Trägt der Senat eine Mitschuld an der bevorstehenden Teilsperrung der Autobahnbrücke über die Lesum, oder ist das neue Nadelöhr lediglich ein Symptom für ein bundesweites Problem, nämlich den allgemeinen Verfall der Verkehrsinfrastruktur? Darüber wurde am Mittwoch in der Bürgerschaft heftig gestritten. Die FDP hatte eine Aktuelle Stunde zu der selbstformulierten Frage beantragt, ob Bremen nun „noch tiefer ins Verkehrschaos“ stürze.
Fraktionschefin Lencke Steiner zeichnete ein düsteres Bild. Die Situation auf der Lesumbrücke der Autobahn 27 sei ein Beleg dafür, „dass die Infrastruktur völlig verkommt“. Wenn in Kürze der westliche Teil des Bauwerks gesperrt wird und in beiden Fahrtrichtungen nur noch je zwei Streifen zur Verfügung stehen, werde das auch massive Auswirkungen auf die Wirtschaftsverkehre haben. Dem Hafen in Bremerhaven könne Umschlag verloren gehen, wenn der reibungslose Abtransport von Fracht gen Süden dort nicht mehr gewährleistet sei. Zudem werde das kommunale Straßennetz in Bremen-Nord leiden, weil sich der Verkehr zum Teil neue Wege suche und sich auf die Burger Brücke verlagere.
Steiner sah zumindest eine Mitverantwortung beim Verkehrsressort des Senats. Zwar sei der Bund Eigentümer der Autobahnbahnbrücke und damit als Zahlmeister gefragt, wenn Schäden behoben werden müssen. Solche Schäden überhaupt festzustellen und die notwendigen Instandsetzungsarbeiten beim Bund anzumelden, sei jedoch klar Aufgabe der Straßenbauverwaltung des Landes. Und da habe es offenbar Versäumnisse gegeben, was die Lesumbrücke betrifft.
Klaus Remkes (Bürger in Wut) brachte den Zustand der Verkehrsinfrastruktur in einen Zusammenhang mit dem Sparkurs der vergangenen Jahre. Investitionen seien zurückgefahren worden, während man den Sozialbereich weitgehend ungeschoren gelassen habe. Auch gebe es kaum noch ausreichendes Fachpersonal, um größere Verkehrsprojekte planen und abwickeln zu können.
Mitnichten ein Schlusslicht
Grünen-Verkehrspolitiker Ralph Saxe räumte ein: „Wir müssen mehr Geld ins System bringen.“ Es gebe bundesweit einen Sanierungsstau, der dringend aufgearbeitet werden müsse. Die Darstellung der FDP hielt Saxe aber – insbesondere was Bremen betrifft – für grob überzeichnet. Das kleinste Bundesland sei mitnichten Schlusslicht bei der Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur. Laut einer entsprechenden Bundesstatistik seien beispielsweise in Hamburg und im Saarland mehr als 20 Prozent der Verkehrsflächen in einem maroden Zustand, in Bremen lediglich vier Prozent.
Die Aussagefähigkeit solcher Statistiken zog Klaus-Rainer Rupp (Linke) in Zweifel. Wenn etwa eine Autobahn wie die A 27 zu 99 Prozent intakt sei, ein Nadelöhr wie die Lesumbrücke aber nicht, dann sei die ganze Autobahn nichts mehr wert. Schuld am mangelhaften Zustand der Infrastruktur ist für Rupp „die Politik der schwarzen Null“. Sie mache die Finanzierung des Straßennetzes letztlich nur teurer, denn aufgeschobene Investitionen rächten sich mittel- bis langfristig. Rupp machte auch einen Vorschlag zur Verkürzung von Bauzeiten.
Wie berichtet, hatte das Verkehrsressort des Senats für Planung und Fertigstellung einer neuen Lesumbrücke einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren veranschlagt. Das sei deutlich zu lang, sagte Rupp. Wenn absehbar sei, dass Brücken oder andere wichtige Teile von Verkehrsinfrastruktur ans Ende ihrer Lebensdauer kommen, könne man mit „vorauseilenden Genehmigungsverfahren“ Zeit einsparen. Anders gesagt: Die Verwaltung sollte mit der Planung eines Nachfolgebauwerks nicht erst anfangen, wenn das alte seinen Geist aufgegeben hat.
In der Aktuellen Stunde stand auch Verkehrsstaatsrat Jens Deutschendorf den Abgeordneten Rede und Antwort. Unter anderem sagte er auf Nachfrage von Jens Eckhoff (CDU), dass nicht der Gutachter die Teilsperrung der Lesumbrücke empfohlen habe. Vielmehr habe sich die Behörde auf der Grundlage seiner Expertise zu der drastischen Maßnahme entschlossen. Das Verkehrsressort des Senat wird laut Deutschendorf „unmittelbar“ die Planung für einen Neubau in Angriff nehmen. Die Dauer des Verfahrens hänge unter anderem an der Frage, ob die neue Brücke an exakt der gleichen Stelle entstehen könne.