Markus Genesius mag große Flächen. Je größer sie sind, könnte man meinen, desto besser für ihn. Und für das, was er mit diesen Flächen macht. Genesius ist Graffiti-Künstler. Seine Wandbilder sind in Metropolen zu sehen – und im Quartier an der Lüssumer Heide. Die Arbeit aus der Sprühdose ist so gut, dass sie in Katalogen und Zeitschriften zu sehen ist. Und so bekannt, dass sie bleiben und aufgefrischt werden soll, während alle anderen Fassaden im Viertel übergestrichen werden.
Darauf hat sich die Gewoba mit Genesius verständigt. Entscheider der städtischen Wohnungsbaugesellschaft trafen sich mit ihm, um über die hauswandgroße Kunst im Quartier zu sprechen. Und darüber, ob er bereit ist, sie nach all den Jahren noch einmal so zu überarbeiten, dass sie wie neu wirkt. Genesius, 49, Neustädter und Vater, ist bereit. Mitte nächsten Monats will er sozusagen nachsprühen, was vor neun Jahren auf die Seitenwände zweier Wohnblocks gekommen ist. Das Baugerüst ist schon aufgestellt.
Es gibt einiges zu tun. Genesius weiß das, weil er die Wände wiederholt untersucht hat. Der Graffiti-Künstler spricht von mehreren Stellen, an denen der Putz gerissen oder durchlöchert ist. Und davon, dass die Stellen zugespachtelt und die Sprühfarben deshalb neu aufgetragen werden müssen. Läuft alles glatt, soll die Arbeit innerhalb von anderthalb Wochen fertig sein. Was nicht mal die Hälfte der Zeit ist, die es gebraucht hat, beide Bilder auf die Wände der Häuser am Ende der Lüssumer Heide zu sprühen: einen Monat.

Früher ein Graffiti-Sprayer, heute ein Graffiti-Künstler: Markus Genesius aus der Neustadt.
Das Projekt war ein Gemeinschaftsprojekt. Vier Künstler machten mit. In den Katalogen stehen ihre Pseudonyme: Belin, Roid, SatOne, Wow123. Genesius ist Wow123. Die anderen machen aus ihren richtigen Namen ein Geheimnis. Sie kommen aus Spanien, Großbritannien, München. Einige gestalteten die linke Wand, manche die rechte. Anders als Genesius, der beide besprühte. Und jetzt auch beide auffrischt. Allein. Er hat seine Kollegen gefragt, ob sie einverstanden sind. Schließlich sind die Bilder auch ihre Bilder.
Die Graffiti könnten unterschiedlicher nicht sein – und gehören doch zusammen. Das eine Bild ist gegenständlich, das andere abstrakt. Das linke zeigt einen Männerkopf mit Lolli, ein Kindergesicht und eine Gedankenblase, in der Szenen aus der Natur abgebildet sind. Das rechte lauter bunte Vierecke, die mal an Barcodes, mal an Grafikpixel und mal an den Musterkatalog eines Fliesenherstellers erinnern. "Ein Traum" haben die Künstler ihr Projekt genannt und das zweigeteilte Wandbild "Welt aus Plastik".
In ihre Arbeit, sagt Genesius, hat niemand reinreden können. Die vier Männer erklärten damals nur, welches Thema sie gestalterisch umsetzen wollten, aber nicht, wie. So arbeitet Genesius heute noch. Und das, was er damals gesprüht hat, bringt er auch jetzt auf Wände. Die abstrakte Hälfte des Wandbildes erinnert nämlich an noch etwas anderes: an ein Fernseh-Testbild. In vielen seiner Arbeiten spiegelt es sich wider, nicht nur bei seinen Graffiti, sondern auch bei seinen Skulpturen, Installationen und Leinwandbildern.
Es gibt sie inzwischen in Dutzenden Ländern: USA, China, Russland, Indonesien, Skandinavien, Frankreich, Niederlande, Großbritannien,... Genesius sagt, dass er vor Kurzem das 48. Standortfähnchen auf eine Weltkarte gepinnt hat. Und dass er in der Neustadt und in Findorff mit dem Sprühen begonnen hat. Damals war er 14. Genesius hat nie Kunst studiert und ist dennoch, wenn man so will, ein künstlerischer Globetrotter geworden. Momentan stellt er in Toulouse, Auckland und in der Nähe von Hamburg aus.
Zuletzt war ein Teil der Außenmauern des Philips-Museums in Eindhoven seine Leinwand. Genesius kam auf 850 Quadratmeter. Ihm zufolge war es eine schwierige Fassade, weil sie zwischen mehreren Fensterreihen liegt. Und seine bisher größte. Die in Lüssum wirkt dagegen im Vergleich wie ein Kleinformat. Beide Bilder kommen zusammen auf etwa ein Drittel der Fläche.