Die Immobilie ist so groß, dass sie auf 31 Fotos gezeigt wird: hier der Bürokomplex und die Produktionshallen, dort die Lagerflächen, Parkplätze, Fahrradunterstände, Rasenflächen. Macht zusammen 45.800 Quadratmeter – und einen Preis von 20,5 Millionen Euro. So viel will Thyssen-Krupp für das Werk in Farge haben. Nachzulesen in einem Exposé, das der Konzern jetzt im Internet veröffentlicht hat. Und das viele verwundert, vor allem Beschäftigte und Gewerkschaft.
Der Produktions- und Bürostandort, wie die Immobilie in der Verkaufsbeschreibung auf dem Immobilienportal genannt wird, ist erst seit Kurzem im Netz. Evelin Veit sagt, dass das Angebot vor einigen Tagen online gestellt wurde. Nach Angaben der Unternehmenssprecherin reagiert Thyssen-Krupp damit auf den Leerstand in einigen Gebäuden an der Richard-Taylor-Straße. Weil die Engineering-Sparte, zu der das Farger Werk gehört, verkleinert wurde, werden ihr zufolge auch nicht mehr alle Hallen und Büros genutzt.
Die Essener Konzernspitze hat in der Vergangenheit immer wieder erklärt, wie schlecht es dem Geschäftsbereich geht, der Produktionsanlagen für die Automobilindustrie entwickelt – und dass Thyssen-Krupp darauf reagieren muss. Auf einen Stellenabbau folgte der nächste. Nach den Zahlen der Firmensprecherin sind in den vergangenen drei Jahren allein am Standort Farge rund 350 Arbeitsplätze weggefallen. Das Werk hatte mal um die 1500 Beschäftige, jetzt sind es noch knapp 550.
Laut Veit hat der Konzern in Farge etwas vor, was er an anderen Standorten schon vollzogen hat, zum Beispiel im Werk in Langenhagen bei Hannover. Auch dort ist Personal abgebaut worden. Auch dort hat das Unternehmen die Produktionsstätte verkauft – produziert an Ort und Stelle aber weiter: als Mieter. Das Gleiche, sagt die Sprecherin, soll nun im Bremer Norden versucht werden. Zu den anderen Optionen, die zuletzt von Geschäftsführung und Betriebsrat diskutiert wurden, will sich Veit nicht äußern.
Aber Michael Gerdes. Der Gewerkschaftssekretär der IG Metall sagt, dass die Suche nach einem Partner für den Standort noch genauso im Raum steht wie das Aus des Werks. Und dass ihn das Immobilienangebot im Internet ebenso überrascht hat wie viele Beschäftigte. Gerdes spricht von einem fatalen Signal zur falschen Zeit. Nach seinen Worten gibt es keinen Grund, Büros und Hallen zu verkaufen, weil sich die wirtschaftliche Lage wieder bessert. Ihm zufolge hat das Farger Werk gerade zwei große Aufträge bekommen.
Er will deshalb Kontakt zum Betriebsrat aufnehmen, um mit ihm über das Vorgehen des Konzerns zu beraten – und wie darauf zu reagieren ist. Andere wissen das schon. Die Blumenthaler SPD und die Bürgerschaftsfraktion wollen einen Verkauf der Thyssen-Krupp-Immobilien nicht einfach so hinnehmen. Sie erwarten, dass die Geschäftsführung dazu Stellung nimmt. Nach Angaben der Nordbremer SPD-Chefin Ute Reimers-Bruns sind Bürgermeister Andreas Bovenschulte und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) eingeschaltet.
Die Sozialdemokraten vermuten, dass Thyssen-Krupp mit dem Verkaufsangebot im Internet quasi einen Testballon startet, um auszuloten, wie der Markt für Produktionsanlagen ist. Volker Stahmann nennt das, was der Konzern macht, heimliche Spielchen. Nach Ansicht des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten und IG-Metall-Funktionärs hätte eine so weitreichende Entscheidung wie ein Immobilienverkauf offen kommuniziert und der Konzern längst etwas anderes machen müssen: in den Standort zu investieren – anstatt ihn anzubieten.