Was sagen Nordbremer Politiker zum Ausgang der Bundestagswahl – und dazu, wie es jetzt mit der Regierungsbildung weitergehen soll? Antworten geben Gewinner wie Verlierer. Geschaut wird dabei nicht nur auf das Geschehen in Berlin, sondern auch auf das in Bremen, insbesondere auf einzelne Stadtteile nördlich der Lesum. Die Reaktionen im Überblick.
CDU: Rainer Bensch hat bei der Wahlparty der CDU mitgeklatscht, als die ersten Prognosen zur Bundestagswahl auf den Monitoren eingeblendet wurden – und wie bei den meisten Parteigängern in der Union-Brauerei war auch sein Beifall verhalten. Alle Volksparteien, sagt der Nordbremer Bürgerschaftsabgeordnete, haben nicht so abgeschnitten wie erhofft. Mit der Folge, dass die politischen Ränder gestärkt wurden. Sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Bensch ist froh darüber, dass die CDU hier wie dort zulegen konnte, noch mehr hätte es ihn aber gefreut, wenn das Plus größer ausgefallen wäre. Und wenn es nicht nur Thomas Röwekamp in den Bundestag geschafft hätte, sondern auch Sandra Schmull – für Bensch eine der besten Konstellationen überhaupt.
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Es gibt noch eine andere Paarung, die er gut fände: auf der einen Seite Friedrich Merz als neuer Kanzler und auf der anderen Boris Pistorius als neuer Außenminister und Vize. Bensch findet, dass das genau das richtige Signal an die Großmächte wäre. Und dass es mit der Regierungsbildung jetzt schnell gehen muss. Eben nicht wie so oft ums Kleinklein und was im Wahlkampf einmal gewesen ist, sondern ums große Ganze und wie es gestaltet werden soll. Er glaubt, in den Gesprächen nach der Bundestagswahl das auch deutlich von Vertretern der CDU und der SPD herausgehört zu haben: Beide Seiten, meint Bensch, wollen miteinander arbeiten. Und zwar über die Sache selbst statt über persönliche Befindlichkeiten.
SPD: Ute Reimers-Bruns sagt über sich, nicht so schnell ihre gute Laune zu verlieren – am Sonntagabend war sie allerdings weg. Unterm Strich kam die Nordbremer SPD-Bürgerschaftsabgeordnete bei der Wahlparty in der Ständigen Vertretung auf eine einzige erfreuliche Nachricht: Zumindest Uwe Schmidt hat es erneut in den Bundestag geschafft. Auch wenn die Bremer Zahlen für die Partei besser waren als die auf Bundesebene, verlor sie auch dort an Stärke. Aber das erschreckendste Ergebnis war für Nordbremer SPD-Chefin das Abschneiden der AfD in Blumenthal, ihrem eigenen Stadtteil: knapp über 25 Prozent bei den Erst- und Zweitstimmen. In keinem anderen Gebiet der Stadt war der Anteil so hoch wie im nördlichsten Bremens.
Sie glaubt, dass das an der Zahl der Geflüchteten und Migranten liegt, die in Blumenthal höher ist als in anderen Stadtteilen. Aber auch daran, dass die SPD ihren Worten nach immer noch Defizite hat, die sozialen Medien so zu bedienen, wie es beispielsweise AfD und Linke machen. Was ihrer Meinung nach dazu geführt hat, dass Themen wie die Mindestlohnerhöhung nicht so bei den Wählern angekommen sind. Ihr zufolge muss die Partei in dieser Hinsicht mehr tun – und sich noch vehementer dafür einsetzen, dass sich Jahre alte Forderungen nicht immer nur wiederholen, sondern endlich umgesetzt werden. Zum Beispiel, dass sich der Takt von Bus und Bahn erhöht, damit sich die Menschen in Blumenthal nicht mehr buchstäblich abgehängt fühlen.
