
12.12.2012, 05:00 Uhr
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Kritik an Mindestlohnpraxis
Von Frauke Fischer

Bremen. Wohlfahrtsverbände, die für Bremen Aufgaben übernehmen, müssen ihren Mitarbeitern den Mindestlohn zahlen. Für Mehrkosten, die sich für die Dienstleister aus dem Mindestlohngesetz ergeben, kommt der Staat auf. Über die Frage, für welche Fälle das gilt, gibt es nun Streit.

Vom Landesmindestlohngesetz sind nicht nur Unternehmen berührt, die mit Bremen ins Geschäft kommen. Auch Einrichtungen, die für das Land Aufgaben übernehmen, müssen seit September einen Stundenlohn von mindestens 8,50 Euro garantieren. Das Gesetz legen die Behörden jedoch unterschiedlich aus. Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LAG) kritisiert die Ungleichbehandlung von Trägern.

Im Sozialressort kommt der Landesmindestlohn überall dort ins Spiel, wo Entgelte und Zuwendungen an Träger gezahlt werden. Zum erstgenannten Bereich gehören laut Behördensprecher Bernd Schneider vor allem die individuellen Rechtsansprüche, das sind unter anderem Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, aber auch Schuldnerberatung oder Kinder- und Jugendhilfen. Zum zweiten erhalten Träger für ihre Angebote Zuwendungen, beispielsweise Einrichtungen wie Schattenriss, das Bremer Jungenbüro oder der Sportgarten. In einem Rahmenvertrag ist festgehalten, dass Trägern ermöglicht werden muss, Mindestlöhne zu zahlen. Zugleich ist darin auch die Verpflichtung der Träger zur Zahlung des Mindestlohns fixiert.

Probleme hat es im Ressort von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) nach Auskunft von Bernd Schneider bislang nicht gegeben. Lediglich ein Vertrag mit Essen auf Rädern sei betroffen gewesen. Da dieser jedoch zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes am 1. September neu verhandelt wurde, habe man ihn angepasst. Auch im Innenressort sind Verträge, beispielsweise zum Katastrophenschutz, angepasst worden.

"Da gab es keine Probleme", sagt Arnold Knigge, Sprecher der LAG. Anders im Bildungsressort: Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat seit März 2010 einen Vertrag über die Schülerbeförderung mit dem Ressort. Für den Träger ergibt sich daraus nicht nur die Bezahlung der jeweiligen Fahrer, sondern auch die Verpflichtung nach Gesetz, gleich sämtliche Beschäftigte nach Mindestlohn zu bezahlen. Entsprechend hat das DRK seine Löhne zum 1. September angepasst. Die dadurch anfallenden Mehrkosten hat das DRK im Rahmen der Vereinbarung gegenüber der Behörde geltend gemacht. Diese jedoch lehnte ab. Begründung: Das Vertragsverhältnis zwischen der Stadtgemeinde Bremen und dem DRK über die Schülerbeförderung bestehe seit März 2010. Die Rechnungen für September und Oktober wurden entsprechend um 4000 beziehungsweise 2800 Euro gekürzt.

"Nur bei Neuverträgen gelten 8,50 Euro", sagt Behördensprecherin Karla Götz. Für diese würde die Behörde auch Mehrkosten übernehmen. So seien im Sommer sieben neue Touren im Bereich der Schülerbeförderung ausgeschrieben worden. Der Träger, der dabei zum Zuge gekommen ist, erhalte die Mehrkosten. Mit Altverträgen ist man also schlechter dran? "Das ist unternehmerisches Risiko", räumt Götz ein. Der Altvertrag wird vom Ressort als öffentlicher Auftrag gewertet, der nicht unter das Landesmindestlohngesetz fällt. Der neue Vertrag über die sieben im Sommer ausgeschriebenen Touren erlaubt demnach eine Erstattung von Mehrkosten.

Arnold Knigge lässt das nicht gelten. Das DRK zahlt generell den Mindestlohn seit 1. September. Mit dem Bildungsressort arbeitet es auch an anderer Stelle zusammen: Bei den Schulassistenten an der Allgemeinen Berufsschule. Dafür habe das Ressort vom DRK eine Erklärung verlangt, dass im Gesamtverband Mindestlöhne garantiert sind. Im Gegenzug werden die Mehrkosten für die Schulassistenten erstattet. "Das gleiche Ressort aber lehnt die Finanzierung der Mindestlöhne im Rahmen der bestehenden Verträge zum Schülerfahrdienst ab", wundert sich Knigge. Für Karla Götz ist das nur bedingt ein Widerspruch. Bei den Schülerassistenten seien bestehende Verträge angepasst worden. Es handele sich um Zuwendungen im Sinne des Landesmindestlohngesetzes.

"Es ist ein Leichtes, Verträge anzupassen", sagt Knigge. "Da, wo kein Ressort betroffen ist, übernehmen die Träger die Mehrkosten ohnehin allein. Aber es kann doch keine Frage der rechtlichen Konstruktion sein, ob ein Ressort Mehrkosten erstattet oder nicht." Knigge spricht sich dabei ausdrücklich für den Landesmindestlohn aus: "Er muss möglichst schnell flächendeckend umgesetzt werden. Und wir erwarten, dass es eine einheitliche Praxis gibt."

Das sagt das Mindestlohngesetz

Paragraf 5: Die Freie Hansestadt Bremen und die Stadtgemeinden (...) gewähren Zuwendungen (...) nur, wenn sich die Empfänger verpflichten, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mindestens den Mindestlohn zu zahlen.

Paragraf 6: Die Freie Hansestadt Bremen und die Stadtgemeinden (...) vereinbaren auch in Leistungserbringungs- und Versorgungsverträgen nach den Büchern des Sozialgesetzbuchs die Zahlung eines Mindestlohns an die (...) Arbeitnehmer des Leistungserbringers, soweit dies bundesgesetzlich nicht ausgeschlossen ist.

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