Wieder einmal der Achterdieksee: Am Dienstag ist in dem Baggersee in Oberneuland eine 65-jährige Frau ums Leben gekommen. Taucher der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) konnten am späten Abend nur noch ihre Leiche bergen. Zwei besorgte Passanten hatte Alarm geschlagen, weil am Ufer des Sees über einen längeren Zeitraum persönliche Gegenstände lagen, ohne dass jemand in der Nähe war. Bereits im vergangenen Jahr war der Achterdieksee durch zwei tödliche Badeunfälle in die Schlagzeilen geraten – bei insgesamt drei Ertrunkenen im gesamten Jahresverlauf. "Der Achterdieksee ist leider wiederholt ein Unglücksort", sagt Feuerwehrsprecher Christian Patzelt.
Bestürzt reagierte der Ortsamtsleiter von Oberneuland, Matthias Kook, auf die Hiobsbotschaft. "Natürlich habe ich gedacht: nicht schon wieder", sagt er. Lässt sich daraus aber auch folgern, dass der Achterdieksee besonders gefährlich ist? Gefährlicher als andere Badeseen in Bremen? Einer der beiden Badetoten von 2021, ein 15-Jähriger, war ein Nichtschwimmer, ihm wurde die steile Abbruchkante zum Verhängnis. Plötzlich hat man keine Grundberührung mehr, es geht abrupt in die Tiefe. Der andere Badetote war ein 21-Jähriger, der sich auf dem Rückweg von der Badeplattform nicht mehr über Wasser halten konnte. Beide Männer hatten einen Migrationshintergrund.
Nach den Todesfällen wurden Warnschilder am Achterdieksee aufgestellt, die bildlich auf die Abbruchkante hinweisen. Die Badeplattform wurde inzwischen aus dem Verkehr gezogen, sie dümpelt an der DLRG-Station vor sich hin. Allerdings "nicht als hundertprozentige Konsequenz aus den Badeunfällen", wie Kook betont. Die Plattform sei schadhaft gewesen, eine Reparatur wäre teuer geworden. Die DLRG-Station war zum Zeitpunkt des Vorfalls nicht besetzt. "In der Regel versuchen wir, bei gutem Wetter die Wochenenden vollständig abzudecken", sagt DLRG-Sprecher Philipp Postulka.
Als Problemsee will Kook den Achterdieksee nicht verstanden wissen. "Es gibt keine besondere Häufung von Todesfällen im Achterdieksee", sagt er. Alle Badeseen seien mit Vorsicht zu genießen. Kook verweist auf die Badetoten von 2020. Damals habe es im Achterdieksee keinen Unfall gegeben. Dafür aber einen Toten und einen Schwerverletzten im Mahndorfer See. Auch in der laufenden Saison hat sich das bisher einzige tödliche Badeunglück im Mahndorfer See ereignet. Im Mai war dort ein 18-Jähriger ertrunken.
Unterdessen warnt die Polizei vor vorschnellen Rückschlüssen. Die genaue Todesursache der 65-Jährigen ist Gegenstand von Untersuchungen, die Ergebnisse stehen noch aus. "Noch ist nicht klar, ob es sich um einen Badeunfall im engeren Sinne handelt", sagt Polizeisprecher Bastian Demann. Nicht auszuschließen, dass die Frau an einer Krankheit gelitten habe. Im Bereich des Möglichen liegt nach Expertenansicht auch eine suizidale Absicht. "Ich würde nicht von einem klassischen Badeunfall sprechen", sagt Postulka, der am Dienstagabend als Einsatzleiter der Taucher an der Suche beteiligt war.
Den Passanten waren die verwaisten Kleidungsstücke erstmals am Nachmittag aufgefallen. Sie befanden sich nicht am Hauptstrand, sondern im rückwärtigen Teil im Bereich mehrerer kleiner Holzstege – dort, wo es laut Postulka am ruhigsten ist. Als die Passanten am Abend nochmals vor Ort waren und die Kleidung immer noch unberührt an derselben Stelle lag, verständigten sie die Polizei. Und die wiederum schaltete nach ergebnisloser Suche die Feuerwehr ein, laut Patzelt ging der Anruf um exakt 21.53 Uhr ein. Knapp anderthalb Stunden später bestand traurige Gewissheit.
Sicher ist: Beide Vorjahres-Badeunfälle im Achterdieksee ereigneten sich außerhalb des Nichtschwimmer-Bereichs. Ausdrücklich warnt Feuerwehrsprecher Patzelt ungeübte Schwimmer oder Nichtschwimmer vor einer Überschätzung der eigenen Fähigkeiten. Um tödliche Badeunfälle zu vermeiden, appelliert Patzelt an sämtliche Badenden, stets die Augen offen zu halten und bei Verdachtsmomenten sofort zu reagieren. Ein geübter Schwimmer solle helfen, gleichzeitig ein Notruf abgesetzt werden. Denn: "Wenn schon einige Stunden vergangen sind, reden wir nicht mehr über Menschenrettung, sondern von Personensuche."
In ihrer erst kürzlich publizierten Zwischenbilanz führt die DLRG für Bremen zwei sogenannte Ertrinkungsfälle im Zeitraum von Januar bis Juli an. Neben dem Mahndorfer Badetoten auch einen 53-Jährigen aus einem Männerwohnheim, der am 2. Januar in der Weser unterhalb der Wilhelm-Kaisen-Brücke aufgefunden wurde. Als dritter Fall kommt der 32-Jährige hinzu, der unlängst im Rahmen einer Wette von der Bürgermeister-Smidt-Brücke gesprungen ist. Ungeklärt bleibt ein Brückensprung vom 7. Juli, die Person wird bis heute vermisst. Inklusive der 65-Jährigen wären damit im bisherigen Jahresverlauf vier oder fünf ertrunkene Menschen zu beklagen – darunter ein wirklicher Badetoter.
Nach Einschätzung von Postulka erlebt Bremen bisher "eine außerordentlich ruhige Badesaison". Den Achterdieksee betrachtet er als "nicht weniger oder mehr gefährlich als andere Seen". Mit dessen Abbruchkanten will er die Badeunfälle nicht in Verbindung bringen. Als Gegenbeispiel nennt er den Sportparksee Grambke. "Der hat auch scharfe Abbruchkanten, aber dort ist seit Jahren nichts passiert." Seine Faustregel: "Wenn man schwimmen kann, geschieht einem normalerweise nichts." Einen Tipp hat er aber doch, selbst für routinierte Schwimmer: "Am besten geht man nicht allein ins Wasser."