Grüne: Überrascht war Maike Schaefer am Sonntagabend nicht. „Das Ergebnis war schon sehr dicht an den Prognosen dran“, sagt die Nordbremer Bürgerschaftsabgeordnete. Spannend sei nur gewesen, ob FDP und Bündnis Sahra Wagenknecht es in den Bundestag schaffen. Schließlich sei das nicht ganz unerheblich für die Frage, welche Koalitionsmöglichkeiten es gibt. „Erschreckend ist aber, wie viele Stimmen die AfD bekommen hat“, so Schaefer. „Das muss uns allen zu denken geben.“ Mit Blick auf das Abschneiden der Grünen betont die Nordbremerin, dass sie dagegen sei, schlechte Ergebnisse schönzureden. „Es ist offensichtlich, dass die Grünen – sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene – schlecht abgeschnitten haben“, sagt sie. Im Vergleich zur Bürgerschaftswahl vor zwei Jahren hätte die Partei nun noch einmal weniger Stimmen bekommen. „Damit ist klar, dass die Ampelparteien wegen der Streitigkeiten in der Bundesregierung Federn lassen mussten“, kommentiert sie. „Wir müssen uns zudem selbstkritisch fragen, wie gut die Arbeit im Bund funktioniert hat – ich erinnere da nur an das Debakel beim Heizungsgesetz.“
Auch wenn ein Bundes- und kein Landesparlament gewählt wurde, wirkt sich das Wahlergebnis laut Schaefer direkt auf die Stadtteile nördlich der Lesum aus. Und das gleich in zweifacher Hinsicht. „Der Bremer Norden wird von der Bundespolitik besonders beeinflusst“, sagt sie. „Die Migration war das Hauptthema im Wahlkampf – und die Zentrale Erstaufnahmestelle für Geflüchtete befindet sich an der Lindenstraße.“ Darüber hinaus würden sich auch der Haushalt des Verteidigungsministeriums sowie die Frage, wie die Ukraine in Zukunft von der Bundesrepublik unterstützt wird, auf den Bremer Norden auswirken. Schließlich baue Lürssen Schiffe für die Marine.
Linke: Dass Die Linke ihr Wahlergebnis gegenüber der Abstimmung vor vier Jahren verbessern konnte, bewertet Andreas Bähr als riesengroßen Erfolg. Freuen kann sich der Ortsverbandssprecher über das Wahlergebnis aber trotzdem nicht. „Grund dafür sind die deutlichen Zuwächse bei der AfD“, sagt er. „Mir ist deshalb auch nicht nach Feiern zumute.“ Sein Ziel sei es stets, die AfD im Bremer Norden inhaltlich zu stellen. „Wir haben einen engagierten Wahlkampf gemacht und sehr viele Plakate aufgehängt – und das trotz der Tatsache, dass wir personell nicht sonderlich gut aufgestellt sind“, betont der Linken-Politiker. „Trotzdem ist die AfD in Blumenthal stärkste Kraft geworden.“ Bundespolitisch befürchtet Bähr, dass Die Linke künftig die einzige Partei sein wird, die soziale Politik macht. "Die SPD wird sich weitestgehend nach der CDU richten müssen", sagt er.
FDP: Die Bewertung des Wahlergebnisses überlässt die Nordbremer Kreisvorsitzende Michelle Woelke dem Landesvorsitzenden Thore Schäck. Der bedauert, dass es seiner Partei nicht gelungen ist, genügend Wählerinnen und Wähler von der FDP zu überzeugen. „Die derzeit wahrscheinlichste Parlamentsaufteilung, mit einer schwarz-roten Regierung, der in der Opposition neben Grünen nur noch linksextreme und rechtsextreme Parteien gegenüberstehen, verspricht keine stabilen Verhältnisse, um dieses Land wieder nach vorne zu bringen“, sagt er. Woelke ergänzt, dass sich die FDP – auch ohne Bundestagsmandat – für eine vernünftige Politik auf Landes- und kommunaler Ebene einsetzen wird. „Die Entlastung der Wirtschaft, eine Neuordnung der Migration und die Stärkung der inneren Sicherheit sind Themen, die wir sowohl in Bremen als auch in Bremen-Nord weiter konsequent vorantreiben wollen“, erklärt sie.
AFD: Die Alternative für Deutschland erzielte in Bremen-Nord starke Ergebnisse – vor allem in Blumenthal. Den AfD-Direktkandidaten Arno Staschewski wundert das nicht: „Wir haben an den Wahlkampfständen gespürt, dass die Leute einen Wechsel in der Migrationspolitik wollen. Und jeder wollte sich bei uns aus erster Hand über die Partei informieren – und nicht aus der Zeitung.“ Für Staschewski sei die AfD eine „Volkspartei“, die für alle da sei – auch für Migranten. Er selbst gewann den Wahlkreis nicht: „Das wäre eine Sensation gewesen.“ Der Politiker ist aber überzeugt, dass die AfD bei der kommenden Bundestagswahl den Bremer Westen und Norden sowie Bremerhaven gewinnen werde. Ob er sich für das Mandat abermals aufstellen lassen möchte, lässt er offen. Für seine Partei und den Wahlkreis will er sich aber weiterhin engagieren.