Herr Dornstedt, erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Tag im Ortsamt Vegesack?
Heiko Dornstedt: Ja, der erste Tag war aber nicht in der Gerhard-Rohlfs-Straße, sondern in der Weserstraße. Ich war damals 32 Jahre alt und hatte im Grunde genommen das Ende meiner Laufbahn erreicht. Denn die Stelle war als Amtsrat im gehobenen Dienst dotiert. Ich erinnere mich auch noch daran, wie ich die knarrende Treppe im alten Ortsamtsgebäude hochgegangen bin und gedacht habe, 'Das hast Du jetzt die nächsten 30 Jahre vor Dir'.
Wissen Sie noch, welche Themen Sie damals beschäftigt haben?
Nein, das weiß ich nicht mehr. Was ich aber noch erinnere, ist, dass ich alte Tonbandaufzeichnungen von alten Beiratssitzungen bekommen habe. Bevor ich im Ortsamt angefangen habe, gab es eine Stellenvakanz. Aus dieser Zeit sind mehrere Tonbänder liegen geblieben, die ich dann abhören musste, um die Protokolle nachzuarbeiten. Das war eine besondere Herausforderung, da ich ja selbst nicht an den Sitzungen teilgenommen habe.
Jetzt sind Sie 34 Jahre im Ortsamt. Welche Ereignisse aus dieser Zeit sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Zum Beispiel der Vulkan-Konkurs, obwohl man den ja im Grunde genommen nur am Rande miterlebt hat. Das Schicksal der Arbeiter ging einem nah, aber man konnte es selbst nicht weiter beeinflussen. Die Entscheidung darüber ist woanders gefallen. Aber ich kann mich schon noch daran erinnern, wie die Vulkanesen hier auf dem Sedanplatz mit ihren Feuerkörben und dem alten Vulkan-Schornstein standen und Mahnwachen gehalten haben.
Gibt es noch weitere Themen?
Ebenfalls in Erinnerung geblieben ist mir, dass ich damals ein Kinder- und Jugendforum initiiert habe – was heute der Jugendbeirat ist und was mein Nachfolger Gunnar Sgolik hervorragend macht. Ich habe das Ziel, junge Leute in die Entwicklung des Stadtteils einzubeziehen. Schließlich müssen sie in Zukunft mit dem klarkommen, was im Beirat beraten und beschlossen wird.
Wie hat sich der Stadtteil in den vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten verändert?
Das ist ein beständiges Auf und Ab. Wenn ich beispielsweise die Vulkan-Krise nehme, wo alles in den Keller ging – was nicht nur die Vulkanesen betraf, die ihren Arbeitsplatz und damit auch ihr regelmäßiges Einkommen verloren haben, sondern auch die Zulieferer, denen Aufträge verloren gegangen und dadurch teilweise auch in die Insolvenz geraten sind. Aus diesem Tal sind wir gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung Bremen wieder herausgekommen. Wir haben es geschafft, der Fußgängerzone ein neues Erscheinungsbild zu geben. Ich erinnere an das damals installierte Blaue Band, was großen Anklang gefunden hat. Jetzt haben wir mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen, die mit dem Internethandel zu tun haben. Das ist aber kein spezielles Vegesacker Problem, sondern das gibt es von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen. Und dem muss man begegnen. Dabei arbeitete ich sehr eng mit dem Vegesack Marketing zusammen, um gemeinsam die Attraktivität des Mittelzentrums zu stärken und Leute aus dem Bremer Norden sowie aus dem Umland ins Zentrum zu holen, die dann tatsächlich auch Geld bei den Einzelhändlern lassen.
Was hat Ihnen an Ihrem Amt besonders gut gefallen?
Besonders gut gefiel mir, dass die Arbeit sehr abwechslungsreich war. Naturgemäß überlegt man sich morgens, 'was hast du den Tag über vor'. Es war so, dass ich meiner Frau dann abends erzählt habe, dass sich der Tag ganz anders entwickelt hat. Das ist das Salz in der Suppe. Das ist auch der Grund, warum ich diese Arbeit machen wollte: Ich wollte ständig neue Herausforderungen haben und keinen gleichförmigen Nine-to-five-Job.
Und was gefiel Ihnen nicht so?
Grundsätzlich gefiel mir alles. Natürlich gab es aber Situationen, in denen ich mich gefragt habe, ob das die Aufgabe eines Ortsamtsleiters ist.
Was war das zum Beispiel?
Ex-Senatorin Stahmann hat seinerzeit bei Radio Bremen ein Interview gegeben, als die große Flüchtlingswelle nach Deutschland schwappte. In diesem Gespräch sagte sie, dass auf dem Sportplatz Fährer Flur ein Containerdorf für Geflüchtete gebaut wird. Ich hörte dieses Interview im Badezimmer beim Zähneputzen. Ich dachte, mir bleibt die Zahnbürste im Hals stecken, denn von dem Vorhaben habe ich überhaupt nichts gewusst. Dann brach eine große Protestwelle von Leuten los, die das nicht wollten. Ich habe daraufhin versucht, das zu kanalisieren. Darauf bin ich auch ein Stück weit stolz, es geschafft zu haben, mit Pastor Keller die erste Willkommensinitiative hier in Bremen gegründet zu haben. Dann haben wir im Bereich des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Norddeutschen Steingut das Containerdorf installiert bekommen, was in den Jahren danach eine Mustervorlage für Flüchtlingsunterkünfte bundesweit war.
Freuen Sie sich auf Ihren Ruhestand oder wären Sie gerne noch Ortsamtsleiter geblieben?
Ich freue mich jeden Tag ein bisschen mehr.
Wissen Sie denn schon, wie Sie die Zeit ab 1. Oktober nutzen werden?
Das weiß ich jetzt noch nicht. Darüber mache ich mir erst ab Oktober Gedanken.