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Wildtiere im Schutzgebiet Schneller Jäger aus der Höhe

2021 brütete ein Wanderfalken-Paar am Kraftwerk Farge. Die Zahl der Brutpaare in Bremen ist gesunken. Dennoch können die Greifvögel mit Glück auch in den Nordbremer Schutzgebieten beim Jagen beobachtet werden.
18.06.2022, 11:00 Uhr
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Schneller Jäger aus der Höhe
Von Julia Assmann

Man muss Ausdauer haben und geübt sein in der Bestimmung von Greifvögeln, um am Himmel einen Wanderfalken bei der Jagd zu entdecken. Immerhin ist er mit etwa 100 Kilometer pro Stunde unterwegs und erreicht im Sturzflug mehr als 300 Stundenkilometer. Doch wer Glück hat, kann im Werderland und auch an anderen Orten in Bremen-Nord einen Wanderfalken zu Gesicht bekommen. Denn das Jagdgebiet der Tiere umfasst ein bis zu circa 6000 Hektar großes Areal. Die Größe richtet sich allerdings stark nach dem Nahrungsangebot, sagt Sven Milz, Falkner und Jagdaufseher in Lesumbrok-Dunge im Werderland.

Wanderfalken am Kraftwerk Farge

Ein Brutpaar gab es im vergangenen Jahr in Bremen-Nord, weiß Sven Eppler. Der Waller, der vor rund 15 Jahren den Verein „Wanderfalken-Schutz Norddeutschland“ mit gegründet hat, erzählt: "Das war am Kraftwerk Farge. Aber ob es in diesem Jahr wieder da ist, weiß ich nicht." Insgesamt sei die Zahl der Brutpaare in Bremen in diesem Jahr geringer als in den Vorjahren. "Sonst waren es immer fünf bis sechs. Derzeit sind es nur zwei."

Verwaiste Brutplätze

Der Brutplatz an der "Umgedrehten Kommode" auf dem Stadtwerder blieb in diesem Jahr verwaist und am Landmarktower in der Überseestadt wurde in diesem Jahr ebenfalls kein Wanderfalke gesichtet. "Vor zwei Jahren gab es zwei Brutpaare an der Rolandmühle, aber dort wurden die Fenster baulich verschlossen, sodass die Falken dort nicht mehr brüten konnten. Wir haben einen Brutkasten am Gebäude einer Firma in der Nähe angebracht, aber der ist nicht belegt", schildert Eppler.

Brutpaar am Fernmeldeturm

Ein ganz junges Brutpaar sei im vergangenen Jahr am Kraftwerk in Oslebshausen aufgetaucht. "Das Weibchen hatte drei Eier gelegt, aber nach drei Wochen haben sie nicht mehr gebrütet." Immerhin sei das Paar in diesem Jahr wieder gesichtet worden und der Utbremer Fernmeldeturm, den Sven Eppler bereits seit 2005 genau im Blick hat, wird ebenfalls von einem Wanderfalken-Paar genutzt. "Außerdem gibt es noch ein Weibchen am Krankenhaus Ost", erzählt der Experte.

Umweltgifte reduzierten Bestand

Auch Sven Milz kennt sich durch seine Ausbildung als Falkner gut mit den Vögeln aus. "Der Wanderfalke gehört zu den größten Exemplaren der Falkenfamilie und ist neben dem Fischadler der am weitesten verbreitete Greifvogel der Welt", erläutert er. Sein Bestand sei in den vergangenen Jahrzehnten vor allem durch den Einsatz von Umweltgiften, besonders das weltweit verwendete Insektizid DDT um 80 bis 90 Prozent zurückgegangen. "Diese Umweltgifte führten zu dünnschaligen Eiern", so Milz. Dadurch kam es zu vielen Fehlbruten. Erst das Verbot der Umweltchemikalien habe diesen Abwärtstrend gestoppt und eine sehr geringe Population bewahrt. Milz: "Leider konnte die baumbrütende Population in Norddeutschland nicht mehr gerettet werden." Erst verstärkte Schutzmaßnahmen und Wiederansiedlungsprojekte, unter anderem des deutschen Falknerordens, führten zur Erholung der Bestände.

