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Inklusion in Bremen-Nord Selbstbestimmtes Leben: Wie barrierefrei Vegesack ist

Frank Schurgast vom Verein Inklusion Nord hat verschiedene Gebäude in Vegesack auf ihre Barrierefreiheit hin untersucht. Zu welchem Ergebnis er gekommen ist.
23.02.2024, 18:15 Uhr
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Selbstbestimmtes Leben: Wie barrierefrei Vegesack ist
Von Aljoscha-Marcello Dohme

Für Menschen mit einer Behinderung kann es mitunter schwierig sein, sich auf der Straße zurechtzufinden oder in ein Gebäude zu kommen. Wie es um die Barrierefreiheit in Vegesack steht, ein Überblick.

Wer auf barrierefreie Orte angewiesen ist

"Beim Thema Barrierefreiheit wird häufig zuallererst an Menschen gedacht, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind: Gehbehinderte, Rollstuhlfahrer", sagte Thomas Pörschke (Grüne) während der Sitzung des Vegesacker Ausschusses für Bildung, Familien und Inklusion am Donnerstag. Allerdings gebe es noch eine weitere Gruppe, die ebenfalls berücksichtigt werden müsste. Dabei dachte der Ausschusssprecher an Menschen, die entweder nicht gut oder gar nicht mehr sehen können.

Wie barrierefrei öffentliche Gebäude in Vegesack sind

Um dem Ausschuss einen detaillierten Überblick geben zu können, hat Frank Schurgast vom Verein Inklusion Nord verschiedene Gebäude in Vegesack inspiziert. Dazu zählte unter anderem das Alte Packhaus, in dem sich das Kito sowie das Overbeck-Museum befinden. "Hier gibt es einen Fahrstuhl mit einer Mindestbreite von 90 Zentimetern", sagte Schurgast, der selbst im Rollstuhl sitzt. Genauso breit sei auch die Eingangstür. Als barrierefrei bezeichnete Schurgast das Gebäude aber trotzdem nicht. "Das Problem beim Fahrstuhl ist zum Beispiel, dass ich mit dem Rollstuhl oben rückwärts herausfahren muss", schilderte er. Da sich der Lift direkt an einer Treppe befinde, die aber nicht gesichert sei, bestehe hier Lebensgefahr. Außerdem gebe es im Inneren keine automatischen Türen. "Das ist etwas, was für ein selbst bestimmtes Leben ganz wichtig ist", sagte der Vereinsvorsitzende. Auch der Bereich vor dem Gebäude ist für Menschen mit Behinderung nicht optimal gestaltet. "Teilweise sind dort Kopfsteinpflaster verlegt. Damit gibt es keine rutschsichere Pflasterung", sagte Schurgast.

Etwas besser sieht es beim Gustav-Heinemann-Bürgerhaus aus. "Obwohl das Gebäude bereits 1977 eröffnet wurde, kann man hier schon von einem barrierefreien Haus sprechen", informierte er. Es gebe einen Fahrstuhl und auch die Türen ließen sich automatisch öffnen. Zudem sei der Boden weitestgehend rutschsicher und die Zuwegung zum Haupteingang barrierefrei. Dennoch gibt es auch Kritikpunkte: "Im gesamten Innenbereich des Bürgerhauses gibt es keine automatischen Türen", sagte er. "Darüber hinaus sind einige Türen zu schmal bemessen, wodurch nicht alle Räume von Rollstuhlfahrern genutzt werden können." Auch im Bereich der Cafeteria sei nicht an die Belange behinderter Menschen gedacht worden. So könnten Rollstuhlfahrer nicht direkt am Tresen bedient werden. "Vieles wird allerdings durch die Freundlichkeit des Personals wettgemacht", so Schurgast. Darüber hinaus bezeichnete er die Terrasse als lebensgefährlich für Rollstuhlfahrer. Schließlich ist die Treppenanlage dort nicht gesichert.

Der Kulturbahnhof verfügt zwar über eine Rollstuhlrampe, richtig barrierefrei ist die Einrichtung laut Schurgast aber trotzdem nicht. Der Platz vor dem Gebäude sei, wie auch beim Alten Packhaus, nicht rutschsicher. "Außerdem ist die Tür viel zu schmal für die meisten Rollstühle", erklärte er.

Was das Kulturbüro dazu sagt

Für Malte Prieser waren die Erkenntnisse nicht neu. "Wir stoßen im Alltag immer wieder an unsere Grenzen", sagte der programmatische Geschäftsführer. "Denn wir haben ein Problem – und das ist die Bürokratie." Werden die Standorte saniert, braucht es dafür Fördergelder. "Das Thema Barrierefreiheit wird dabei allerdings nicht mitgedacht", schilderte er. Der Fahrstuhl im Alten Packhaus bildet dabei eine Ausnahme. Weil das Kulturbüro auch Menschen beschäftigt, die im Rollstuhl sitzen, hat die Berufsgenossenschaft die Kosten für den Lift übernommen.

Und dass die Türen im Alten Packhaus nicht automatisch aufgehen, liegt an Vorgaben von Behörden. "Der Denkmalschutz wollte, dass dort Glastüren eingebaut werden", erzählte Prieser. "Weil es sich dabei aber um den ersten Fluchtweg handelt, müssen die Scheiben komplett brandschutzsicher sein." Das habe zur Folge, dass sie das Gewicht eines Kleinwagens haben. Da es jedoch keinen Motor gibt, der so eine Last bewegen kann, müssten die Türen ohne Automatik auskommen. "Im Interesse all unserer Besucherinnen und Besucher sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wären wir mehr als glücklich, wenn sich hier in Sachen Barrierefreiheit etwas tun würde", so Prieser.

Welche Probleme Sehbehinderte in Vegesack haben

Die Sehkraft von Thomas Meyer ist im Laufe der Jahre immer schlechter geworden. Das führt zum Beispiel dazu, dass er bei seiner Bank keine Kontoauszüge mehr ziehen kann. "Den Geräten fehlt schlichtweg die nötige Software, um auch von Blinden genutzt zu werden", schilderte der Vegesacker. Deshalb müsse er sich die Belege nun einmal in der Woche zuschicken lassen.

Ein weiteres Problem ist die Situation auf der Straße. "Die empfinde ich als sehr, sehr schlecht", sagte er. Zum einen seien die Fußwege in einem schlechten Zustand. Zum anderen seien Baustellen und Roller ein Hindernis. "Ich erschrecke mich dann, falle unter Umständen hin und verletze mich", erzählte Meyer. Um das zu verhindern, würden Passanten ihm helfen. Doch mitunter sei es schwierig, den Anweisungen zu folgen. "Wenn jemand zu mir sagt 'Sie müssen einfach nur geradeaus laufen' ist es gar nicht so einfach, dieses Geradeaus zu finden", so Meyer. Deshalb brauche es mehr Orientierungshilfen, die Sehbehinderte in die Lage versetzen, Barrieren zu erkennen.

Warum Barrierefreiheit wichtig ist

In einer inklusiven Gesellschaft sollten alle das Recht haben, selbst zu entscheiden, wie sie leben wollen, sagte Frank Schurgast. "Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Selbstbestimmung." Dabei würde die Barrierefreiheit eine entscheidende Rolle spielen. Denn die ermögliche es Menschen mit einer Behinderung, selbstbestimmt zu leben.

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