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Stadtentwicklung in Vegesack Warum das Bauen in zweiter Reihe auf Kritik stößt

Um dem Mangel an Wohnungen Heer zu werden, könnten an drei Orten in Vegesack Häuser in zweiter Reihe entstehen. Doch dieses Vorhaben stößt auf Kritik. Was die Gründe dafür sind.
27.12.2024, 18:00 Uhr
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Warum das Bauen in zweiter Reihe auf Kritik stößt
Von Aljoscha-Marcello Dohme

Damit mehr Wohnungen in Bremen entstehen, soll künftig auch in zweiter Reihe gebaut werden. Allein in Vegesack hat das zuständige Ressort drei Areale ausfindig gemacht, auf denen nachverdichtet werden könnte. Doch bei den Anwohnerinnen und Anwohnern, die eigentlich von dieser Option profitieren sollen, löst das Angebot vor allem eines aus: Sorgen.

Das gilt zum Beispiel für Alexandra Lankenau, die gemeinsam mit ihrem Mann im Bereich Kücksberg wohnt. Hier könnten der Behörde zufolge auf einem 7800 Quadratmeter großen Areal etwa 18 Wohnungen entstehen. Doch wo perspektivisch gewohnt werden soll, ist heute ausschließlich Natur – und damit unversiegelte Fläche. "Da wir regelmäßig von Starkregenereignissen betroffen sind, haben wir die Sorge, dass das Wasser künftig noch schneller herunterläuft", schildert sie. In der Vergangenheit haben derartige Ereignisse bereits zu Schäden geführt. Zwar nicht bei ihr, aber in der Nachbarschaft. Das sei auch einer der Gründe, warum es niemanden in ihrer Straße gebe, der von dem Vorhaben überzeugt sei. Schließlich sei zu befürchten, dass demnächst auch andere Häuser nach einem Starkregenereignis Schaden nehmen könnten.

Grün musste Brückenbaustelle weichen

Denn Grün habe das Quartier bereits vor einigen Jahren verloren. "Im Bereich Hermann-Fortmann-Straße gibt es eine Fläche, auf der früher viele Bäume und Sträucher wuchsen. Doch die mussten der Brückenbaustelle weichen", erzählt sie. Das hätte für verschiedene Vogelarten zur Folge gehabt, dass sie sich eine neue Bleibe suchen mussten. Die hätten sie zum Beispiel im Garten der Lankenaus gefunden. "Wenn die Bäume hier auch noch wegmüssen, wo sollen die Vögel dann hin", fragt sie sich.

Auf die Entscheidung, ob hinter ihrem Haus gebaut wird oder nicht, hat die Vegesackerin nämlich keinen Einfluss. "Das Gelände war Pachtland – und der entsprechende Vertrag wurde uns gekündigt", erzählt sie. Sie habe noch versucht, das Grundstück zu kaufen. Doch das sei ihr nicht gelungen.

Also muss sie damit rechnen, dass sie in Zukunft nicht mehr von ihrem Haus aus in die Natur schaut, sondern auf andere Gebäude. Und damit auch ein Stück Privatsphäre verliert. "Wir haben das Haus seinerzeit gekauft, um auf der einen Seite stadtnah zu wohnen, auf der anderen aber auch Weitblick zu haben", sagt die Nordbremerin. Anders würde sie die Lage sehen, wenn an der Stelle sozialer Wohnungsbau geplant sei. Doch weil weniger als 20 Einheiten vorgesehen sind, greift die Sozialwohnungsquote hier nicht. "Freudensprünge würde ich dann zwar auch nicht machen, aber wenn das Projekt dem Wohle der Allgemeinheit dienen würde, würde ich mich nicht dagegen auflehnen", betont sie.

Leerstand im Quartier

Die Notwendigkeit, Wohnraum für Gutverdiener zu schaffen, sieht sie dagegen nicht. "Hier stehen so viele Häuser leer", erzählt sie. "Die sollten zunächst hergerichtet werden, bevor neue Gebäude gebaut werden." Hinzu kämen die Wohnungen, die sowohl im Steingut-Quartier als auch im Speicher-Quartier geplant sind. "Insofern kann man speziell in Vegesack nicht von einer Wohnungsnot sprechen", sagt sie. Und damit sei es auch nicht notwendig, für neue Häuser Natur zu vernichten. "Zumal in Marßel Steuergeld ausgegeben wird, um den Helsingborger Platz zu entsiegeln", sagt sie.

Hinweise wie die von Alexandra Lankenau haben die Behörde auch während des Planungsdialogs erreicht, der im Dezember stattgefunden hat. "Nach der nun erfolgten ersten Öffentlichkeitsinformation ermittelt das Bauamt zunächst weitere Planungsgrundlagen, zum Beispiel durch die Beauftragung externer Gutachten oder durch die Einholung von Stellungnahmen der Fachbehörden", sagt der Nordbremer Bauamtsleiter René Kotte. "Dazu gehören auch die Fragen des Umgangs mit dem Niederschlagswasser und die Fragen des Artenschutzes."

Auch auf Basis dieser Erkenntnisse werden die Bebauungspläne im Anschluss ausgearbeitet und der Baudeputation vorgelegt. "Dabei kommt es üblicherweise auch zu Veränderungen und Überarbeitungen der ursprünglichen Planungsvorschläge", so Kotte. "Mit den überarbeiteten Planungen wird die Öffentlichkeit erneut beteiligt, bevor sich die Baudeputation und die Stadtbürgerschaft abschließend mit der Angelegenheit befassen." Das Verfahren befände sich aber noch ganz am Anfang. Abgeschlossen werde es vermutlich nicht vor 2026.

Kontakt zum Beirat

Die Anwohnerinnen und Anwohner der Hermann-Fortmann-Straße sind aber nicht die einzigen, die dem Vorhaben skeptisch gegenüberstehen. Andreas Kruse (CDU) berichtete dem Vegesacker Beirat von einer Nordbremerin aus dem Grohner Gartenweg, die kürzlich in der Bürgersprechstunde des Gremiums war. "Sie erzählte, dass weder sie noch ihre Nachbarn der Nachverdichtung positiv gegenüberstehen", sagte der stellvertretende Beiratssprecher. Aus diesem Grund würden die Betroffenen bereits Unterschriften sammeln.

Um das Thema genauer beleuchten zu können, wird sich der Beirat im kommenden Jahr mit allen drei Bebauungsplänen befassen, sagte Vegesacks Ortsamtsleiter Gunnar Sgolik. Zu der Sitzung sollen alle Anwohnerinnen und Anwohner, auf deren Grundstücken in zweiter Reihe gebaut werden könnte, eingeladen werden.

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