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Biss mit dem Falkenzahn

Der größte heimische Falke ist in etwa so groß wie eine Krähe. Das Männchen – Terzel genannt – wiegt 550 bis 700 Gramm, das Weibchen 900 bis 1100 Gramm. Die Flügelspannweite des Falken umfasst circa 90 bis 115 Zentimeter. Kennzeichnend sind seine breiten dunklen Backenstreifen, seine schiefergraue Gefiederoberseite sowie die rahmfarbene Unterseite mit schwarzer Bänderung. Die Jungvögel sind deutlich dunkler und brauner mit weniger deutlichen Backenstreifen, die Brust ist nicht quer gestreift, sondern getropft. Der Wanderfalke hat den typischen Falkenzahn am Oberschnabel, mit dem er seine Beute durch einen Nackenbiss tötet.

Augen wie ein Fernglas

Der Wanderfalke fliegt schnell und geradlinig, beschreibt Milz. Am liebsten jage er aus der sogenannten Anwarte, was das Kreisen der Greifvögel am Himmel beschreibt. Weil er hervorragend und sehr scharf sehen kann, beinahe wie mit einem Fernglas, erkennt er seine Beute auch aus großer Höhe. Er stürzt sich mit einer Geschwindigkeit von mehr als 300 Kilometer pro Stunde herunter und schlägt seine Beute im Flug. Wenn sie zu Boden gefallen ist, tötet der Falke sie mit einem Nackenbiss. Bevorzugt im offenen Gelände jagt er mittelgroße Vögel wie Krähen, Tauben und Drosseln.

Paare bleiben über Jahre zusammen

Die meisten Wanderfalken brüten erst ab einem Alter von zwei bis drei Jahren. Sie leben monogam und bleiben über Jahre mit dem gleichen Partner zusammen. Von März bis April legen die Weibchen bis zu vier Eier. Sven Eppler hat die Brutpaare und die Küken am Waller Funkturm über Jahre beobachtet und dabei durch ein winziges, gut getarntes Guckloch zahlreiche Fotos und Videos gemacht. Er sagt: "Die Brutzeit ist etwa 30 bis 32 Tage." Wenn die Küken geschlüpft sind, werden sie etwa zehn Tage gewärmt, insgesamt bleiben sie bis zu 42 Tage im Nest, bis sie zum ersten Mal ausfliegen. Die ausgeflogenen Jungen folgen den Eltern noch einige Wochen während der sogenannten Bettelflugperiode. Ende Juli löst sich der Familienverbund auf, die Jungvögel verlassen dann das Revier der Eltern.

Gefahr durch Störungen am Brutplatz

Der einzige natürliche Feind des Wanderfalken ist der Uhu, erläutert Eppler. Und Sven Milz betont: "Die größten Gefahren für den Wanderfalken sind Nesträuber sowie illegale Vogelhändler, die Jungvögel aus den Nestern holen." Auch Störungen am Brutplatz durch Sportkletterer, Baumfällungen, Hochspannungsleitung sowie Windkraftanlagen stellten eine erhebliche Gefahr für Raubvögel dar. "Zwar ist der Wanderfalke nicht mehr vom Aussterben bedroht aber in der Roten Liste immer noch als stark gefährdet aufgeführt."

Der Wanderfalke als Beizvogel

Falkner Sven Milz erläutert, dass der Wanderfalke in der Jagd beziehungsweise der Falknerei auch als Beizvogel zum Einsatz kommt. So werden Greifvögel bezeichnet, mit denen Falkner jagen gehen. "Beizen ist eine alte Bezeichnung für Beißen, da der Falke seine Beute durch einen Genickbiss tötet", so der Nordbremer. Die Falknerei in Deutschland, auch Beizjagd genannt, ist 2016 in die repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Unesco aufgenommen worden.

Info

Das Wildtier des Monats: Welche Wildtiere leben in den Schutzgebieten? Wir stellen regelmäßig Tiere vor, die im Werderland, aber auch in anderen Nordbremer Gebieten vorkommen.

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