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Pro Bahn fordert Kündigung Zugausfälle: Niedersachsen und Bremen mahnen Netzbetreiber ab

Der Zugverkehr im sogenannten Heidekreuz zwischen Bremen und Uelzen ist seit Wochen massiv gestört. Fahrgastvertreter werfen dem Netzbetreiber Start Totalversagen vor – jetzt wurde das Unternehmen abgemahnt.
26.07.2023, 05:00 Uhr
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Zugausfälle: Niedersachsen und Bremen mahnen Netzbetreiber ab
Von Felix Wendler

Der Zugverkehr zwischen Bremen und Uelzen sorgt zunehmend für Ärger – vor allem deshalb, weil er seit Wochen nur noch sehr eingeschränkt existiert. Auf der Linie RB 37 verkehren bis Soltau aktuell keine Züge. Wer von Bremen nach Uelzen will, muss entweder in Hamburg-Harburg eine halbstündige Umsteigezeit einplanen, oder in Verden den Bus Richtung Soltau nehmen. Negativ betroffen sind auch Pendler, die zum Beispiel in Achim oder Langwedel wohnen und die Linie RB 37 genutzt haben, um nach Bremen zu fahren. Für die Einschränkungen sind reparaturbedingt fehlende Züge verantwortlich. Der Streckenbetreiber Start Niedersachsen-Mitte steht mittlerweile unter großem Druck. Seit 2021 ist die Unternehmenstochter der Deutschen Bahn für das sogenannte Dieselnetz Niedersachsen-Mitte zuständig. 

Nach Ansicht des Fahrgastverbands Pro Bahn Niedersachsen/Bremen sind die Zustände den Fahrgästen nicht mehr zuzumuten. Der Verband fordert die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) auf, umgehend eine Kündigung des Vertrags mit Start vorzubereiten. "Was derzeit von Start geboten wird, ist absolut inakzeptabel und muss harte Konsequenzen nach sich ziehen", sagt der Pro-Bahn-Landesvorsitzende Malte Diehl. "Unter Personalmangel leiden alle Eisenbahnunternehmen, aber Start ist das einzige in Niedersachsen, das es nicht schafft, genügend Fahrzeuge instand zu halten, obwohl ausreichend Reserven bestehen."

Was derzeit von Start geboten wird, ist absolut inakzeptabel.
Malte Diehl, Pro Bahn

Eine Reaktion auf die anhaltenden Probleme gibt es bereits: "Aufgrund der schlechten Qualität, die Start geliefert hat, hat die LNVG am 11. Juli 2023 eine Abmahnung ausgesprochen", erklärt LNVG-Sprecher Dirk Altwig. Abgemahnt wurde Start demnach auch im Namen Bremens – weil das Netz Bremer Gebiet umfasst, gehört die Hansestadt zu den Aufgabenträgern. In der Bremer Verkehrsbehörde ärgert man sich darüber, dass Start gerade in der Startphase des Deutschlandtickets "so eine schlechte Performance bietet". Die Abmahnung sei ein "deutliches Signal" und werde nur in "äußersten Fällen" gezogen, teilt ein Sprecher mit.

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Formal ist die Abmahnung ein erster Schritt auf dem Weg zu einer möglichen Kündigung. Dass der Vertrag tatsächlich gekündigt wird, ist vorerst eher unwahrscheinlich. Die LNVG zielt laut eigenen Angaben darauf ab, dass Start die Probleme überwinden und die vereinbarte Leistung abliefern kann. Fraglich ist auch, welche Alternativen es gäbe. Eine Kündigung helfe nur, wenn ein anderes Unternehmen den Vertrag erfüllen könnte, sagt Altwig. Das Unternehmen müsste beispielsweise über die entsprechenden Fahrzeugführer verfügen. "Angesichts des momentanen Fachkräftemangels ist dies eine große Herausforderung", so der LNVG-Sprecher.

Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Malte Diehl, Pro Bahn

Diehl räumt ein, dass eine Kündigung und ein möglicher Notbetrieb nicht unbedingt für schnelle Besserung sorgen würden. Er sagt aber auch: "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende." Im Zweifelsfall sei es besser, einige Wochen lang auf allen Strecken einen Ersatzverkehr mit Bussen einzurichten, als die jetzigen Zustände noch jahrelang ertragen zu müssen – der Vertrag mit Start Niedersachsen-Mitte läuft regulär bis 2029. Diehl kennt laut eigener Aussage Fälle, "in denen die schlechte Betriebsqualität von Start Einfluss auf die Wahl der weiterführenden Schulen und von Arbeitsplatzangeboten genommen hat".

Die Hoffnung auf schnelle Besserung wird durch die Erfahrungen getrübt. Bereits im vergangenen Jahr hatte Start den regulären Fahrplan monatelang nicht umsetzen können. Im Dieselnetz sind laut Jahresbericht zum Schienenpersonennahverkehr 6,6 Prozent aller Zugkilometer ungeplant ausgefallen – das sind etwa dreimal so viele wie im Netz der Regio-S-Bahn. Die LNVG habe ihre Zahlungen an Start wegen nicht gefahrener Fahrten und Vertragsstrafen zum Jahresende 2022 um 2,7 Millionen Euro reduziert, teilt die Gesellschaft mit. Weitere Strafen dürften folgen: "Wir berechnen derzeit, wie viel Geld wir wegen der aktuellen Situation einbehalten werden", sagt Altwig. 

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Das größte Problem bei Start liegt in der Instandhaltung der Züge. Nach LNVG-Angaben stehen üblicherweise 38 Fahrzeuge zur Verfügung – gebraucht würden im täglichen Betrieb 26. Start Niedersachsen-Mitte nennt auf Anfrage den Zustand der Fahrzeuge und die Materialverfügbarkeit als Hauptprobleme. Pro Bahn verweist wiederum darauf, dass der gleiche Fahrzeugtyp hundertfach "in ganz Deutschland weitgehend störungsfrei im Einsatz ist". Naheliegend sei deshalb ein "fortgesetztes organisatorisches Versagen" bei Start. Unbestreitbar ist die technische Ausfallquote in diesem Netz besonders hoch. Diehl schätzt, dass auf der Linie der RB 37 fünf bis sechs Fahrzeuge für den Regelbetrieb gebraucht würden – aktuell lasse Start einen Zug zwischen Soltau und Uelzen pendeln.

Die LNVG hat nach eigenen Angaben einen Gutachter beauftragt, der die Prozesse in der Werkstatt und den Zustand der Fahrzeuge überprüfen soll. Erste Ergebnisse würden gerade ausgewertet. Start Niedersachsen-Mitte erklärt, unter anderem mit externen Werkstätten zusammenzuarbeiten, um die Betriebsqualität zu verbessern. Die Abmahnung durch die LNVG nehme man "äußerst ernst", teilt ein Sprecher mit.

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