Vor den Sommerferien war es heiß, während der Urlaubszeit vor allem nass, jetzt wird es wieder heiß: vier Tage am Stück um die 30 Grad. Heye Walter hat die Prognosen des Deutschen Wetterdienstes für den Norden genau im Kopf – und die Telefonnummern, die er dann wählt. Sie gehören zu Frauen, Männern und Jugendlichen, die auf Badende aufpassen sollen. Walter, Chef der Nordbremer Rettungsschwimmer und -taucher, stellt sich darauf ein, dass das Team am Wochenende größer sein muss als sonst. Und dass es mehr zu tun haben wird.
Kinder, die ihre Eltern nicht finden können. Segler, die beim Wendemanöver kentern. Eine Schwangere, der am Strand die Fruchtblase platzt: Walter hat so gut wie alles erlebt. Nur nicht alles in diesem Jahr. Diese Saison, sagt der Bezirksleiter, ist anders als die voran gegangene, vor allem weniger dramatisch. Zwar vergingen bisher nur wenige Monate, in denen die Nordbremer Kräfte keinen Hilfs- oder Rettungseinsatz hatten. Aber so oft wie im Jahr zuvor mussten sie nicht zur Stelle sein, weil jemand an der Wachstation beim Grambker Sportparksee sie brauchte. Oder Polizei und Feuerwehr sie über die Zentrale verständigten.
Das passierte im vergangenen Jahr 30-, in diesem bisher 14-mal. Das Gros dieser Einsätze war nicht im Norden der Stadt, sondern im Süden, Westen und Osten. Und die meisten davon nach dem 15. Mai. Für den Bezirksleiter ist das Datum wichtig. An diesem Tag beginnt nämlich die Badesaison. Die Fälle davor waren folglich keine Badeunfälle. Im Gegensatz zu den Fällen jetzt. Nach Walters Statistik war der August mit vier Anrufen der Rettungsleitstelle der einsatzreichste Monat für die Helfer. Jedenfalls bis jetzt. Stand heute sind sie im September zweimal alarmiert worden – und der Monat hat, wenn man so will, gerade erst begonnen.
Warum die Zahl der Einsätze nach den Sommerferien doppelt so hoch ist als in den heißen Monaten kurz vor der Urlaubszeit, darüber kann der Chef der Retter nur spekulieren. Walter schließt nicht aus, dass viele Leute im Mai und Juni einfach noch nicht baden wollten – und dass zur allgemein ruhigeren Saison ohne einen Badetoten bislang etwas beigetragen hat, was ihm Helfer in diesem Jahr berichtet haben und er beobachtet hat: Dass die Besucher des Sportparksees disziplinierter und die Gruppen an Stellen kleiner sind, wo das Schwimmen wegen des Schiffsverkehrs gefährlich ist. Zum Beispiel in der Bucht beim Bunker Valentin.
Walter kommt trotzdem auf mehr Einsatzstunden der Schwimmer und Taucher als im Vorjahr: 2107 sind es von Mitte Mai bis jetzt – und 1777 waren es 2022. Und die diesjährige Zahl wird noch höher ausfallen. Nicht nur, weil der Sommer erst in rund zwei Wochen vorbei ist, sondern auch, weil noch nicht alle Veranstaltungen, die von den fast 100 aktiven Rettern begleitet wurden, mitgerechnet sind. Sie haben Schwimmwettbewerbe abgesichert und waren an Katastrophenschutzübungen beteiligt. Wie am vergangenen Sonnabend. Walter sagt, dass die Nordbremer Helfer an diesem Tag erst zwei Notfälle hatten, dann den Ernstfall probten.
Stadtweit sind die Retter bis Ende Juni auf rund 6000 Einsatzstunden gekommen und auf 124 sogenannte Hilfeleistungen. Wie viele es in dieser Saison allein am Sportparksee gab, will Walter erst ausrechnen, wenn die Saison vorbei ist. Ein Vorfall in Grambke fällt ihm dabei sofort ein. Der Nordbremer Bezirksleiter spricht von einem Rettungseinsatz, bei dem sich am Ende herausstellte, dass niemand gerettet zu werden brauchte: Weil ein herrenloser Hund am Strand nicht aufhörte, in Richtung des Sees zu bellen, wurde er schließlich abgesucht – bis die Polizei das Tier nach Hause brachte, wo der Halter es inzwischen suchte.
Bei solchen Fällen sind es nicht nur Wachdienstkräfte, die helfen, sondern auch solche, die Bereitschaft haben. Wie groß das Team sein wird, das am Wochenende vor Ort und auf Abruf sein wird, kann Walter momentan nicht sagen. Er hat noch nicht alle angerufen, die er anrufen will. Der Chef der Rettungsschwimmer und -taucher sagt, dass ein halbes Dutzend Helfer pro Schicht bei der Station am Sportparksee eine Teamgröße ist, auf die man aufbauen kann – und dass rund 200 Besucher an einem heißen Tag kommen.