"Die Wirtschaft im Land Bremen ist die Grundlage von Beschäftigung, Produktion, Handel und Versorgung." So lautet der erste Satz des mit Wirtschaft überschriebenen Kapitels des Koalitionsvertrages für die laufende Wahlperiode. Was ist im Bremer Norden auf den Weg gebracht worden, um die Wirtschaft in Burglesum, Blumenthal und Vegesack zu entwickeln?
"Eine Arbeitslosenquote von 12,9 Prozent ist verbesserungswürdig", betont Bernhard Wies. Es ist ein ganzer Katalog an Kritikpunkten, die das Vorstandsmitglied des Wirtschafts- und Strukturrates Bremen-Nord mit dieser Zahl auf den Punkt bringen will. Zuvorderst: Es fehlt im Bremer Norden an Arbeitsplätzen. Die fehlende Kaufkraft wirke sich etwa auf den Einzelhandel oder das Gastrogewerbe aus. Nicht zuletzt sei es auch ein negatives Image, das manifestiert würde und so dem Bremer Norden schade. Das zeige sich zum Beispiel daran, dass es schwerfalle, etwa Hausärzte in den Bremer Norden zu locken.
Eine gewisse Dynamik entfacht sich
Ohnehin fühlen sich viele Bremen-Norder abgehängt. Und von der Politik in der Bürgerschaft nicht wahrgenommen. Noch so ein diffuses Gefühl, das manch einen beschleicht. Bürgermeister Andreas Bovenschulte hat ein Gespür für solche Stimmungen. Beim Neujahrsempfang des Ortsamtes lobte er daher mit Blick auf die vielen Bauvorhaben – vom Steingut-Areal über das Speicherquartier am Hafen bis zum Dillener Quartier an der Cranzer Straße – die besondere Dynamik im Bremer Norden. Die allerdings ist von privaten Investoren initiiert. "Wir sollten diese Projekte strategisch für eine gute Zukunft nutzen", sagt Wies. Dazu brauche es eine Organisationseinheit, die themenübergreifend koordiniere – und das idealerweise abseits der Politik. "Wir geben uns nicht der Illusion hin, dass wir wieder ein Industriestandort werden", sagt Rainer Küchen, Vorsitzender des Wirtschafts- und Strukturrates. "Wir müssen jedoch den Mittelstand und das Handwerk stärken."
Diesbezüglich hat Joachim Ossmann, Leiter der Agentur für Arbeit, den Bremen-Nordern jüngst bei der Verleihung des Unternehmenspreises Hoffnung gemacht. Es hätten sich in der jüngeren Vergangenheit einige kleine, dynamische Unternehmen angesiedelt. "Es gibt eine Reihe von innovativen Unternehmen in Bremen-Nord, die teilweise sehr hoch spezialisiert und auf ihrem Gebiet 'Hidden Champions' sind", ergänzt Agentursprecher Jörg Nowag auf Anfrage der NORDDEUTSCHEN. Bernhard Wies sieht für die künftige Entwicklung zu enge Grenzen. Das liege auch daran, dass der Bremer Norden im Gewerbeentwicklungsplan 2030 (GEP) sehr stiefmütterlich behandelt werde. Das kritisiert der Wirtschafts- und Strukturrat schon seit längerer Zeit.
Positive Worte finden Wies und Küchen dafür, dass es nach langem Vorlauf nun gelungen sei, das Blumenthaler Zentrum zum Sanierungsgebiet zu machen. "Das freut uns ebenso wie das Lüssumer Fördergebiet", sagt Wies und mahnt nun an, dass die damit verbundenen Vorhaben mit Tempo vorangetrieben werden müssten. "Von der Politik ist eine Verstärkung des Bauamtes Bremen-Nord versprochen worden. Das ist bisher nicht umgesetzt worden", kritisiert Küchen und befürchtet, dass sich Abläufe dadurch verzögern könnten.
Neben der Arbeitslosenquote ist die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ein häufig genannter Kritikpunkt. Diese wird als zu niedrig eingeschätzt, was Teile des Bremer Nordens zur Schlafstadt machen könnten, wie Kritiker nicht müde werden zu betonen. Es kursiert eine Zahl von 13.000 sozialversicherungspflichtigen Stellen im Bremer Norden. Diesen Wert mag die Agentur für Arbeit nicht bestätigen, kann eine genaue Zahl jedoch auch nicht beziffern. Allerdings sinkt die Kurve, die den prozentualen Anteil der sozialversicherungspflichtigen Stellen im Arbeitsamtsbezirk Vegesack an allen Bremer Stellen ausdrückt. "Der Anteil schwankt zwischen 7,3 Prozent am aktuellen Rand und 10,8 Prozent [Ende 2019, Anm. d. Red.]. Im Durchschnitt beträgt er 9,0 Prozent", sagt Nowag mit Blick auf den Zeitraum von Juni 2019 bis heute. Leicht gestiegen ist seit Juni 2019 die Anzahl der sozialversichert Beschäftigten im Arbeitsamtsbezirk. Diese umfasst auch diejenigen Menschen, die in Bremen-Nord wohnen, aber woanders arbeiten. Im Juni 2019 lag der Wert bei 33.601 und zum 30. Juni 2022 bei 34.875.
Die Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke) und das Wirtschaftsressort ließen die Fragen der NORDDEUTSCHEN trotz mehrfacher Nachfrage unbeantwortet.