CDU-Bürgermeisterkandidat Carsten Meyer-Heder will eine Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren an den Bremer Gymnasien. Derzeit bieten nur die Oberschulen die allgemeine Hochschulreife nach neun Jahren, an den acht Gymnasien im Stadtgebiet müssen die Schüler den Stoff in acht Jahren (G8) bewältigen.
Im Gespräch mit dem WESER-KURIER nannte Meyer-Heder mehrere Argumente, die aus seiner Sicht für eine Verlängerung der Gymnasialzeit sprechen. Da wäre zum einen der Gleichklang mit Niedersachsen. Der Flächenstaat hatte 2015/16 die Rückkehr zu G9 eingeleitet, nachdem sich die Gegner des „Turbo-Abi“ dort in der bildungspolitischen Debatte durchgesetzt hatten. Wichtiger noch ist aus Meyer-Heders Sicht, dass sich das Hauptargument für das „Turbo-Abi“ nach acht Jahren inzwischen erledigt hat – nämlich die Vorstellung, dass Akademiker in Deutschland zu alt seien, wenn sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Durch den Wegfall der Wehrpflicht für männliche Abiturienten und die Verkürzung der Studienzeiten im Zuge des Bologna-Prozesses (Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen) seien Berufseinsteiger nach ihrem Studium inzwischen durchschnittlich mehrere Jahre jünger als noch vor einer Generation. „Da können wir es uns durchaus leisten, das Tempo am Gymnasium ein bisschen zurückzunehmen“, findet Carsten Meyer-Heder. Das diene auch der Persönlichkeitsbildung der jungen Leute. „Derzeit bleibt da ja vieles auf der Strecke, wenn man durch das Gymnasium hastet“, so der Bürgermeisterkandidat.
Sport, Musik, freiwilliges soziales Engagement in der Freizeit – all das komme unter den jetzigen Umständen häufig zu kurz. Nicht zuletzt wäre eine Rückkehr zu G9 aus Sicht des CDU-Politikers auch ein Element für mehr Chancengerechtigkeit. Er meint: „Die soziale Zusammensetzung der Klassen ist heute viel unterschiedlicher als früher. Manche Kinder haben Startnachteile, und über einen längeren Zeitraum lassen sich diese Unterschiede besser ausgleichen als beim Abi nach acht Jahren.“
Unterm Strich, so Meyer-Heder, wäre eine Rückkehr zu G9 vor allem ein Beitrag zur Verbesserung der Studierfähigkeit Bremer Abiturienten. Dass es daran hapert, hatte zuletzt eine interne Untersuchung der Universität Bremen nahegelegt, über die der WESER-KURIER Mitte Mai berichtete. In der Studie wurden Verlauf und Erfolg des Bachelor-Studiums von mehr als 1500 jungen Leuten ausgewertet, die ihre akademische Laufbahn im Wintersemester 2013/14 an der Bremer Uni gestartet hatten.
"Können es uns leisten, das Tempo ein bisschen zurückzunehmen"
Von den Studienanfängern aus dem Land Bremen hatten nach acht Fachsemestern rund 26 Prozent ihr Studium erfolgreich abgeschlossen. Bei den Studenten aus Niedersachsen betrug die Quote 44 Prozent, für die Studenten aus den übrigen Bundesländern wurde sogar ein Schnitt von 47 Prozent ermittelt. Insgesamt verließen 47 Prozent der aus Bremen oder Bremerhaven stammenden Studenten den Studiengang, den sie 2013 belegt hatten, ohne Abschluss.
Der G9-Vorstoß des CDU-Bürgermeisterkandidaten findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem sich SPD, Grüne, CDU, Linke und Liberale an einer Neuauflage des sogenannten Bremer Bildungskonsenses versuchen. Vor zehn Jahren hatte sich Rot-Grün mit der CDU darauf verständigt, die damals eingeführte zweigliedrige Schulstruktur im Sekundarbereich mit den Säulen Oberschule und Gymnasien zehn Jahre lang unangetastet zu lassen.
Das sollte für ein gewisses Maß an Planungssicherheit und Stabilität sorgen. 2016 wurde eine wissenschaftliche Auswertung des Status quo in Auftrag gegeben, die inzwischen vorliegt. Die Frage G8/G9 ist allerdings nicht Gegenstand dieser Evaluation. Die neuen Schulkonsens-Gespräche begannen im Juni. Zwischenergebnisse gibt es noch nicht, Teilnehmer loben aber die konstruktive Atmosphäre, in der die unterschiedlichen Ansätze bisher diskutiert worden sind.
Unterdessen hat die CDU-Bürgerschaftsfraktion einen Antrag ins Parlament eingebracht, der auf eine Verbesserung der Ausbildungs- und Studierfähigkeit Bremer Schüler abzielt. Darin wird unter anderem angeregt, wie in Hamburg ein Fach „Berufs- und Studienorientierung“ einzuführen, um festgestellte Defizite bei den Kompetenzen von Schülern gezielt anzugehen und die Jugendlichen bei ihren beruflichen und akademischen Zielen besser zu beraten. In einem Bericht soll der Senat außerdem erläutern, „wie insbesondere in den Oberschulen handlungspraktische und wirtschaftsrelevante Inhalte / Fächer“ gestärkt werden können.